Donnerstag, 1. November 2018

Meniskusrisse auch ohne Operation behandelbar

Die partielle Meniskektomie ist eine häufig am Knie durchgeführte Operation. Bei symptomatischen Patienten ohne Blockaden sollte sie jedoch nicht mehr automatisch die Therapie der Wahl sein. In einer randomisierten Studie mit zweijähriger Nachbeobachtung stellt sich Physiotherapie  nämlich gegenüber dem minimalinvasiven Eingriff als nicht unterlegen dar.

Patienten, die im MRT einen nichtobstruktiven Meniskusriss aufweisen, sollten demnach zunächst mit einer achtwöchigen Physiotherapie behandelt werden. Die Ergebnisse sind mit der OP vergleichbar. Das zeigte nun einerrandomisierte Studie mit insgesamt 321 Patienten von neun niederländischen Kliniken.

Ähnliche Ergebnisse wiesen bereits zuvor sechs randomisierte klinische Studien nach. Im Unterschied zur vorliegenden Studie waren diese als Überlegenheitsstudien (der Meniskusteilresektion) angelegt gewesen. Sie hatten jedoch ihre Schwächen.

In der jetzigen ESCAPE-Studie wurden die Teilnehmer über 24 Monate nachbeobachtet. Ihr Alter lag bei Studienbeginn zwischen 45 und 70 Jahre und hatten im MRT alle 
  • einen nicht dislozierten Meniskusriss 
  • keine Blockaden, 
  • allenfalls eine mittelgradige Arthrose (maximal Grad 3) und 
  • keine Vor-Op am betroffenen Knie.
  • Zwischen traumatischen und degenerativen Meniskusrissen wurde nicht unterschieden.
159 Patienten wurden arthroskopisch teilreseziert und 162 einem Bewegungsprogramm zugelost. Die Teilnehmer der ersten Gruppe wurden zu häuslichen Übungen angeleitet. Die Physiotherapiegruppe bekam postoperativ ein achtwöchiges strukturiertes Bewegungsprogramm mit insgesamt 16 jeweils halbstündigen Sitzungen.

Als primären Studienendpunkt hatten die Autoren die Verbesserung der Kniefunktion im IKDC-(International Knee Documentation Committee-)Score gewählt. 

In der Arthroskopiegruppe verbesserten sich IKDC Werte auf dem 100-Punkte-Score über zwei Jahre um 26,2 Punkte, unter Physiotherapie um 20,4 Punkte. Der Unterschied von 3,6 Punkten zwischen den Gruppen zeigte, dass das eine dem anderen Verfahren nicht unterlegen war.
Das Aktivitätsniveau auf der Tegner Activity Scale verbesserte sich in beiden Gruppen kaum relevant. Allerdings nahm der Knieschmerz unter Belastung auf der VAS-Skala in der Op.-Gruppe deutlicher ab, nämlich von 61,1 mm auf 19,6 mm gegenüber einer Reduktion von 59,3 mm auf 25,5 mm unter Physiotherapie. Der Arthroseschweregrad stieg in beiden Gruppen geringfügig an, von 1,3 auf 1,6 bzw. 1,5 Punkte auf der Kellgren-Lawrence-Skala.

Besonders adipöse Patienten schienen von dem arthroskopischen Eingriff zu profitieren: Auf der IKDC-Skala lagen ihre Ergebnisse zwei Jahre nach dem Eingriff im Schnitt um 10,7 Punkte höher als bei den nicht operierten adipösen Patienten. Der Unterschied in den anderen Gewichtsklassen blieb dagegen nicht signifikant. Keine Bedeutung schienen die Lokalisation des Meniskusrisses oder das Vorhandensein mechanischer Beschwerden zu haben.
Komplikationen, z.B. venöse Thromboembolien oder die Notwendigkeit eines Revisionseingriffes waren in beiden Gruppen nahezu identisch. Andere Probleme, z.B. reaktive Arthritiden oder Infektionen am Kniegelenk traten nach Arthroskopie in neun Fällen auf, nach Physiotherapie in vier Fällen. Immerhin 47 Patienten aus der ursprünglichen Physiotherapiegruppe (29%) unterzogen sich noch innerhalb der zwei Nachbeobachtungsjahre einer Meniskus-Op. 

Zusammenfassend scheint es so, als ob Patienten mit nur leichter Kniearthrose und nichtobstruktivem Meniskusriss nicht unbedingt von einer Meniskektomie profitieren. Diese könnte man initial auch eine Bewegungstherapie als Alternative anbieten. Ein nach Jazrawi  et al. völlig anderes klinisches Problem sind dagegen dislozierte, obstruktive Meniskusrisse vom Korbhenkel-Typ. Diese weisen nach arthroskopisch partieller Meniskektomie nach derzeitiger Studienlage wohl auch bei leichter Arthrose die besseren Ergebnisse auf.



Literatur
Van de Graaf VA et al. Effect of Early Surgery vs Physical Therapy on Knee Function Among Patients With Nonobstructive Meniscal Tears. The ESCAPE Randomized Clinical Trial. JAMA 2018; 320 (13): 1328–1337; doi: 10.1001/jama.2018.13308