Dislozierte Humerusfraktur:
Warum operieren?
Bei geschlossener dislozierter Humerusschaftfraktur führt die
konservative Behandlung zu ähnlich guten funktionellen Ergebnissen wie die
Operation. Beide Verfahren haben jedoch Vor- und Nachteile, die man mit dem
Patienten besprechen sollte.
In der Behandlung der dislozierten
Oberarmschaftfrakturen besteht derzeit die Empfehlung zur operativen
Versorgung. Damit lassen sich Pseudarthrosen weitgehend vermeiden. Andererseits
ist es ein invasives Verfahren, bei dem operationstypische Komplikationen im
Vordergrund stehen wie z.B. die iatrogene Radialisläsion oder die Infektion. Es
muss daher im Einzelfall kritisch erwogen werden, welcher Patient von einer
operativen Versorgung profitiert. Die Alternative stellt die konservative
Frakturbehandlung durch eine Oberarmorthese dar. Ein Vergleich beider Verfahren
i.B. auf ihre Wertigkeit haben nun Rämö et al vorgelegt.
In ihrer randomisierten
Studie wurden beide Verfahren bei Patienten mit geschlossener dislozierter
Humerusschaftfraktur miteinander verglichen. Dazu wurden 44 Patienten der
Orthese-Gruppe zugelost, 38 der Op.-Gruppe. Das mittlere Alter lag in den
beiden Gruppen bei 48 bzw. 50 Jahren bei vergleichbaren Frakturtypen,
überwiegend AO/OTA-Typ A und nur geschlossene, isolierte Oberarmschaftfrakturen.
Das Ergebnis überraschte,
denn beide Verfahren zeigten im Hinblick auf den primären Endpunkt im
DASH-Score (Disabilities of Arm, Shoulder and Hand Score) keine signifikanten Unterschiede.
Bei offener Reposition und Plattenosteosynthese lag der DASH nach einem Jahr
bei 8,9 Punkten, in der Gruppe mit funktioneller Orthese bei 12 Punkten.
Die konservative Behandlung
sah neben der Orthese eine Übungsbehandlung mit nicht belastender geführter
Bewegungen von Ellbogen und Hand sowie Pendelbewegungen der Schulter vor. Nach
drei Wochen wurden Schulterübungen durchgeführt, nach sechs Wochen die
schrittweise Belastung.
Bei jedem vierten Patienten
mit konservativer Therapie bildete sich innerhalb von zwölf Monaten eine
Pseudarthrose. Bei den Patienten in der Op-Gruppe dagegen verlief die Heilung
in allen Fällen "zufriedenstellend". Sie konnten den Arm postoperativ
bewegen, sollten ihn aber sechs Wochen lang nicht belasten.
In drei Fällen der
operierten Gruppe entwickelte sich eine N.-radialis-Lähmung, die sich innerhalb
von 12 Monaten zurückbildete. Auch kam es zu 2 Wundinfekten, die antibiotisch
behandelt werden mussten.
Auffallend im Verlauf der
Studie war, dass sich 30% der Patienten aus der konservativen Gruppe in den
zwölf Studienmonaten für einen operativen Eingriff entschlossen. Bei ihnen
zeigten sich schlechtere Funktionswerte als bei den operierten.
Die Autoren folgerten, dass
der Heilungsverlauf nach initialer Op schneller vonstattengeht und besser
vorhersagbar ist als nach Behandlung mit funktioneller Orthese. Im
Constant-Murley-Score für Schulterschmerzen, Alltagsaktivitäten, Range of
Motion (ROM) und Kraft betrug die Differenz auf der 100-Punkte-Skala nach sechs
Wochen knapp 31 Punkte. Dies ist ein signifikanter Unterschied zugunsten der
Op-Gruppe. Nach drei Monaten betrug die Differenz nur noch 15 Punkte, nach
einem halben Jahr dagegen kaum noch 9 Punkte. Sie war damit nicht mehr
signifikant.
Bei den operierten Patienten
würden 97% wieder das gleiche Therapieverfahren wählen, während sich in der
konservativ behandelten Gruppe lediglich 71% erneut ohne Operation behandeln
lassen würden.
Daher empfehlen Rämö und
Kollegen, die Entscheidung im Einzelfall zu treffen. Der Patient muss in
der Lage sein, Vor- und Nachteile der beiden Vorgehensweisen zu kennen und gegeneinander
abzuwägen.
Literatur:
Rämö L et al. Effect of Surgery vs Functional Bracing on Functional
Outcome Among Patients With Closed Displaced Humeral Shaft Fractures The FISH
Randomized Clinical Trial. JAMA 2020; 323 (18): 1792‒180