Samstag, 26. Dezember 2020

Oberarmfrakturen: Wann operieren?

Dislozierte Humerusfraktur: Warum operieren?

Bei geschlossener dislozierter Humerusschaftfraktur führt die konservative Behandlung zu ähnlich guten funktionellen Ergebnissen wie die Operation. Beide Verfahren haben jedoch Vor- und Nachteile, die man mit dem Patienten besprechen sollte.

In der Behandlung der dislozierten Oberarmschaftfrakturen besteht derzeit die Empfehlung zur operativen Versorgung. Damit lassen sich Pseudarthrosen weitgehend vermeiden. Andererseits ist es ein invasives Verfahren, bei dem operationstypische Komplikationen im Vordergrund stehen wie z.B. die iatrogene Radialisläsion oder die Infektion. Es muss daher im Einzelfall kritisch erwogen werden, welcher Patient von einer operativen Versorgung profitiert. Die Alternative stellt die konservative Frakturbehandlung durch eine Oberarmorthese dar. Ein Vergleich beider Verfahren i.B. auf ihre Wertigkeit haben nun Rämö et al vorgelegt.

In ihrer randomisierten Studie wurden beide Verfahren bei Patienten mit geschlossener dislozierter Humerusschaftfraktur miteinander verglichen. Dazu wurden 44 Patienten der Orthese-Gruppe zugelost, 38 der Op.-Gruppe. Das mittlere Alter lag in den beiden Gruppen bei 48 bzw. 50 Jahren bei vergleichbaren Frakturtypen, überwiegend AO/OTA-Typ A und nur geschlossene, isolierte Oberarmschaftfrakturen.

Das Ergebnis überraschte, denn beide Verfahren zeigten im Hinblick auf den primären Endpunkt im DASH-Score (Disabilities of Arm, Shoulder and Hand Score) keine signifikanten Unterschiede. Bei offener Reposition und Plattenosteosynthese lag der DASH nach einem Jahr bei 8,9 Punkten, in der Gruppe mit funktioneller Orthese bei 12 Punkten.

Die konservative Behandlung sah neben der Orthese eine Übungsbehandlung mit nicht belastender geführter Bewegungen von Ellbogen und Hand sowie Pendelbewegungen der Schulter vor. Nach drei Wochen wurden Schulterübungen durchgeführt, nach sechs Wochen die schrittweise Belastung.

Bei jedem vierten Patienten mit konservativer Therapie bildete sich innerhalb von zwölf Monaten eine Pseudarthrose. Bei den Patienten in der Op-Gruppe dagegen verlief die Heilung in allen Fällen "zufriedenstellend". Sie konnten den Arm postoperativ bewegen, sollten ihn aber sechs Wochen lang nicht belasten.

In jeweils einem Fall traten postoperativ schwerwiegende Ereignisse auf: ein Patient in der operierten Gruppe bildete eine Arrhythmie, bei einem Patienten in der Orthese-Gruppe trat eine Lungenembolie auf. Beide Patienten waren über 70 Jahre alt mit Begleiterkrankungen.

In drei Fällen der operierten Gruppe entwickelte sich eine N.-radialis-Lähmung, die sich innerhalb von 12 Monaten zurückbildete. Auch kam es zu 2 Wundinfekten, die antibiotisch behandelt werden mussten.

Auffallend im Verlauf der Studie war, dass sich 30% der Patienten aus der konservativen Gruppe in den zwölf Studienmonaten für einen operativen Eingriff entschlossen. Bei ihnen zeigten sich schlechtere Funktionswerte als bei den operierten. 

Die Autoren folgerten, dass der Heilungsverlauf nach initialer Op schneller vonstattengeht und besser vorhersagbar ist als nach Behandlung mit funktioneller Orthese. Im Constant-Murley-Score für Schulterschmerzen, Alltagsaktivitäten, Range of Motion (ROM) und Kraft betrug die Differenz auf der 100-Punkte-Skala nach sechs Wochen knapp 31 Punkte. Dies ist ein signifikanter Unterschied zugunsten der Op-Gruppe. Nach drei Monaten betrug die Differenz nur noch 15 Punkte, nach einem halben Jahr dagegen kaum noch 9 Punkte. Sie war damit nicht mehr signifikant.

Bei den operierten Patienten würden 97% wieder das gleiche Therapieverfahren wählen, während sich in der konservativ behandelten Gruppe lediglich 71% erneut ohne Operation behandeln lassen würden.

Daher empfehlen Rämö und Kollegen, die Entscheidung im Einzelfall zu treffen. Der Patient muss in der Lage sein, Vor- und Nachteile der beiden Vorgehensweisen zu kennen und gegeneinander abzuwägen.

 

Literatur: Rämö L et al. Effect of Surgery vs Functional Bracing on Functional Outcome Among Patients With Closed Displaced Humeral Shaft Fractures The FISH Randomized Clinical Trial. JAMA 2020; 323 (18): 1792‒180


Montag, 30. November 2020

Fall 70: Eine einfache Weber C Fraktur? Auflösung

 

Die klinischen Zeichen mit einem bimalleolären Druckschmerz bei der Untersuchung veranlassten die Durchführung eines CTs.






Hier fallen 3 Dinge auf:

1. Fibulafraktur Typ Weber C

2. Fraktur des hinteren Volkmann Dreiecks i.S. einer hinteren Syndesmosenverletzung

3. knöcherner Ausriss der vorderen Syndesmose


Fazit: 

Weber C Frakturen gehen in 100% mit einer Beteiligung der Syndesmose einher. Diese kann rein ligamentär reißen. Häufiger dagegen sieht man knöcherne Ausrisse des LFTA, seltener eine Beteiligung des hinteren Volkmann Dreiecks, das als knöcherner Syndesmosenausriss interpretiert werden muss. Oftmals ist die Evaluation am Röntgenbild nicht ausreichend. Wie in diesem Falle sellt sich nur die undislozierte Fibulafraktur dar und erst in der erweiterten Diagnostik die Begleitverletzung.

Es lohnt daher eine sorgfältige klinisch Untersuchung. Schmerzen bei der Palpation der proximalen Fibula lassen an eine Maisonneuve Verletzung denken, ein positiver Squeeze Test oder Frick Test an eine Syndesmosenbeteiligung. Druckschmerzen über dem Innenknöchel oder dem Deltaband lassen an eine komplexere Verletzung denken und an die Notwendigkeit einer erweiterten Dignostik. Gelegentlich finden sich kleine knöcherne Fragmente distal der Knöchelspitze, die an einen knöchernen Bandausriss denken lassen sollten. 

In der AP Übersicht des Sprunggelenkes gibt es 2 Landmarken: der mediale "clear space (MCS)" und der distale tibiofibulare overlap. Der MCS wird zwischen der medialen Talusschulter und dem Innenknöchel gemessen. Er sollte nicht weiter als 2,5mm sein. Eine Erweiterung ist verdächtig für eine Deltabandläsion. Bis 5mm besteht begründeter Verdacht, bei mehr als 5mm kann man von einer Ruptur ausgehen. Beim "overlap" gelten Erweiterungen ab 4 mm als verdächtig für eine Syndesmosenverletzung. In beiden Fällen gilt es die Gelenkkongruenz zu beachten. Kippt der Talus, sind Bandläsionen auszuschließen.


Fall 70: Eine einfache Weber C Fraktur?

 Ein 67-jähriger Patient stellt sich an seiner Frau gestützt humpelnd in der ZNA vor. Er wäre über einen Kantstein gestolpert und habe sich den Knöchel verletzt. Dieser wäre sofort dick geworden, schmerzhaft und lasse keine Belastung mehr zu.

Eigenanamnese:

Es bestehen keine Vorerkrankungen. Keine Medikamenteneinnahme

Befund:

Das linke Sprunggelenk ist fusiform geschwollen. Es besteht kein Druckschmerz über der proximalen Fibula, MFK 5 Basis, Calcaneus oder Mittelfuß. Ein Druckschmerz ist auslösbar über beiden Knöcheln. Die Achillessehen ist intakt. Es besteht eine functio laesa. Squeeze Test wird als schmerzhaft angegeben.

Diagnostik

Es werden Röntgenbilder vom li OSG angefertigt.





Diagnose?

Radiologisch stellt sich ein Frakturspalt oberhalb der Syndesmose dar. Damit kann die Fraktur als Weber C Fraktur klassifiziert werden. Weitere Auffälligkeiten bestehen nicht, oder?




Freitag, 25. September 2020

Fall 69: Geringer Sturz mit großen Folgen (Vorgehen)


CT: Es fällt eine "stumme Niere" links auf sowie eine inhomogene Milz mit Zeichen einer Ruptur bis zum Hilus. Es besteht der Verdacht eines Intimarisses der A. renalis.

Vorgehen
Aufgrund der beiden Befunde wird Kontakt mit der angiologischen Abteilung aufgenommen. Noch während der Planung wird der Patient instabil. In der BGA  fällt ein HB Abfall i. Vergl. zur Aufnahme um 4 g/dl auf. Es erfolgt die notfallmäßige Laparotomie mit der Milzexstirpation. Der Eingriff bestätigt eine komplexe Parenchymschädigung. Anschließend wird der Patient den Angiologen übergeben, die die A. renalis mit einem Stent überbrücken können. Der Patient erhält eine Antikoagulation für 8 Wochen mit ASS und Clopidrogel.

Als Folge der Splenektomie wurde entsprechend eine Impfung gegen Pneumokokken, Haemophilus influenzae Typ b und Meningokokken durchgeführt. Zusätzlich wird die jährliche Grippe-Impfung empfohlen, da durch eine Influenza-Infektion das Risiko von bakteriellen Sekundärinfektionen, insbesondere mit Pneumokokken, erhöht ist.

Fazit:
Die Kombination aus einer Milzläsion und einer Dissektion der A. renalis ist selten. Sie wird gelegentlich bei Hochrasanzverletzungen gesehen. In diesem Fall besteht die Verletzung mehr in einer seitlichen Dehnungsverletzung aus geringer Höhe. Prädisponiert hierbei ist die linke A. renalis, die über die Wirbelsäule zieht. Diese wirkt als Hypomochlion, wobei die Arterie einreißen kann. Bei unserem Patienten erfolgte dies als Dissektion. Die Therapie der Wahl ist heute das Einbringen eines Stents, die idealerweise innerhalb von 3 Stunden nach Trauma erfolge sollte. Die Prognose ist dann gut mit geringen Komplikationen, z.B. Thrombose, Niereninsuffizienz oder renale Hypertonie