Zur röntgenologischen Beurteilung einer
dislozierten Schlüsselbeinfraktur empfiehlt es sich, den Patienten
aufrecht stehen oder sitzen zu lassen. In einer US-Studie trat das
Ausmaß der Dislokation in dieser Position viel deutlicher zutage als
beim Röntgen am liegenden Patienten.
Für die Therapieentscheidung bei Schlüsselbeinfraktur ist das
Ausmaß der Dislokation mit entscheidend. Die Frage ist nur, ob die
Darstellung im Röntgenbild der Realität entspricht. Ein standardisiertes
Protokoll fürs Röntgen existiert bislang nicht, und so ist es dem
Untersucher überlassen, ob er den Patienten für die Aufnahme sitzen,
stehen oder liegen lässt.
Wie Dr. Jonathan D.
Backus und Kollegen von der Washington University in St. Louis
herausgefunden haben, erscheint die gleiche Fraktur in aufrechter
Position in der Regel deutlich stärker disloziert als im Liegen.
Dislokation um 90% stärker
Die
Forscher hatten 46 erwachsene Patienten mit akuter (geschlossener)
Schlüsselbeinfraktur in jeweils beiden Positionen geröntgt. In den in
aufrechter Haltung angefertigten Aufnahmen maßen Backus et al. eine
durchschnittliche Dislokation von 15,9 mm, bei den Liegendaufnahmen
dagegen von 8,4 mm. Dies entspricht einem Anstieg um 89% bei sitzender
Position. Bei 44% der Patienten war in aufrechter Haltung, aber nicht
bei Untersuchung im Liegen eine Verschiebung der Fraktur um mehr als
100% des Schaftdurchmessers festzustellen. Besonders deutlich war der
Unterschied bei mittleren Schaftfrakturen: Bezogen auf diese allein
wurde eine Dislokation von durchschnittlich 17,1 mm im Sitzen, aber nur
um 9,0 mm im Liegen gemessen.
Leichte Verkürzung
Bei
aufrechtem Röntgen stellte sich das verletzte Schlüsselbein im Schnitt
etwas kürzer dar: Die durchschnittlichen Längen betrugen 16,2 cm
verglichen mit 16,8 cm im Liegen. Dieser Unterschied war in der Studie
zwar signifikant, dürfte aber laut Backus et al. wenig bedeutsam sein.
Ähnliches gilt auch für die relative Verkürzung gegenüber der gesunden
Gegenseite, die die Forscher fanden: Diese betrug im Schnitt 3 mm in
aufrechter Position. Im Liegen hatte sich das Schlüsselbein dagegen im
Vergleich zur kontralateralen Seite optisch sogar um durchschnittlich
1,3 mm verlängert. Auch darin sehen die Forscher jedoch keinen klinisch
relevanten Effekt.
Lieber im Stehen röntgen
Die
aufrechte Position beim Röntgen ist zur Beurteilung der Dislokation
einer Schlüsselbeinfraktur deutlich besser geeignet. Dieser Unterschied kann über die OP Indikation und die Therapieplanung entscheiden. Gegenwärtig wird eine vertikale Dislokation um mehr
als 100% als relative Indikation für ein chirurgisches Vorgehen
angesehen. Auch Verkürzungen um mehr als 2 cm erfordern nach derzeitigem
Stand eine Operation.
Keywords: Dr Pietsch, Clavikulafraktur, Röntgen Clavikularfraktur