Gibt es den perfekten Soundtrack für eine
Operation? Das British Medical Journal gibt dazu Antworten.
David C. Bosanquet und
Kollegen des Department of Surgery, University Hospital of Wales in
Cardiff [1] haben sich des Themas Musik im Operationssaal
angenommen und befürworten dieselbe, „wann immer die Situation es
erlaubt“. Auch deuten die Autoren an, dass der berühmte US-Chirurg Dr.
Evan Kane sich womöglich von Lieblingsmelodien berieseln ließ, während
er 1920 seinen eigenen entzündeten Wurmfortsatz entfernte. Jahre vor
der weltweit ersten Auto-Appendektomie hatte Kane in einem Leserbrief
an das JAMA die „segensreichen Wirkungen des Phonographen im
Operationssaal“ gelobt.
Welche Musik?
Inzwischen belegen zahlreiche Studien, dass sich Musik beruhigend und angstlösend auf Patienten auswirkt. Auch gibt es Hinweise darauf, dass viele Chirurgen
mit Musik im OP präziser und schneller arbeiten und dabei weniger
Stresssymptome zeigen. Kein Wunder also, dass bei rund zwei Dritteln
aller Operationen Musik zum Einsatz kommt – meist ausgewählt vom leitenden Chirurgen.
Was aber, wenn der Chirurg Bach favorisiert, die OP-Schwester Hardrock und der Anästhesist Schlager? Prof. Dr. Benno Ure, Direktor des Zentrums Kinderchirurgie Hannover, erklärt im Interview mit Medscape Deutschland,
dass Musik im Operationssaal nur dann positive Effekte hat, wenn das
ganze Team damit gut zurechtkommt. „Nicht alle hören gern, was ich gern
höre“, weiß er aus Erfahrung. „Musik weckt bei jedem andere
Emotionen.“
Ure selbst kann als Klassik-Fan auch mal mit Rap oder House
arbeiten, das gelingt jedoch nicht jedem. Sobald einer im Team die
Klänge als Lärm empfindet, steigt das Komplikationsrisiko. Ure selbst
ist Senior-Autor einer Studie,
die den Zusammenhang zwischen Lärm im Operationssaal, negativer
Befindlichkeit von Chirurgen einerseits und unerwünschten Ereignissen
wie Nachblutungen oder Nahtinsuffizienz andererseits belegte.
In der deutschen Studie wurde bei 156 größeren pädiatrischen
Eingriffen der Geräuschpegel im OP um die Hälfte reduziert: unter
anderem dank Telefonen mit Lichtsignal und einem Minimum an Gesprächen.
Mit positiven Folgen. „Wie sich Musik auswirkt, haben wir hierbei zwar
nicht untersucht“, betont Ure, „doch dass sie bei manchem die
Konzentration herabsetzt, ist möglich.“
Auch weiß er aus eigener Erfahrung, dass in Teams aus mehreren
Kulturen oder aus mehreren Generationen der Musikgeschmack weit
auseinanderklafft. Seine Schlussfolgerung: „Wenn man einen Konsens
findet, ist in den Phasen einer Operation, in denen alles relativ
stressfrei dahinläuft, Musik gut. Ansonsten hört man besser keine.“
Der richtige Soundtrack für eine gute OP
Den Fans zeitgenössischer deutscher Musik rät die Medscape Deutschland-Redaktion
zusätzlich von „Atemlos“ von Helene Fischer ab, auch „Au Revoir“ von
Mark Forster könnte sich als schlechtes Omen erweisen. Der Soundtrack
von „Spiel mir das Lied vom Tod“ empfiehlt sich allenfalls, falls der
Patient einen ausgeprägten schwarzen Humor mitbringt. Doch ob die Positivbeispiele der BMJ-Autoren, allen voran „Staying
alive“ von den BeeGees, „Smooth Operator“ von Sade und „Fix me“ von
Coldplay, auf Gegenliebe bei Medizinern und Patienten stoßen, bleibt
abzuwarten.
Literatur: Bosanquet D, et al: BMJ 2014;349:g7436
key words: Musik im OP; Music in theatres, Musik Chirurgie, music and surgery, Dr Pietsch, notfallambulanz.blogspot.com