Donnerstag, 10. Januar 2019

Zeichen von Gewalt gegen Ältere richtig deuten

Bisherige Untersuchungen über Gewalthandlungen an alten Patienten können wegen der großen Grauzone nur annähernd abgeschätzt werden. Es gibt kaum Angaben über Gewalthandlungen im häuslichen Bereich an alten Menschen und nur wenige über pflegebedürftige. 
Demnach werden im häuslichen Bereich 26 und 40% pflegebedürftigen alten Menschen innerhalb eines Jahres Opfer von Gewalthandlungen duurch Angehörigen.Im stationären pflegerischen Bereich äußern sich Gewaltphänomene als Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Psychopharmakamissbrauch, Über-, Unter- und Fehlmedikation, Auftreten von Druckgeschwüren, Fehl-, Mangel- und Unterernährung oder Missbrauch einer rechtlichen Betreuung. Hier liegen die Einnschätzungen zur Gewalt bei 11 und 24%.
Kleinere Untersuchungen zeigen, dass sich 70% der Plegenden gegenüber Bewohnern schon einmal problematisch oder gewalttätig verhalten haben. Festgestellt wurde, dass nur bei ca. 54% eine rechtlich gültige Genehmigung vorlag. Bekannt ist auch der große Schwankungsbereich der Häufigkeit von Fixierungen in unterschiedlichen Institutionen.
Andererseits finden sich auch Angaben zu Übergriffen von alten Menschen gegenüber dem Pflegepersonal. Diese liegen bei 78% für verbale und bei 63% für körperliche Gewalt.
In der Klinik ist es für den Arzt entscheidend, die Anzeichen von Gewalt zu erkennen: 
- Rötungen, Schwellungen, Prellmarken 
- Hämatome unterschiedlichen Alters
- Verletzungen, Abschürfungen, Kratzer
- Ausgerissene Haare (Haarbüschel)
- Frakturen (unterschiedlichen Alters an mehreren Körperstellen)
- Blutungen unklarer Genese
- Druckgeschwüre
- Brandwunden
- Flüssigkeitsmangel und Untergewicht
- Verletzungen im Intimbereich
Psychische Anzeichen:
- Angst, Schreckhaftigkeit, Misstrauen, Verzweiflung
- Apathie, Niedergeschlagenheit
- Stimmungsveränderungen, emotionaler Rückzug, depressive Symptomatik
- Kommunikationsstörung
- Unruhe, Schlaflosigkeit
- Suizidgedanken
Weitere Anzeichen:
- zu häufige und zu lang anhaltende Fixierung
- Ungewöhnliche Medikation („innere Fixierung“)
- Bewegungsmangel, Reizarmut
- ungepflegtes verwahrlostes Äußeres
- Schilderung des Betroffenen oder von Dritten
Präventive Maßnahmen und Interventionen sollten mehrschichtig sein und den Aspekt „Hilfe vor Strafe“ betonen. Zudem sollten im institutionellen Bereich auch strukturelle gewaltfördernde Gegebenheiten verbessert werden.
In der akuten Situation helfen folgende Maßnahmen:
  • Angaben der betroffenen Person ernstnehmen und abklären,
  • vertrauensvolles Klima und deeskalierende Maßnahmen schaffen,
  • Betroffene sorgfältig untersuchen,
  • vor weiteren destruktiven Maßnahmen schützen,
  • weitere involvierte Personen zur Klärung einbeziehen,
  • bagatellisierende Argumente kritisch hinterfragen,
  • mit den Beteiligten nach Alternativen suchen und diese initiieren.
Gewalteinwirkungen haben einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit und Lebensqualität von alten Patienten. Für den Hausarzt als wichtige Vertrauensperson ist es daher von besonderer Bedeutung, Hinweise auf drohende oder schon erfolgte Gewalteinwirkungen wahrzunehmen und zu handeln.