Dienstag, 15. Juli 2014

Der unkomplizierte Leistenbruch

Der unkomplizierte Leistenbruch

Die Leistenbrüche sind die häufigsten Brüche der Bauchwand. Männer sind mit 90% häufiger betroffen als Frauen. Es handelt sich um Verlagerung von Bauchhöhleninhalt außerhalb der Bauchhöhle.
 
Zeitgenössicher Stich 1559
Entstehung:
Bei Embryos besteht noch eine natürliche Verbindung zwischen Bauchhöhle und Leiste (Processus vaginalis testis), die sich nach der Geburt schließt. Bleibt sie bestehen, spricht man von einem angeborenen Leistenbruch. Sie tritt bei Jungen häufiger als bei Mädchen auf. Betroffen sind etwa 1–4% der Kinder beziehungsweise 20% der Frühgeborenen mit einer erbliche Veranlagung. Die Darmschlingen reichen von der Bruchpforte aus durch den Leistenkanal (in dem beim Jungen der Samenstrang verläuft) unter das Leistenband. Dieser Leistenbruch kann beim Jungen bis in den Hodensack (Skrotalhernie) reichen und dort die Hoden beeinträchtigen. Beim Mädchen daggen kann sich der Leistenbruch bis in die Schamlippen erstrecken (Vaginalhernie). Gelangt bei Jungen statt der Darmschlingen Flüssigkeit aus dem Bauchraum in den Hodensack, spricht man von einem Hodenwasserbruch (Hydrozele). Dieser bildet sich allerdings im Gegensatz zum Leistenbruch meist von selbst zurück. Eltern fällt i.d.R. eine Vorwölbung im Bereich der Leiste(n) auf, die beim Presen hervortritt, aber i.d.R. schmerzlos ist.
Im Erwachsenenalter kann ein schwächeres Bindegewebe die Entstehung des Leistenbruches begünstigen. Dies ist bei älteren Menschen häufig. Bei jungen Männern dagegen entsteht ein Leistenbruch oft bei übermäßiger körperlicher Anstrengung, z. B. bei schwerem Heben oder Pressen.

Symptome:
Es besteht überwiegend eine schmerzlose Schwellung in der Leiste. Sie ist i.d.R. weich und gut wegdrückbar. Brüche können unterschiedlich ausgeprägt sein und von einem kaum sichtbaren Befund bishin zu einer tastbare Schwellung reichen, die sich bis in den Hodensack ausprägt (sog. Skrotalhernie). Ferner könnne belastungsabhängige Beschwerden, selten Schemrzen, bestehen, die bei Druckerhöhung im Bauch entstehen. Dazu gehören neben Heben, Husten und Niesen auch schon das Pressen beim Stuhlgang.

Nehmen Beschwerden kurzfristig an Intensität zu oder wird die tastbare Vorwölbung druckschmerzhaft, kann eine Einklemmung vorliegen. Dabei gleitet der Bruch nicht mehr spontan zurück und ist in seiner Duchblutung gefährdet. Kommt es zu einer Strangulation des Bruchinhaltes oder zu einem Verlust der Durchlutung, liegt eine Inkarzeration vor. Diese kann mit Allgemeinsymptomen, Stuhlentleerungsstörungen oder akuten Schmerzen einhergehen. Oftmals beginnt sich die Haut über der Schwellung auch zu röten.

Diagnose
Die Diagnose wird durch die körperliche Untersuchung gestellt. Dabei läßt sich mt dem Finger eine Lücke in der Bauchwand tasten. Es lassen sich auch Aussagen machen, ob es sich um einen direkten oder indirekten Bruch handelt. Dem Untersucher schlägt dabei der Bruchsack beim Husten gegen die Fingerspitze. Er sollte in der Lage sein, den Bruch zu tasten und ggfs. in die Bauchhöhle zu verlagern. Gelingt dies nicht, handelt es sich um einen eingeklemmten Bruch, wodurch die Indikation zur OP dringlich zu stellen ist.
Zusätzlich kann eine Ultraschalluntersuchung beitragen, differentialdiagnostische Klarheit zu schaffen.

Therapie:
Leistenbrüche heilen nie spontan aus. Konservative Maßnahmen gibt es nicht. Dennch sind "Leistenbänder" die noch am häufigsten verkauften Hilfsmittel. Sie sollen den Bruchinhalt zurückdrängen. Leider kommt es hierbei oft zu einer mechanischen Schädigung der Haut.

Indikation zur Operation:
  • Größenzunahme
  • Unmögliche Reposition
  • Akute Einklemmung
  • Inkarzeration
Daher ist die therapeutische Empfehlung stets die operative Versorgung.


Ziel der Behandlung ist der dauerhafte Verschluss der Bruchlücke. Dies wird operativ erreicht.  Es gibt unterschiedliche Methoden mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen. Insgesamt konkurrieren folgende Verfahren:
  
  • Offene Schnittoperation:
Über eine 5 – 7 cm lange Hautinzision mit Durchtrennung und Rekonstruktion der Bauchwandschichten im Bruchbereich wird durch Nähte oder Einnähen eines Kunststoffnetzes der Bruch behandelt (Lichtenstein).

  • Endoskopische / laparoskopische Operation:
Ein minmal-invasiver Eingriff, der auch als "Schlüssellochoperation" bezeichnet wird. Durch 3 kleine Minischnitte unter Kamerasicht von der Bauchhöhle aus oder vor dem Bauchfell entlang wird ein ausreichend großen Kunststoffnetz platziert.
  • Konventionelle Operation:
Siehe "offene" Operation jedoch mit Verzicht auf ein Kunststoffnetz, da die Nähte des Kunststoffnetzes Spannungen erzeugen können (Shouldice/Bassini)

  • Spannungsfreie Operation:
Dieses Prinzip verfolgt die Einnaht von Kunststoffnetz mittels offener Schnittoperation oder die breitflächige Überdeckung der Bruchpforte mit einem Kunststoffnetz in endoskopisch/laparoskopisch Technik. Die „spannungsfreie“ Reparation mit Einsatz eines Netzes kann von innen/hinten (minimal-invasiv, posterior) entweder über den transabdominellen (durch die Bauchhöhle) Zugang (TAPP=Transabdominale Präperitoneale Patchplatik, laparoskopische Hernioplastik) oder über ein vollständig extraperitoneales Vorgehen (TEP = Totale Extraperitoneale Patchplastik, endoskopische Hernioplastik) ohne Eröffnung der Bauchhöhle erfolgen.  Beide minimal-invasive Techniken (TAPP und TEP) unterscheiden sich nur bezüglich des Zugangs zur Leistenregion, die Reparation selbst ist gleich.

Die laparoskopische Technik (TAPP,TEP) ist spannungsfrei, auch unter Belastung, vorausgesetzt alle möglichen Bruchpforten werden mit einem ausreichend großen Netz und einer Überlappung von mehr als 3-5 cm abgedeckt. Das erfordert eine Mindestgröße von 10×15 cm. Der Bauch-innendruck wird auf eine große Fläche verteilt und der dahinterliegende Schwachpunkt (Leistenkanal) entlastet. Eine Fixierung des Netzes ist nicht erforderlich und wird nur dann angewendet, um bei großen Brüchen ein Verrutschen des Netzes unmittelbar während bzw. nach der Operation zu verhindern.  Das Netz verklebt schon wenige Stunden nach der OP mit der Umgebung, sodass ein Verrutschen nicht mehr möglich ist.


Die Indikation für das Vorgehen wird individuell und in Abhängigkeit vom Befund und des Patienten gestellt. Das Risiko für ein Rezidiv liegt bei insgesamt ca. 5%. Die unterschiedlichen Verfahren schneiden dabei auch unterschiedlich ab.

Derzeit werden laproskopische Verfahren bevorzugt angewandt.  Die mittlere Operationszeit liegt dabei 40 Minuten, die Komplikationsrate bei 2.5%, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bei 14 Tage und die Wiederholungsbruchrate (Rezidiv) unter 1%.

Aufzuklären ist aber auch über die Gefahr von Blutungen, Nachblutungen, Infektionen, Organ- und Nervenschäden. Postoperativ muss in Abhängigkeit vom Verfahren mit einer Rekonvaleszenz gerechnet werden. Dabei sollten körperbetonte Tätigkeiten oder Sportarten gemieden werden.