Mittwoch, 11. März 2015

Reicht ein Score für die Erkennung der Appendicitis?

Bei Patienten mit Appendizitisverdacht und bestehenden Bauchschmerzen ist der diagnostische Aufwand hoch und kann sogar in der explorativen Operation enden Hierbei finden sich sogar bei bis zu 20% kein Befund. 

Die Autoren der Studie stellen ihre Vorgehensweise mit der klinischen Einschätzung nach einem Appendicitis Inflammatory Response(AIR)-Score vor. Der Score soll die meisten Patienten mit nicht Appendizitis-bedingten Schmerzen korrekt in die Niedrig-Risiko-Gruppe eintielen und eine hohe Sensitivität für alle Appendizitisfälle aufweisen.

Dazu wurden prospektiv 464 konsekutive Patienten verfolgt, die sich mit Appendizitisverdacht in der Uniklinik vorstellten. Bei allen wurde der AIR-Score verblindet erhoben. Bei 332 Patienten (71,6%) wurde der Verdacht auf eine Entzündung der Appendix vermiformis nicht bestätigt, 84 davon aber erst nach operativer Exploration. Von den 132 Patienten mit bestätigter Appendizitis hatten 51 eine fortgeschrittene Erkrankung.

Der AIR-Score beinhaltet:
  • Erbrechen (1)
  • Schmerzen in der rechten Fossa iliaca (1)
  • Loslassschmerz oder Abwehrspannung: leicht (1), mittel (2), stark (3)
  • Temperatur ≥ 38,5 °C (1)
  • Leukozyten (x 109/l): 10–14,9 (1), ≥ 15 (2)
  • Anteil der polymorphnukleären Leukozyten (PMN) (%): 70–84 (1), ≥ 85 (2)
  • C-reaktives Protein (mg/l): 10-49 (1), ≥ 50 (2)
  • 0–4 Punkte: niedriges Risiko; 5–9 Punkte: mittleres Risiko; ≥ 9 Punkte: hohes Risiko

Ein AIR-Score von mindestens 5 Punkten, entsprechend einem mittleren bis hohen Risiko, entdeckte eine Appendizitis mit einer Sensitivität von 90%, fortgeschrittene Stadien sogar mit einer Sensitivität von 98%. Die Spezifizität, also der Anteil der korrekt erkannten Patienten ohne Appendizitis, betrug 63%;  der negative Vorhersagewert lag damit bei 94%.

Erreichte der AIR-Score mindestens 9 Punkte, erhöhte sich die Spezifität bei 97%. Bei den meisten Appendizitispatienten war es bereits zu einer Perforation oder Gangrän gekommen. Allerdings hatten selbst in dieser Hochrisikogruppe 23% der Patienten keine Appendizitis.

Durch einen AIR-Score unter 5 Punkten wurden 63% der Patienten, die keine Appendizitis hatten, korrekt identifiziert.

Um diejenigen Patienten zu erkennen, die trotz AIR-Score im Niedrigrisikobereich eine Appendizitis hatten, erwies sich der Ultraschall als ungeeignet. Nur bei mittlerem Risiko gemäß AIR trug die Sonografie dazu bei, die Entzündung zu entdecken. Die Bildgebung per CT konnte dagegen bei Patienten mit niedrigem wie mit mittlerem Risiko den Verdacht auf die Erkrankung weiter erhärten bzw. entkräften.

Die Autoren empfehlen daher bei Verdacht auf Appendizitis folgendes Vorgehen:
  1. Patienten mit niedrigem Risiko im AIR können zunächst entlassen werden – mit der Aufforderung wiederzukommen, wenn die Beschwerden sich nicht bessern. Bei (Wieder-)Aufnahme sollte einer chirurgischen Exploration ein CT vorgeschaltet werden. Bei fehlendem Befund kann der Patient entlassen werden.
  2. Bei Patienten mit mittleren AIR-Risiko sollte zunächst ein Ultraschall gemacht werden. Bei positivem Ergebnis wird operiert, bei unklarem oder negativem Ergebnis sollte der CT-Befund den Ausschlag geben.
  3. Bei Hochrisikopatienten kann oft direkt die Exploration erfolgen; falls eine Bildgebung erfolgt, sollte das ein CT sein.
Den Autoren zufolge sind die Risikostratifizierung per AIR-Score und die Entlassung von Niedrigrisikopatienten, mit geeigneter Beratung und Nachbeobachtung, mit erheblichem Einsparpotenzial verbunden: In ihrer Stichprobe hätte man die Quote an negativen Explorationen von 39% auf 23% reduzieren können.



 Halten Sie dieses Vorgehen für praktikabel?



 Scott AJ et al. Risk stratification by the Appendicitis Inflammatory Response score to guide decision-making in patients with suspected appendicitis. Br J Surg 2015; online 2. März; doi: 10.1002/bjs.9773