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Freitag, 19. Februar 2016

Politiker schlafen zu wenig - und Ärzte?

Ein interessanter Artikel im Focus beschäftigt sich mit Schlafmangel und der Entscheidungsfähigkeit von Politikern. Müssen wir uns Sorgen machen? Und - warum gilt es nicht auch für Ärzte. Tauschen wir doch einfach mal den Begriff Politiker durch Ärzte aus: 


Ärzte schlafen zu wenig, Ärzte treffen Entscheidungen oft übermüdet. Das kann dramatische Folgen haben, sagt der Schlafmediziner Hans-Günter Weeß. Übermüdet tendiere der Mensch dazu, von seinen ethisch-moralischen Grundsätzen abzurücken und risikofreudiger zu werden – weil er einfach nur ins Bett will.
In Diensten (Original "Große Konferenzen)spielt Schlaf eine große Rolle - gerade, weil er dort viel zu kurz kommt. Durch mehrstündiges Arbeiten (Verhandlungen) wird teilweise völlig auf Schlaf verzichtet.Das hat nicht nur gesundheitliche Folgen, sondern kann auch als taktische Waffe eingesetzt werden, wie uns Dr. Hans-Günter Weeß, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, bestätigt.
Frage: Herr Weeß, SpitzenÄrzte schlafen oft nur vier bis sechs Stunden. In Diensten (Original: Auf Gipfeltreffen wie aktuell in Brüssel) werden Beschlüsse oft in nächtlichen Sitzungen gefasst. Werden wir schlechter behandelt, weil der Arzt (Orginal: die Bundeskanzlerin) zu wenig schläft?
Dr. Hans-Günter Weeß: Entscheidungen, die übermüdet getroffen werden, sind zumindest kritisch zu hinterfragen. Gerade in Dienten (auf Gipfeln) neigen Ärzte zu wenig Schlaf. Manchmal sieht man (im Fernsehen), wie sie dösen oder mal kurz wegnicken. Das ist insofern bedenklich, weil in einer Umfrage unter Spitzenkräften in Politik und Wirtschaft 57 Prozent zugegeben haben, dass sie schon einmal bedeutende Zugeständnisse gemacht haben – nur weil sie übermüdet waren.
Was passiert mit dem Körper, wenn er zu wenig Schlaf bekommt?
Das ist dauerhaft schädlich für das Herz-Kreislauf-System, das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes und Schlaganfälle steigt. Auch die Gefahr für psychische Erkrankungen wie Depressionen nimmt zu. Schließlich können sich Schlafstörungen entwickeln.

Und wie wirkt sich eine nächtliche Marathonsitzung aus?
Das ist purer Stress. Wenn Sie 17 Stunden am Stück wach sind, entspricht ihr Reaktionsvermögen einem Menschen mit 0,5 Promille Blutalkohol. Nach 22 Stunden ununterbrochenem Wachsein ist es schon ein Promille. Die Fehlerquote nimmt ab mehr als neun Stunden Arbeit am Stück enorm zu, auch die Entscheidungsfähigkeit wird beeinflusst: Übermüdet verlassen wir unsere ethisch-moralischen Grundsätze, weil der Körper einfach nur ins Bett will. Gerade im Dienst (in der Politik) ist das natürlich höchst bedenklich.

Wenn Sie hören, dass eine wichtige Entscheidung in einer nächtlichen Sitzung getroffen wurde, was denken Sie dann?
Dass sich derjenige durchgesetzt hat, der am längsten wach bleiben konnte. Und das muss nicht unbedingt derjenige mit den besseren Argumenten sein.

Sollte uns diese Erkenntnis nicht beunruhigen?
Zu mehr Vertrauen in Ärzte (die Politik) führt sie ganz bestimmt nicht.

Stimmt es, dass wichtige medizinische Entscheidungen oft aus strategischen Gründen an das Ende des Tagesablaufs gesetzt werden?
Ja. Manche Ärzte nutzen angeblich das Wissen um den Schlaf. Sie setzen wichtige Punkte an das Ende einer langen Sitzung. In der Hoffnung, dass sie ihre Positionen dann besser durchsetzen können.
Wäre die Welt besser (oder friedlicher), wenn die Ärzte mehr schlafen würden?
Das ist eine interessante Frage. Ich vermute, dass medizinische Entscheidungen manchmal profunder wären. Studien zeigen: Je schläfriger der Mensch ist, umso risikofreudiger wird er auch. Ausgeschlafen wäre so manche riskante Entscheidung womöglich nicht getroffen worden.

Sie plädieren für mehr Mittagsschlaf. Sollten wir uns an Südeuropa orientieren, wo schon mal eine Siesta gehalten wird?
Der asiatische Raum könnte uns da ein Vorbild sein. Dort gilt Schlaf im Alltag und Berufsleben als normal, bei uns wird er dagegen geächtet. Dabei kann ein kurzes Nickerchen zwischendurch Wunder wirken. Wir werden leistungsfähiger, kreativer, die Aufmerksamkeit steigt und wir machen weniger Fehler. Ich plädiere dafür, dass deutsche Unternehmen für ihre Angestellten mehr Ruheräume einrichten.

Gibt es ein Land, dessen Schlafkultur Ihrer Vorstellung entspricht?
Das wären schon Japan und China, wo sich niemand für Schlaf am Arbeitsplatz schämt. Allerdings wird dort im internationalen Vergleich auch überdurchschnittlich viel gearbeitet und weniger Wert auf Freizeit gelegt.

So geht es meist auch SpitzenÄrzten hierzulande. Was würden Sie einer Bundesministerin oder einem Bundesminister entgegnen, der Ihnen sagt: "Ich schaffe meine Arbeit nicht, wenn ich acht Stunden schlafe"?
Ich hätte durchaus Verständnis dafür, weil man in diese Positionen offenbar nur gelangen kann, wenn man sein Schlafbedürfnis zurückstellt. Allerdings habe ich grundsätzlich mehr Vertrauen in Ärzte, die ausreichend schlafen. Weil sie auch in nächtlichen Sitzungen weniger Fehler machen und auf ihren ethisch-moralischen Grundsätzen beharren.

Montag, 15. Februar 2016

Der akute Notfall nach fast food nuggets

Fast Food Chicken Nugget läßt Speiseröhre reißen

 
Immerhin entsteht ein knochenfreies Stück Klebefleisch, das beim Schlucken keine Probleme verursaachen sollte.

Jetzt wird jedoch von einem 25-jährigen Kanadier berichtet, dem sein Nugget buchstäblich im Hals stecken blieb. Blass, kurzatmig und mit epigastrischen Schmerzen wurde der junge Mann in der Notaufnahme des Toronto General Hospital vorgestellt. Ene Stunde zuvor hatte er eine Portion Chicken Nugget gegessen. Dabei habe er einen scharfen, kratzenden Schmerz empfunden. Erbrochen habe er nicht.
Bei der körperlichen Untersuchung fiel ein peritonistischer Druckschmerz im Epigastrium auf. Die Atemgeräusche waren regelrecht, die Laborwerte weitgehend unauffällig, abgesehen von einer leichten Erhöhung der Leukozyten, des Bilirubins und der Amylase.
Aufschlussreicher war das Röntgenbild des Thorax mit freier mediastinaler Luft und einen linksseitigen Pleuraerguss. Fremdkörper im Ösophagus oder freie Luft im Abdomen waren nicht festzustellen. Die Computertomografie zeigte dann aber eine Ruptur des distalen Ösophagus mit Kontrastmittelaustritt, ein Pneumomediastinum und einen Plauraerguss links.
Nach der Verordnung von Nahrungskarenz, Flüssigkeit i.v. und Breitspektrumantibiotika erfolgte die Ösophagoskopie. Die Diagnose einer nichtiatrogenen distalen Ösophagusruptur, eines Boerhaave-Syndroms, konnte dabei bestätigt werden. Der Patient erhielt einem Ösophagusstent zur Abdeckung der Perforation und eine Drainage des Mediastinums.
Nach fünf Tagen traten Fieber und Leukozytose mit und zunehmenden Brustschmerzen auf. Das CT zeigte diesmal einen Mediastinalabszess und einen rechtsseitigen Erguss. Den Abszess drainierten die Thorachirurgen, zugleich dekortizierten sie den rechtsseitigen Pleuraraum. Drei Wochen später konnte der Stent entfernt werden, die Ruptur des Ösophagus war verheilt.
Das Boerhaave-Syndrom hat eine hohe Letalität. Sie können sich ereignen, ohne dass Erbrechen, Anfälle oder chronischer Husten in der Anamnese auftauchen. Auch ohne einschlägige Anamnese kann sich ein Boerhaave-Syndrom entwickeln und in 20% und 75% tödlich verlaufen. Der Verdacht besteht bei Kurzatmigkeit und epigastrischen Schmerzen.

Offenbar können aber auch knochen- und schalenfreie weiche Nahrung wie etwa ein Chicken Nugget den intraösophagealen Druck derart erhöhen, dass es für eine Ruptur ausreicht.
Vom Nugget-Erfinder Robert Baker übrigens wird kolportiert, er habe zunächst wenig darauf gegeben, ob Menschen seine Kreationen bekömmlich fanden. Nur wenn der Hund sie nicht fraß, sei er zur Überarbeitung nochmals zurück in sein Labor gegangen.





Aga Z et al. An unusual case of spontaneous esophageal rupture after swallowing a boneless chicken nugget. Case Rep Emerg Med 2016, online 10. Januar