Der Unterschenkel weist eine prominente lateralseitige Weichteilschwellung auf. Die Haut ist i.S. einer flächigen Nekrose alteriert. Bei der Betastung fühlt sich die Schwellung prall und unter Spannung an. Betroffen ist die Peronaeusloge. Schmerzen werden zu Beginn der Supination und Adduktion des Fußes geäußert. Die Fußpulse sind links nicht tastbar.
Mittlerweile trifft das Labor ein. Interessieren
dürfte der Hb Wert, der mit 10,4 g/dl erwartungsgemäß niedrig ausfiel.
Diagnose: Blutungskomplikation unter Xarelto mit
Kompartmentsyndrom des linken Unterschenkels
Es erfolgt die Kompartmentspaltung. Dabei werden
ca 500ml Koagel evakuiert. Die Nekrosen werden debridiert und mit einem
Vakuumverband temporär verschlossen. Die Vakuumtherapie wird für 12 Tage mit
wiederholtem Wechsel und Nachdebridement der Weichteile beibehalten. Bei
konsolidierten Weichteilen erfolgte dann die Meshgraft Deckung und
Nachbehandlung mit weiterer Vakuumtherapie. 8 Tage nach Meshgraft konnte die
Vakuumtherapie beendet und die Patientin unter Fortführen rückfettender
Maßnahmen in die Häuslichkeit zurück verlegt werden.
Fazit:
Dabigatran (Pradaxa®), Rivaroxaban (Xarelto®),
Edoxaban (Lixiana®) und Apixaban (Eliquis®) zählen zu den
nicht-Vitamin-K-antagonistischen oralen Antikoagulanzien (NOAK).
Eine unerwünschte Nebenwirkung von ihnen sind Blutungen.
Obwohl statistisch anscheinend kein Unterschied in der Häufigkeit von Vit-K
Antagonisten und Non Vit-K Antagonisten bestehen soll, zeichnet die klinische
Erfahrung ein anderes Bild, denn hier sind es ausschließlich Blutungen unter
Non Vit-K Antagonisten, die Anlass zur stationären Aufnahme geben. So entsteht
der Eindruck, dass eine Blutungskomplikation in ihrer Schwere gravierend ist,
wenn sie auftritt, und evtl deshalb häufiger im klinischen Alltag zu sehen
ist. Blutungen sind i.d.R. relevant und
interventionspflichtig. Das betrifft aus chirurgischer Sicht insbesondere
Blutungen mit diffuser Verteilung in die Weichteile, Abdomen oder
gastrointestinal[i].
Die Therapie der akuten Blutung stellt den Kliniker vor
das Problem, dass es bislang kein Antidot für den Faktor Xa Hemmer gab. Für
Dabigatran kam erst 2015 das erste Antidot: Idarucizumab. Für die anderen o.g. Medikamente
konnte man nur auf Gerinnungsfaktoren-Konzentrate zurückgreifen.
Seit dem 1. März 2019 jedoch hat die europäische
Arzneimittelbehörde EMA die Zulassung für das Apixaban- und Rivaroxaban-Antidot
Andexanet alfa empfohlen. Es ist in der 2. Jahreshälfte 2019 unter dem Namen
Aprol auf den Markt gekommen. Für Edoxaban dagegen gibt es noch kein Antidot.
[i] https://www.webmd.com/drugs/2/drug-156265-1153/xarelto-oral/rivaroxaban-oral/details/list-sideeffects