Sonntag, 12. Januar 2014

"Red flags": Was nützen sie noch bei Rückenschmerzen?

Möglicherweise bedürfen einige aktuelle Empfehlungen zur Rückenschmerzdiagnostik der dringenden Überarbeitung. Eine australische Studie ergab, dass sich nur die Faktoren Alter, lange Steroidtherapie, schweres Trauma und Kontusion oder Abrasion als aussagekräftiger Hinweis auf eine möglicherweise vorliegende Fraktur eignen. Als Warnsignal dafür, dass ein malignes Geschehen dem Kreuzschmerz zugrunde liegt, eignete sich lediglich der Screening-Faktor „Malignom in der Vorgeschichte“.

In den meisten Fällen ist ein Rückenschmerz unter „unspezifisch“ zu verbuchen und bedarf keiner aufwändigen Diagnostik. Dennoch steckt Schätzungen zufolge bei 1–4% der Rückenschmerzpatienten eine Wirbelkörperfraktur und bei weniger als 1% ein malignes Geschehen hinter den Beschwerden. Um keine dieser seltenen Ursachen zu übersehen, haben die Autoren fast aller Leitlinien zum Teil lange Listen mit Faktoren zusammengetragen („Red Flags“), bei deren Vorhandensein eine weiterführende Diagnostik angebracht ist. Einig ist man sich allerdings weder über die Art noch über die Wertigkeit der jeweiligen Faktoren. Aron Downie und Kollegen von der University of Sydney haben vermeintliche Risikofaktoren und deren Aussagekraft jetzt in einem systematischen Review von 14 Studien genauer angesehen.

Nur wenige Red Flags erfüllen ihren Zweck
Die Studien aus der Primärversorgung zeigten eine Prävalenz für Frakturen bei Rückenschmerzpatienten zwischen 1,8% und 4,3% und für maligne Geschehen zwischen 0,1% und 0,7%.In der Sekundär- und Tertiärversorgung ergab sich für Frakturen eine Quote von 2,9–9,1%. In einer Studie der Sekundärversorgung wurden bei 7% der Patienten  Malignome diagnostiziert, und in der Tertiärversorgung lag die Malignomprävalenz zwischen 1,5% und 5,9%.

Insgesamt wurde die Wertigkeit von 29 Red Flags für Frakturen und 24 für Malignome überprüft. Viele der in aktuellen Leitlinien aufgeführten Red Flags sind offenbar ungeeignet, um auf die Gefahr einer Fraktur oder eines malignen Geschehens hinzuweisen. Die höchste Vorhersagewahrscheinlichkeit für eine Wirbelkörperfraktur bei Patienten mit Rückenschmerzen fanden die australischen Autoren im Zusammenhang mit einem höheren Lebensalter (9%), einer längeren Kortikoidtherapie (33%), einem schweren Trauma (11%) sowie nach Kontusion oder im Falle einer Abrasion (62%). Mit dem Vorhandensein mehrerer Red Flags erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit für die Frakturdiagnose auf bis zu 90%. Bei Patienten mit einem malignen Geschehen der Wirbelsäule war lediglich ein Malignom in der Vorgeschichte wegweisend. In diesem Fall erreichte Vorhersagewahrscheinlichkeit in der Primärversorgung durchschnittlich 7% und in der Notfallversorgung 33%.

Die europäische Leitlinie zum Management des chronischen nichtspezifischen Kreuzschmerzes führt zehn verschiedene Red Flags für Frakturen und Malignität auf. Doch auch von ihnen erwiesen sich lediglich der Krebs in der Vorgeschichte des Patienten bzw. die längere Steroidtherapie als aussagekräftige Warnsignale, die die Notwenigkeit einer weiterführenden Diagnostik anzeigen.

Fazit der Autoren
In den Ergebnissen der Studie sehen die Bemühungen der Autoren der Leitlinie des American College of Physicians bestätigt, die auf eine enger fokusierte Liste an Red Flags setzen. Folgt man den Kriterien der meisten aktuellen Leitlinien, dann findet sich bei 80% der Patienten in der Primärversorgung mindestens eine Red Flag, die eine weiterführende Diagnostik rechtfertigt. Dies bedeutet, dass sich fast alle Rückenschmerzpatienten einem bildgebenden Verfahren unterziehen sollten – genau das, was man bei unkompliziertem Kreuzschmerz eigentlich vermeiden wollte.


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