Bei Behandlungsfehlern handelt es sich meistens um Fehldiagnosen - meist mit Konsequenzen für den Patienten. Sie können vermieden werden, wenn primär Denkfehler vermieden werden. Schnellschüsse führen i.d.R. zu zementierten Behandlungsschemen.
Wahrnehmungsfehler
(availability bias) und die hohe Akzeptanz des ersten Gedankens bei der
Bewertung eines neuen Falles (premature closure) zählen zu den
häufigsten ärztlichen Fehlern in der Diagnostik. Bekannte Symptome werden zu schnell
zu Diagnosen formuliert, selbt wenn noch nocht alle Aspekte berücksichtigt wurden (overconfidence bias). Bei einem Patienten mit unklaren Oberbauchbeschwerden ist es besser, die Beschwerden auch mit dieser
Bezeichnung weiter abklären zu lassen als sich verfrüht auf den "Verdacht auf Cholezystis“ fest zu legen. Hierdurch wird bei den Mitbehandlern bereits ein Muster, das nur schwerer wieder zu
korrigieren ist.
„Medical errors“ standen in einer US-Studie zur
Beurteilung von Todesursachen im Jahr 2013 auf dem dritten Platz.
Dabei handelte es sich in erster Linie nicht um
gravierende Behandlungsfehler sondern um Diagnosefehler bzw. falsch
gezogene Schlüsse, die die richtige Therapie verzögert hätten. Laut
Literaturdaten liegt die Rate an Fehldiagnosen bei 10-15%. Häufiger geschieht dies in der Notfallmedizin, der Pädiatrie und der Inneren Medizin. 20-40% der
Autopsien führen zu anderen Todesursachen als ante mortem. In einer
Studie war bei 100 an Lungenembolie gestorbenen Patienten die
Komplikation in über 50% nicht erkannt worden.
Die
zugrunde liegenden Fehler werden repetitiv und systematisch gemacht. Nicht mangelndes Wissen ist die führende
Ursache sondern die Tatsache, dass die richtigere Diagnose nicht in Erwägung
gezogen wird. Das Risiko nimmt bei seltenen Erkrankungen zu.
Auf dem 123. Internistenkongress schilderte Janneck
den ungewöhnlichen Fall einer 34-jährigen Patientin mit
starken bewegungsabhängigen Schmerzen in der linken Schulter. Als
Vorerkrankung bestand ein Morbus Crohn, der mit Azathioprin behandelt
wurde. Die Bildgebung ergab keinen klaren Befund, die Patientin wurde
nach Hause entlassen und sollte sich schonen. Weniger Tage später wurde
die Frau als Notfall in die Klinik eingeliefert und starb an einer
Meningokokken-Sepsis nach Meningokokken-Monarthritis. Die richtige Diagnose wurde nicht gestellt, da vor allem atypische
Manifestation einer seltenen Erkrankung schwer richtig zu diagnostizieren sind
Janneck M. "Ärztliches Denken - ärztliche Denkfehler". Vortrag auf dem 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), 29.04.2017, Mannheim