Freitag, 15. März 2024

Fall 82: Der akute Bauchschmerz - Behandlung

Therapie:

Der Patient wird notfallmäßig laparotomiert. Intraoperativ bestätigt sich der Verdacht. Es ist jedoch auch schon zu einer Blutung gekommen. Das Aneurysma wird ausgeklemmt und ein langstreckiger aortobifemoraler Bypass eingelegt. Der Patient überlebt den Eingriff und kann nach 3-tägigem Aufenthalt auf der Intensivstation auf eine periphere Station verlegt werden.

Diskussion:

Die Erweiterung der infrarenalen Aorta auf einen Querdurchmesser von mindestens 3,0 cm wird als Aortenaneurysma definiert. Schätzungen zufolge sind etwa 2-4% der Menschen über 65 Jahren von einem Bauchaortenaneurysma betroffen. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter an. Bevorzugt sind Männer über 65 Jahren. Klinisch bedeutsame Aneurysmen mit einem Querdurchmesser von mehr als 5 cm kommen bei 1% der Männer unter 64 Jahren vor. Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz auf 2–4% an, vergesellschaftet mit einer erhöhten Komorbidität.

Die zugrunde liegenden Ursachen für die Entwicklung eines abdominellen Aortenaneurysmas (AAA) sind in den meisten Fällen unklar. Aneurysmen, die neben der infrarenalen Aorta auch an anderen Lokalisationen auftreten, haben oft eine genetische Ursache und treten familiär gehäuft auf. Daneben gelten Rauchen und ein Hypertonus als Risikofaktoren.

Die meisten Bauchaortenaneurysmen bleiben asymptomatisch und werden oft nur zufällig bei Routineuntersuchungen entdeckt. Werden sie jedoch symptomatisch, ist die Art der Symptome abhängig von der Größe und Lage des Aneurysmas.

- Bauch- oder Rückenschmerzen: Ein pulsierender oder konstanter Schmerz im Bauch- oder Rückenbereich kann auftreten. Dieser Schmerz kann dumpf, krampfartig oder stechend sein.

- Pulsationen im Bauchraum: Manche Menschen können einen pulssynchronen Klopfen oder Pulsationen im Bauch spüren.

- Tastbare Schwellung: Bei größeren Aneurysmen kann eine Schwellung oder ein Klopfen im Bauchbereich sichtbar oder spürbar sein.

- Rückenschmerzen oder Drucksymptome: Nicht selten finden sich Rückenschmerzen bei Kompression auf umliegende Gewebe oder Alteration des viszeralen Reflexbogens. Auch Magen-Darm-Probleme können auftreten.

Die Symptome können alle unspezifisch sein und als „Nebenbefund“ einer Umgebungsdiagnostik auffallen. Besonders bei Rückenschmerzen im Alter sollte der Untersucher an diese Differentialdiagnose denken und zumindest einen Ultraschall ergänzen. Ein Bauchaortenaneurysma kann jedoch auch asymptomatisch sein und ohne erkennbare Beschwerden fortschreiten. Daher ist eine regelmäßige ärztliche Untersuchung, insbesondere bei Personen mit einem erhöhten Risiko, wichtig, um ein Bauchaortenaneurysma frühzeitig zu erkennen.

In der Phase der Dissektion oder Perforation werden i.d.R. akute Beschwerden angegeben:

- Plötzlicher und intensiver Schmerz: Eine Bauchaortendissektion geht oft mit einem plötzlichen, starken und anhaltenden Schmerz einher. Der Schmerz wird oft als "zerreißend" oder "reißend" beschrieben und kann im Bauch- oder Rückenbereich auftreten. Der Schmerz kann sich auch in die Brust oder in die Beine ausbreiten.

- Pulsierender Tumor: In einigen Fällen kann eine Dissektion zu einer tastbaren pulsierenden Masse im Bauch führen. Dies tritt aufgrund der Trennung der Wandschichten und der Bildung eines falschen Lumens auf.

- Bewusstseinsveränderungen: In schweren Fällen einer Bauchaortendissektion kann es zu Bewusstseinsveränderungen kommen, wie zum Beispiel Benommenheit, Schwindel oder Ohnmacht. Dies kann darauf hinweisen, dass die Durchblutung des Gehirns beeinträchtigt ist.

- Akuten Extremitätenischemie: Eine Dissektion kann zur Beeinträchtigung der Durchblutung in den Beinen führen, was mit plötzlicher Beinschwäche, Taubheit, Kältegefühl oder Blässe einhergehen kann.

- Blutdruckunterschiede zwischen den Armen: Eine Dissektion kann zu Unterschieden im Blutdruck zwischen den Armen führen. Dies kann bei der Untersuchung durch den Arzt festgestellt werden.

Aneurysmen entwickeln sich in der Regel langsam von kleinen zu rupturgefährdeten Aneurysmen. Sie bleiben in über 80% der Fälle klinisch symptomfrei, bis eine vital bedrohliche Ruptur auftritt. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist es eine Zufallsdiagnose bei Routineuntersuchungen. Daher ist das Screening nach einem Aortenaneurysma bei älteren Menschen und Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren indiziert.

Die Diagnose wird in der Regel sonographisch gestellt. Zur Therapieplanung ist jedoch eine zusätzliche Bildgebung mittels Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) notwendig. Die Computertomographie-Angiographie (CTA) der Aorta gilt derzeit als diagnostisches Standardverfahren zur präoperativen Evaluation und Planung der endovaskulären Versorgung abdomineller Aortenaneurysmen („endovascular aortic repair“, EVAR). Dabei liefert die CTA alle relevanten anatomischen und morphologischen Informationen über die zugrundeliegende Pathologie der Aorta und der Beckenachsen.

Ab einem Durchmesser von 5–5,5 cm sollte eine operative oder endovaskuläre Behandlung erfolgen. Welche Therapie im Einzelfall eingesetzt wird, hängt in erster Linie von der Co-Morbidität des Patienten und der anatomischen Struktur des Aneurysmas anhand der CT/MRT-Morphologie ab[i].

Die klassische operative Therapie besteht in der offen chirurgischen Ausschaltung des Aneurysmas durch Implantation einer Rohr- oder Bifurkationsprothese. In den vergangenen Jahren wurde bei ausgewählten Patienten mit einem abdominalen Aortenaneurysma und geeigneter Aortenkonfiguration zunehmend die endovaskuläre Therapie durch Implantation eines aortobiiliakalen oder monoiliakalen Stentgrafts eingesetzt. Die endovaskuläre Therapie rupturierter abdominaler Aneurysmen ermöglicht bei sorgfältiger Patientenauswahl und detaillierter präoperativer Planung minimalinvasive Therapieoptionen auch bei Patienten mit schwerer Begleitmorbidität, obwohl die bisherigen Mitteilungen noch keine abschließende Beurteilung zulassen und Langzeitverläufe noch fehlen.

Das rupturierte abdominale Aortenaneurysma (rAAA) stellt einen Blutungsnotfall mit hämorrhagischem Schock und hoher perioperativer Letalität dar. Die präklinische Beurteilung erfordert eine rasche differenzialdiagnostische Abklärung, zielführende Diagnostik und eine sofortige Behandlung in spezialisierten Zentren. Die perioperative Therapie besteht in der Behandlung des Mehrorganversagens nach hämorrhagischem Schock und Ischämie-Reperfusions-Syndrom durch Volumensubstitution, optimierter Gerinnungstherapie, der Aufrechterhaltung der Normothermie und der Beachtung einer möglichen intestinalen Ischämie und des abdominalen Kompartmentsyndroms.

Die Prognose des rupturierten AAA ist mit einer Krankenhausletalität von 55% extrem schlecht. Die Gesamtletalität liegt bei >80%, da nur ein Teil der Patienten das Krankenhaus lebend erreicht[ii].

Insgesamt hat jedoch die Krankenhausletalität von 42,7 % im Jahr 1999 auf 33,3 % im Jahr 2010 abgenommen. Im gleichen Zeitraum zeigte sich ein signifikanter Anstieg der Zahl der endovaskulären Behandlungen.  Der Anteil der über 80-jährigen Patienten hat – unabhängig von der Behandlungsmethode – deutlich zugenommen.

Im Vergleich der Verfahren zeigte die endoluminäre Versorgung (EVAR) insgesamt eine Letalitätsrate von 22,8 %, verglichen mit 41,2 % beim offenen Verfahren (OR). Dieser scheinbare Vorteil für EVAR konnte in allen Altersgruppen gezeigt werden und mag an dem sorgfältig selektierten Krankengut zu liegen. Beim OR wurden in 74,4 % der Fälle Komplikationen beobachtet, bei der EVAR in 55,5 %. Die multivariate Analyse der Komplikationen im Gesamtkollektiv ergab bei allen ausgewerteten Komplikationen, mit Ausnahme von Wundinfekten und Nachblutungen, einen Vorteil für EVAR[iii].

Pfeiffer (2000) berichtet den Einfluss des Krankengutes auf das Auskommen. Demnach beträgt die Letalität bei elektiven Operationen 1,54 %, bei dringlichen Operationen 8,65 % und bei Notfällen mit perforiertem AAA (unverzügliche Operation nach Aufnahme in die Klinik) 35,6 %. Die Morbidität lag bei elektiven Eingriffen bei 15,9 %, bei dringlichen Operationen bei 28,8 % und bei Notfalloperationen mit perforiertem AAA bei 66,7 %. Für Patienten mit zusätzlichen Eingriffen an Nieren-, Becken- und Beinarterien sowie Kombinationseingriffen in anderen Operationsgebieten war die Letalität im Vergleich zum Durchschnitt nicht erhöht.[iv]