Diagnose:
Z.n. Weichteildebridement bei Fournierschen
Gangrän
Procedere:
Es erfolgt die Verlegung in eine urologische
Fachklinik. Dort wird die plastische Deckung mit Schwenklappen und einer
Rekonstruktion des Skrotums erreicht. Der Verlauf ist jedoch nicht
unkompliziert. Es werden noch weitere Debridements peranal bei weiterer
Absessbildung angeschlossen. Die initialen Wunden bleiben jedoch davon
unbetroffen. Unter Dauerantibiose gemäß Antibiogramm heilen die Weichteile
schließlich ab, und der Patient kann nach 46 Tagen die stationäre Behandlung
verlassen.
Diskussion
Der Morbus Fournier
gilt als Sonderform einer infektiösen, nekrotisierenden Fasciitis in den
perinealen, peranalen und skrotalen Geweben. Es bedarf dazu eines Synergismus
aus vorbestehenden Komorbiditäten und einem idealen Nährboden für eine
bakterielle Ausbreitung. Der Verlauf ist foudroyant und erfordert eine rasche
chirurgische Sanierung mit einer frühzeitigen antimikrobiellen Behandlung und
intensivmedizinischer Therapie.
Der Namensgeber für das
Krakheitsbild ist Jean Alfred Fournier (1832 - 1914), der 1883 einen Artikel
unter dem Titel „Gangrene foudroyante de la verge“ (Fulminantes Gangrän des
männlichen Gliedes) veröffentlichte. Darin benennt er die drei wesentlichen
Aspekte der Erkrankung mit einem plötzlichen Beginn eines bis dahin gesunden
jungen Mannes, eine rasche Progression mit Übergang in eine fortschreitende Gangrän
ohne eine definitive Ursache. Letztere ist der Unterschied zu spezifischen Erkrankungen.
Grundsätzlich kann die
Gangrän bei Männern wie auch Frauen und Kindern auftreten, wobei das Verhältnis
mit 10:1 zu Ungunsten des männlichen Geschlechtes gewichtet ist[i]. Die jährliche Inzidenz
beträgt 1,6 Fälle auf 100 000 Männer mit einer Mortalitätsrate von 16 %.
Die Diagnose wird klinisch
gestellt. Oft besteht eine fulminante Nekrose mit einhergehender Sepsis; ausgehend
von einer kleinen Hautläsion schreitet die Gangrän oft innerhalb weniger Stunden
fort. Es kommt zu einer zunehmenden Nekrose mit erst rötlich-livide und
anschließend schwarzer Demarkation. Dieser typische Verlauf kann jedoch in bis
zu 40 % der Fälle auch fehlen. Es entwickelt sich dann lokal ein Ödem mit
Induration und Krepitation, Schmerzen und einem oft stark beißenden Geruch.
Fieber, Schüttelfrost und erhöhte Infektparameter im Labor. Der Patient
erscheint krank mit Zeichen einer Sepsis. Radiologisch können subkutane
Lufteinschlüsse oder Abszessbildung bestehen.
Begünstigend wirken systemische
Grunderkrankungen, z.B. Diabetes mellitus und Alkoholismus. Diese finden sich
in 70 % der Fälle. Zusätzlich könne Leukämien, maligne Erkrankungen,
chronischer Steroidmissbrauch, Unterernährung und HIV-Infektionen vorliegen.
Als Eintrittspforten gelten
Hautdefekte, der Gastrointestinaltrakt und der Genital- und Harntrakt besonders
nach Eingriffen, Verletzungen und Erkrankungen, wie zum Beispiel in einzelnen
Fällen nach Vasektomie[ii], [iii], bei renalen oder
rektalen Abszessen, Harnröhrensteinen und -strikturen mit Extravasation sowie
bei rupturierten Appendices, Divertikulitis und Kolonkarzinomen.
Das
Erregerspektrum ist eine Mischkultur aus aeroben und anaeroben Bakterien,
insbesondere Clostridien, Klebsiellen, Streptokokken, Coliformen und
Staphylokokken. Es entwickelt sich ein selbst unterhaltender Synergismus. Durch
Aerobier wird der Nährboden für anaerobe Keime geschaffen. In der Folge
entwickelt sich eine Endarteriitis obliterans mit Thrombosierung kleinerer
Haut- und Subcutangefäße und daraus resultierend die Gewebsnekrose[iv],[v],[vi]
Therapeutisch steht das frühzeitige
radikale chirurgische Debridement mit antibiotischer Breitspektrumtherapie
unter intensivmedizinischer Versorgung im Vordergrund.
Die chirurgische Sanierung sollte so früh wie möglich beginnen[vii]. Dies verbessert die
Überlebenschancen. Intraoperativ zeigt sich oft eine bis zur reichende Nekrose.
Selten ist die Muskulatur oder die Testes mitbetroffen. Das Ausmaß der Nekrose überschreitet
oft das äußerliche Erscheinungsbild. Medikamentös wird die chirurgische
Weichteilsanierung mit einem Breitspektrumantibiose in Form einer Dreifachantibiose
gegen Anaerobier, Streptokokken, Staphylokokken und coliforme Bakterien
empfohlen. Diese kann nach Erhalt der Kulturen gemäß des Antibiogramms
resistenzgerecht angepasst werden.
Die nekrotisierende
Fasciitis ist, laut Verband deutscher Druckkammer-Zentren, eine Indikation für
die adjuvante hyperbare Sauerstofftherapie. In den Leitlinien der European
Association of Urology (EAU) findet die Anwendung jedoch noch keine Zustimmung.
[i] Eke N. Fournier’s gangrene: a review of 1726 cases.
Br J Surg 2000; 87: 718-728.
[ii] Viddeleer AC, Lycklama a Nijeholt GAB. Lethal
Fournier’s gangrene following vasectomy. J Urol 1992; 147:1613-14
[iii]
Patel A, Ramsay JW, Whitfield HN. Fournier’s gangrene
of the scrotum following day case vasectomy. J R Soc Med 1991; 84: 49-50
[iv] Smith GL, Bunker CB, Dinneen MD. Fournier’s gangrene. Br J Urol 1998;
81: 347-355
[v]
Mallikarjuna MN, Vijayakumar A, Vijayraj SP,
Shivswamy BS. Fournier’s Gangrene: Current Practices. ISRN Surg 2012; Article
ID 942437, 8 pages
[vi]
Sroczynski M, Sebastian M, Rudnicki J, Sebastian
A, Agrawal AK. A complex approach to the treatment of Fournier’s gangrene. Adv
Clin Exp Med 2013; 22(1); 131-5