Montag, 27. Juli 2015
Fall 45: Blickdiagnose - Das lose Knie
Ein 38-jähriger Mann stellt sich vor. Er wäre die Treppe herabgefallen und koenne jetzt nicht mehr richtig laufen.
Er habe das Gefühl, als ob er keine Kontrolle mehr über sein Knie habe. Auf genaues Befragen wird folgender Unfallmechanismus angegeben: Im Moment des Sturzes wäre sein Knie überbeugt gewesen. Er habe des Sturz auffangen wollen und dabei die Muskulatur angespannt, um sein Knie wieder strecken zu können. Dabei habe er einen scharfen Schmerz gespürt.
Er habe das Gefühl, als ob er keine Kontrolle mehr über sein Knie habe. Auf genaues Befragen wird folgender Unfallmechanismus angegeben: Im Moment des Sturzes wäre sein Knie überbeugt gewesen. Er habe des Sturz auffangen wollen und dabei die Muskulatur angespannt, um sein Knie wieder strecken zu können. Dabei habe er einen scharfen Schmerz gespürt.
Eigenanamnese:
Es werden keine Vorerkrankungen angegeben, insbesondere kein Diabetes oder rheumatische Erkrankungen. Der Patient ist sportlich, Anabolika werden verneint.
Körperlicher Befund:
Bei der Inspektion fällt sofort der folgende Befund auf:
Woran denken Sie zuerst?
Was veranlassen Sie?
Mittwoch, 22. Juli 2015
Wie zuverlässig ist der Google Doktor?
Bei neu aufgetretenen Beschwerden jedweder Art ist heute oft
nicht der Arzt der erste Ansprechpartner sondern das Internet. Auf dem
Weg zur virtuellen Selbstdiagnose suchen viele "kranke" ihre Symptome erst mal
bei Google &Co. Es werden aber auch
spezialisierte Diagnostikseiten genutzt, in Deutschland z. B. NetDoktor
oder Onmeda, im angelsächsischen Sprachraum DocResponse, WebMD,
Healthwise, iTriage oder Isabel.
In einer Studie sollte nun herausgefunden werden wie zuverlässig diese Seiten sind.
45 fingierte Fälle wurden den virtuellen
„Doktoren“ präsentiert. Dabei handelte es sich in 26 Fällen um häufige,
in 19 um seltene Krankheitsbilder. Zur Auswertung gelangten 770 per
Internet gestellte Diagnosen und 532 Empfehlungen zum weiteren Vorgehen.
Das Ergebnis fiel jedoch ernüchternd aus: Nur in
34% aller Konsultationen war die korrekte Diagnose an erster Stelle
einer Liste von möglichen Diagnosen. Somit lagen die Suchseiten in
zwei Drittel aller Fälle daneben. In 51% war zumindest eines der ersten
drei Ergebnisse ein Treffer, in 58% eines der ersten 20.
Die meisten Anbieter erfragten nicht einmal Alter und Geschlecht des Patienten. Überraschender- weise hatte dies
keinerlei Auswirkung auf das Ergebnis. Insgesamt
taten sich die Netz-Ärzte bei häufigen Krankheitsbildern leichter; hier
lag die Erfolgsrate (richtige Diagnose an erster Stelle) bei 38%, bei
selteneren Erkrankungen dagegen bei 28%.
Die
Qualität der verschiedenen Internet-Anbieter variiert ganz wesentlich: Bei DocResponse stand in durchschnittlich
50% der Anfragen die richtige Diagnose ganz oben. Bei bei der
schwächsten Web-Site (MEDoctor) war dies nur in 5% der Fall. Die
Wahrscheinlichkeit, dass sich der Treffer unter den ersten 20 genannten
Diagnosen fand, lag zwischen 34% und 84%.
Einen
angemessenen Rat dazu, wie sich der Patient verhalten soll
(Selbsttherapie, zum Arzt gehen oder eine Notaufnahme aufsuchen), gaben
die Systeme in 57% der Fälle. Dabei wurden vor allem Notfälle korrekt
weitergeleitet (80%), dagegen nur 55% der nicht notfallmäßig zu
behandelnden Patienten und nur 33% derjenigen, die keine ärztliche
Therapie benötigten. Die Anbieter iTriage, Symcat (beide USA),
Symptomate (Polen) und Isabel (Großbritannien) rieten grundsätzlich in
allen Fällen dazu, zum Arzt zu gehen. Schloss man diese vier aus, blieb
eine Rate richtiger Empfehlungen von 61%.
Systeme, die auf Triage-Protokollen wie
die nach Schmitt oder Thompson beruhen, lagen mit ihren Empfehlungen
öfter richtig als diejenigen, die keine solche Basis hatten (72%
gegenüber 55%). Solche Protokolle dienen auch medizinischen
Telefon-Hotlines als Leitfaden.
Bei echten
Ärzten geht man dagegen von korrekten
Diagnosen in 85 bis 90% der Fälle aus. Dieser Vergleich ist aber nicht ganz
fair, schließlich geht es den meisten Nutzern zunächst nur darum, sich
auf die Schnelle über ihr Krankheitsbild zu informieren.
Dennoch - was
der virtuelle Arzt nicht leisten kann, ist, seine echten Kollegen in
der Praxis zu entlasten. Im Gegenteil: In zwei Drittel aller Fälle, die
eigentlich kein Handeln erfordert hätten, schickte der Netz-Doktor die
Patienten zum Arzt. Damit kann eine durch das Internet generierte Hypochondrie geschürt werden. Angesichts der vielen
Fehldiagnosen, die sich die Cyberdocs leisten, sollten Patienten skeptisch bleiben.
Mittwoch, 8. Juli 2015
Was bringt die Arthroskopie im alten Knie?
Die arthroskopische Knie-Op. bringt im
Hinblick auf Arthroseschmerzen nur unwesentlich mehr als eine
Scheintherapie. Die Autoren fordern das Aus für den potenziell
schädlichen Eingriff.
Die therapeutische Kniearthroskopie mit
partieller Entfernung des Meniskus gehört zu den häufigsten operativen
Eingriffen in den USA und in Europa. In Deutschland werden jedes Jahr
etwa 100.000 solcher Operationen bei Patienten mit degenerativen
Gelenkerkrankungen durchgeführt. Dadurch werden Arthroseschmerzen im
Knie allerdings nicht besser beseitigt als mithilfe nicht operativer
Maßnahmen; dies haben bereits mehrere randomisierte Studien gezeigt.
Eine
Metaanalyse über 9 Studien aus den USA fasst nun die Ergebnisse zusammen und findet, dass die
therapeutische Arthroskopie mit Lavage und gegebenenfalls zusätzlichem
Débridement bei degenerativen Kniegelenkschäden
wenig sinnvoll ist. Im Hinblick
auf den Endpunkt Schmerzen zeigt sie nur einen geringen Vorteil gegenüber verschiedenen
konservativen Therapien, und selbst im Vergleich mit einer
Scheinoperation ist der Vorteil nur minimal. Bereits nach ein bis zwei
Jahren hat sich der Effekt aufgehoben.
Dabei ist die Knie-Op. potenziell mit einer
Reihe ernster Nebenwirkungen wie Thromboembolien und Infektionen
belastet. Diese treten zwar verhältnismäßig selten auf. Bezogen auf die
Häufigkeit, mit der die Operation durchgeführt wird, ist jedoch schon
ein kleiner Prozentsatz solcher Ereignisse zahlenmäßig relevant.
Die
in die Metaanalyse einbezogenen Studien beinhalten Daten von insgesamt
1270 Patienten mit einer relativ großen Bandbreite von Diagnosen: von
der degenerativen Meniskusläsion ohne sichtbare Zeichen einer Arthrose
im Röntgenbild bis hin zur Läsion mit nachgewiesener Arthrose.
Verglichen
wurde die therapeutische Arthroskopie mit nicht chirurgischen Maßnahmen
wie Schein-Op., Training oder medikamentöser Behandlung der Schmerzen.
Patienten mit begleitender Kreuzbandverletzung waren ausgeschlossen.
Die
Patienten waren im Schnitt zwischen 49,7 und 62,8 Jahre alt. Vor dem
Eingriff bewegte sich die subjektive Schmerzstärke auf einem Niveau
zwischen 36 und 63 mm auf einer 100-mm-Analogskala (VAS). Auf dieser
nimmt der Wert mit der Schmerzstärke zu.
Minimaler Effekt, von kurzer Dauer
Das
Ergebnis der primären Endpunktanalyse im Hinblick auf postoperative
Schmerzen war zwar statistisch gesehen signifikant: Verglichen mit
jeglicher Kontrolltherapie wurde eine Effektstärke der arthroskopischen
Op. von insgesamt 0,14 gemessen. Wie Thorlund und Kollegen feststellen,
entspricht dies jedoch lediglich einem hauchdünnen Unterschied von 2,4
mm auf der VAS-Skala. Zum Vergleich: Die Effektstärke für NSAR bei
Knieschmerzen beträgt 0,29; wer dreimal wöchentlich das Knie trainiert,
erzielt einen Effekt von 0,68.
Die Operation zeigte zwar
kurzfristig Wirkung; der Nutzen hielt jedoch nicht lange an: Lag die
Effektstärke nach drei Monaten noch bei 0,27, fiel sie nach einem halben
Jahr auf 0,18 und nach einem Jahr auf 0,06.
Für
den Parameter „Funktion“ war der Nutzen von vornherein unerheblich
(Effektstärke 0,09), sowohl kurz nach dem Eingriff als auch im weiteren
Verlauf.
Eine Subanalyse, in der zwischen den
verschiedenen Op.-Methoden (partielle arthroskopische Meniskektomie mit
oder ohne Débridement) unterschieden wurde, führte zu keinem anderen
Ergebnis, weder hinsichtlich Schmerzen noch in puncto Funktion.
Was
die Autoren beunruhigt, ist die Inzidenz tiefer Venenthrombosen: 4,13
pro 1000 Eingriffe. Die zweithäufigste Komplikation waren Infektionen im
Kniegelenk (2,11 pro 1000), gefolgt von Lungenembolien (1,45 pro 1000);
auch Todesfälle kamen vor, wenngleich sehr selten (0,96 pro 1000).
Diese Daten beruhen allerdings lediglich auf zwei Studien; alle anderen
hatten in puncto Schadwirkungen wenig nützliche Informationen zu bieten.
Thorlund
et al. fordern nun ein Umdenken bei Patienten mittleren Alters mit
Knieschmerzen: „Die verfügbare Evidenz spricht für eine Abkehr von der
gängigen Praxis“, so die Autoren. Die arthroskopische Knie-Op. wird
häufig routinemäßig bei klinischem Verdacht auf einen Meniskusriss oder
bei positiven MRT-Befunden durchgeführt, weil man annimmt, dass die
Schmerzen im Knie mit bestimmten sichtbaren Veränderungen
zusammenhängen. Strukturelle Anomalien wie Meniskusriss, Osteophyten,
Knorpelschäden oder Knochenmarkläsionen finden sich allerdings auch als
Zufallsbefunde im asymptomatischen Knie. Die Forscher plädieren dafür,
sich zunächst an die klinischen Leitlinien
zur Kniegelenkarthrose zu halten. Diese empfehlen als vorrangige
Maßnahmen die Aufklärung des Patienten, Bewegung und Gewichtsreduktion.
Literatur:
Thorlund
JB et al. Arthroscopic surgery for degenerative knee: systematic review
and meta-analysis of benefits and harms. BMJ 2015; 350: h2747; online
16. Juni; doi: 10.1136/bmj.h2747
Keywords: Kniespiegelung, Arthroskopie, Kniearthroskopie, Arthrose, Kniearthrose, Dr Pietsch, Arthroskopie bei kniearthrose, Kniespiegelung bei Kniearthrose, notfallambulanz.blogspot.com
Sonntag, 5. Juli 2015
Fall 42: Der "grippale Infekt"
In der Notaufnahme stellt sich auf Veranlassung des Hausarztes ein 53-jähriger Mann vor. Er klagt seit 14 Tagen über grippeähnliche Symptome mit Abgeschlagenheit und Fiebergefühl. Vor einer Woche habe er eine Fieberzacke von 39°C gehabt. Es werden keine weiteren Bechwerden oder Bauchschmerzen angegeben.
Verneint werden Übelkeit, Erbrechen, Inappetenz, Durchfall oder Miktionsstörungen. Kein Nachtschweiß, kein Gewichtsverlust.
Der Hausarzt habe ein Ultraschall des Bauches durchgeführt und eine mögliche Kokade im rechten Unterbauch gesehen. Das am Vortag angfertigte Labor zeigte pathologische Werte für CRP 45, GOT 49, GGT 109, D-Dimer 1400, Quick 59%, BSG 35/70.
Eigenanamnese:
Keine Voroperationen, keine Vorerkrankungen.
Befund:
Der Patient erscheint als mobiler Fußgänger in gutem AZ und leicht adipösem EZ. Körpergröße 177cm, Gewicht 109 Kg. Temperatur 36,5°C. Haut warm und trocken, Schleimhäute feucht und rosig.
Cor/Pulmo o.B.
Abdomen: weiche adipöse Bauchdecken. Kein Druckschmerz, keine Abwehr, kein Peritonismus, kein kontralteraler Loslassschmerz, Darmgeräusche lebhaft.
Was sucht der Patient in der chirurgischen Notaufnahme?
Keywords: "chronische Appendicitis", "Bauchschmerzen", "Grippe", "Bauchgrippe", "Blinddarmentzündung", "Blindarmentzündung", "Dr Pietsch", "Notfallambulanz.blogspot.com"