Das Bild zeigt eine lateralisierte Patella. Ihre Kontur weist eine Wiberg Deformität auf in einem hypoplastischen Gleitlager.
Der vordere Knieschmerz ist ein
hartnäckiges Symptom, das Therapeuten und Patienten oft verzweifeln lässt. Eine
Operation wird oft als letzter Ausweg angesehen. Deren Erfolg ist jedoch selten
dauerhaft.
Der vordere Knieschmerz hat viele
Synonyme, wie z.B. Chondromalazia patellae, Patella malalignment oder
Patellofemorales Schmerzsyndrom. Es betrifft die Rückfläche der Kniescheibe und
wird mit einem Knorpelschaden assoziiert oder als Präarthrose angesehen.
Knorpel ist jedoch nicht neuronal versorgt und oberflächliche Knorpelschäden
nicht schmerzhaft. Erst Defekte, die bis auf die subchondrale Zone reichen,
wirken sich schmerzhaft aus.
Sie sind Folge einer
De-Zentrierung im patellofemoralen Lager. Die Patella unterliegt bei der
Bewegung des Kniegelenkes einem komplexen Zusammenspiel aktiver muskulärer und
passiver ligamentärer Kräfte. So stehen die Zugkräfte des medialen und der
lateralen Anteils des M.quadriceps in einem ausgewogenen Verhältnis. Bei
Patienten mit vorderem Knieschmerz liegt häufig eine Schwächung oder mehr
tonische Innervierung des medialen Vastus vor. Daraus resultiert eine
Verkippung und Mehrbelastung der lateralen Facette.
Die körperliche Untersuchung muss
die statischen und dynamischen Aspekte berücksichtigen. Bei Inspektion kann
eine Atrophie des Vastus medialis auffallen. Ist die Patella weit
lateralisierbar, kann dies zudem Hinweis für eine Insuffizienz des medialen
Retinakulums sein, z.B. nach früherer Patellaluxation. Auf ein Genu recurvatum
sollte geachtet werden. Hieraus resultiert oft ein muskuläres Überwiegen der
Hamstrings mit einer vermehrten Kniebeugung und einer Hyperkompression der
Patella. Dies kann sich sogar auf das Sprunggelenk mit einer kompensatorischen
Überpronation übertragen.
An der Hüfte führt eine
Insuffizienz der Abduktoren und Außenrotatoren zu einem Gangbild mit
innenrotiertem Fuß. Es resultiert eine Mehrbelastung des Tractus ileotibialis,
der durch vermehrten Zug bei Beugung die Patella nach lateral verkippt.
Schließlich durchlaufen
Sprunggelenk und Tibia beim Laufen einen Prozess der Pro- und Supination im
Sprunggelenk und eine begleitende Rotation der Tibia. Ist dieser Ablauf
behindert, verbleibt die Tibia in einer verlängerten Außenrotation. Der Femur
muss nun kompensatorisch innenrotieren und zwingt zu einer Lateralisation der
Patella.
Bei der Bildgebung helfen das
native Röntgen mit Patella Tangentialaufnahmen oder ein CT. Damit können
Beinachsdeformitäten, Patellaanomalien und –position ausgemessen werden. Dazu
wird der Q-Winkel, die Kongruenz im patellofemoralen Gelenk, die Position und
die Höhe der Patella bestimmt.
Auch sollte ein EMG bei muskulärer Genese erwogen werden.
Eine Pedografie kann Störungen im Gangbild aufdecken.
Bild: Lateralisierte und „verkippte“ Patella im Röntgen und MRT
Bevor chirurgisch interveniert
wird, muss der Patient intensiv physiotherapeutisch behandelt werden. Muskuläre
Dysbalancen sollten ausgeglichen werden. Dazu kann ein Oberfläachen-EKG helfen,
dem Patienten über ein Bio-Feedback gezielt Muskeln anzusprechen. Ein
zusätzliches Tapen der Patella kann das Bemühen unterstützen, die Patella
korrekt zu zentrieren, bis der Vastus medialis dies übernehmen kann. Eine
Überpronation im Sprunggelenk sollte korrigiert werden.
Die Arthroskopie des Kniegelenkes
wird als minimal-invasive Diagnostik zur weiteren Evaluierung mit der
gleichzeitigen Chance der Therapie angesehen. Es finden sich unterschiedliche
typische Befunde. An der lateralen Facette fallen gehäuft blasige
Knorpelabhebungen bei intakter Oberfläche auf. An der medialen Seite dagegen
sieht man öfter tiefe Defekte i.S. einer Arthrose. Die Möglichkeiten einer
kausalen Therapie sind gering.
Kettunen von der ORTON
Universität Helsinki konnte in einer randomisierten Studie nachweisen, dass
arthroskopierte Patienten nicht von ihrem Eingriff profitierten. Gegenüber
konservativ geführten Patienten kam es zu keiner Verbesserung ihrer Beschwerden
nach 9 Monaten. Dem gegenüber standen die ökonomischen Aspekte der
Krankenhauskosten und einer durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit von 8 Tagen.
Vielversprechender dagegen sind
Weichteileingriffe, die das Re-Aligment der Patella anstreben. Natürlich können
diese arthroskopisch assistert durchgeführt werden, um das intraoperative
Ergebnis zu kontrollieren. Es stehen eine Vielzahl an Weichteileingriffen bis
hin zur Tuberositastansposition zur Verfügung. Allerdings muss bei der
Komplexizität des Krankheitsbildes für ein erfolgreiches Ergebnis die
Indikation stimmen.
Literatur:
Kettunen JA, Harilainen A et al (2007):
Knee arthroscopy and exercise versus exercise only for chronic patellofemoral
pain syndrome: a randomized controlled trial. BMC Medicine, 5:38