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Sonntag, 29. Dezember 2019

Fall 67: Erst gehustet, dann war das Bein taub (Auflösung)


Es besteht der Verdacht einer Aortendissektion, differentialdiagnostisch einer Embolie mit Verschluss der A. iliaca communis.



 

Auf dem CT sieht man eine langstreckige Dissektion der Aorta, die vom Aortenbogen ab den Klappen bis zur unteren Bifurkation reicht. Eine Perforation besteht (noch) nicht.


Diagnose:

Disseziierendes Aortenaneurysma Typ DeBakey I



Bei der Dissektion kommt es zu einer „Wühlblutung“ in der Media des Gefäßes. Vorangehend hat in der Regel ein Einriss der Intima zu einem sogenannten „Entry“ geführt. Es bildet sich eine flottierende Dissektionslamelle im Gefäßlumen. Bei der Dissektion wird ein wahres Lumen von einem falschen Lumen unterschieden. Die Dissektion beschreibt an sich keine Aneurysmatische Erweiterung, kann jedoch eine wichtige Ursache hierfür sein.


Heut gilt das Konzept der multifaktoriellen Aneurysmaentstehung . Entscheidend ist dabei ein anhaltender Entzündungsprozess und eine Proteolyse in der Aortenwand sowie  unpysiologische Scherkräfte und ein turbulenter Blutfluss durch die lokale Erweiterung der Aorta. Daraus resultiert ine Abnahme der Wanddicke und der Wandintegrität mit Rupturgefahr.

Als Faktoren gelten:

  • Inflammation und Leukozyteninfiltration in die Aortenwand
  • Atherosklerose
  • Infektion (z.B. durch Chlamydia pneumoniae)
  • Oxidativer Stress
  • Biomechanische Scherkräfte
  • Proteolyse und Verlust an Kollagenen und Elastin in der Aortenwand
  • Aktivierung von Matrixmetalloproteinasen (z.B. MMP-2)
  • Turbulenter Blutfluss
  • Wandthrombosierung

Mit ca. 60 % ist beim Aoortenaneurysma am häufigsten der abdominale Abschnitt betroffen Es hat eine Prävalenz von 4 bis 8 % bei den über 65-jährigen Männern und 0,5 bis 1,5 % bei den Frauen. Diese wiederum ist anhängig von der Größe, Geschlecht und zusätzlichen Risikofaktoren (z.B. Rauchen). Bei Männern tritt es 6-mal häufiger auf als bei Frauen. Eine  Ruptur ist wesentlich seltener und mit einer deutlich höheren Gesamtletalität verbunden. Bereits 1/3 der Patienten verstirbt auf dem Weg in das Krankenhaus, 60 Prozent trotz  rechtzeitiger Versorgung, je nach Therapieverfahren und Alter  im Krankenhaus (Karthikesalingam et al. 2014, Behrendt et al. 2016). In 5 % aller Bauchaortenaneurysmen sind die Nierenarterienabgänge mit einbezogen. Bei ca. 20 % der Patienten sind auch die Iliakalgefäße aneurysmatisch erweitert.


Ab einer Größe von 5 bis 5,5 cm (bei Frauen ab 5,2 cm) ist das Rupturrisiko im Spontanverlauf in der Regel größer, als das OP-Risiko, weshalb die Indikation zur invasiven Aneurysmaausschaltung besteht. Neben der Größe gilt eine rasche Größenzunahme über 5 mm in 6 Monaten, eine Beschwerdesymptomatik (z.B. Druckschmerz über dem Aneurysmasack) und die thrombembolische Komplikation als OP-Indikation. Das rupturierte Aortenaneurysma gilt als Notfallindikation.


OP-Indikationen:

·       Größendurchmesser über 5,5 cm  bei Männern und 5,2 cm bei Frauen

·       Rasche Größenzunahme über 5 mm in 6 Monaten

·       Auf das Aneurysma zurückzuführende Symptomatik

·       Thrombembolische Komplikation (z.B. nach peripher verschleppte Embolie)

·       Aneurysmaruptur

Dienstag, 24. Dezember 2019

Fall 67: Erst gehustet, dann war das Bein taub.


Mit dem Notarzt wird ein 58-jähriger Patient vorgestellt. Nach einem Hustenstoß wäre schlagartig sein rechtes Bein eingeschlafen. Jetzt wäre es taub und er könne es auch nicht mehr anheben.

Eigenanamnese:
Bekannt ist ein Hypertonus. Der Mann ist Raucher mit 25 Zigaretten am Tag.

Medikamente: Lisinopril

Befund:
58-jähriger Patient in reduziertem AZ. Normosomer EZ. Der Patient ist kaltschweißig.
Das rechte Bein ist kühl und blass. Es besteht eine Insuffizienz für das eigenständige Anheben des Beines. Auch wird eine verminderte Sensibilität von 1/5 angegeben. Keine Eigenreflexe auslösbar. Keine peripheren Pulse.
EKG: Sinusrhythmus, 92/min

Noch auf der Trage wird die Entscheidung zum CT gestellt.

Warum?

Donnerstag, 21. November 2019

Kindliche Unterarmfrakturen: Ultraschall statt Röntgen

Zu den häufigsten Verletzungen im Kindesalter zählen Frakturen  am distalen Unterarm. Die Diagnose  erfolgt üblicherweise durch eine Röntgenuntersuchung – dabei ist Ultraschall genauso zuverlässig. Eine Expertengruppe hat eine Methode evaluiert, die rund 81 Prozent der Röntgenuntersuchungen bei Kindern mit Verdacht auf eine distale Unterarmfraktur einsparen könnte.

Kinder, die sich in der Wachstumsphase befinden, nehmen während einer Röntgenuntersuchung eine fünfmal höhere Dosis der schädlichen ionisierenden Strahlung auf als Erwachsene. Aus diesem Grund sollten unnötige Untersuchungen so weit wie es nur geht verhindert werden. Dabei ist der sogenannte Wrist-SAFE-Algorithmus ein wirksames Mittel, die Strahlenbelastung bei Kindern auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren“.

Mithilfe des Algorithmus könnte nach Berechnung der Studie jährlich allein in Deutschland fast 285.000 Röntgenuntersuchungen bei Kindern eingespart werden. Die Studie knüpft an Erkenntnisse vorangegangener Untersuchungen an, nach denen der Ultraschall bei Verdacht auf eine Fraktur in vielen Fällen eine ebenso zuverlässige Diagnose ermöglicht wie das Röntgenbild und in manchen Fällen sogar überlegen ist, gerade im Fall von Knochenbrüchen.1,2

An der jetzt vorgestellten prospektiven multizentrischen Phase-IV-Studie unter dem Titel Sokrates II3 beteiligten sich Ärztinnen und Ärzte aus Kliniken in Bochum, Krakau, Erfurt, Neuss und Düsseldorf. Im Zeitraum zwischen November 2012 und November 2014 untersuchten sie insgesamt 498 Patienten im Alter von null bis zwölf Jahren. Alle kamen mit Schmerzen im Unterarm nahe dem Handgelenk in Folge eines Traumas in die Klinik. Ausschlusskriterien für eine Untersuchung nach dem Wirst-SAFE-Algorithmus waren offene Frakturen oder Wunden, ein Verdacht auf Gefäß- oder Nervenverletzung sowie ähnliche Frakturen in den beiden Vorjahren. Trafen diese Kriterien nicht zu, erfolgte eine Diagnosestellung anhand von Sonografiebildern an sechs vordefinierten Positionen rund um den Unterarm.

In 321 Fällen stellten die Ärztinnen und Ärzte auf diesem Weg die sichere Diagnose Fraktur. Nur in 58 Verdachtsfällen war eine Röntgenuntersuchung zur Kontrolle notwendig, die das Ergebnis des Ultraschalluntersuchung allerdings in 57 Fällen bestätigte. „Die Sonografie liefert bei Vorgehen nach Wrist-SAFE treffsichere Ergebnisse und sollte vor allem bei Kindern das Mittel der Wahl sein“, sagt Großer.

Die Autoren fordern daher, dass mehr Ärztinnen und Ärzte den Ultraschall als Bildgebungsverfahren nutzen. Insbesondere bei jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die im Studium eine gute Ausbildung am Ultraschallgerät erhalten würden, soll das Bewusstsein für die Vorteile dieser Methode geweckt werden. Die Sonografie ermöglicht nicht nur eine strahlungsfreie Bildgebung. Sie ist auch wesentlich schneller durchführbar und kostengünstiger als eine Untersuchung mit einem.


Literatur
https://biermann-medizin.de/zuverlaessige-diagnose-durch-ultraschall/
1. Ultraschall statt Röntgen: Baucherkrankungen, Knochenbrüche, Rheuma: Sonografie als erste Wahl, Pressemitteilung der DEGUM, 30.08.2017.
2. Schmid G L, Lippmann S, Unverzagt S, Hofmann C, Deutsch T, Frese T. Diagnostik bei Frakturverdacht – Ultraschall im Vergleich zu konventioneller Bildgebung. Systematisches Review und Metaanalyse.
Dt Ärztebl 2017; 114: 757–764.
3. Ackermann O et al.: Sokrat II – An International, Prospective, Multicenter, Phase IV Diagnostic Trial to Evaluate the Efficacy of theWrist SAFE Algorithm in Fracture Sonography of Distal Forearm Fractures in Children. Ultraschall in Med 2019;40:349–358.

Samstag, 12. Oktober 2019

Gibt es ein "Schleudertrauma" der Schulter?

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Nach Auffahrunfällen kann eine Plethora an Symptomen entstehen. Neben Nackenschmerzen finden sich besuonders in die Schulter ausstrahlende Beschwerden, die entweder vom Trapezius ausstrahlen oder im Schultergelenk lokalisiert sind, die dann wiederum über deie Schulter in den Nacken ausstrahlen können.

Bei 9% können Zeichen des Impingements vorliegen. Wir haben Patienten aus einer Gutachtenklinik mit Impingement Zeichen untersucht. Bei ihnen mußten klinische Kriterein für ein Impingement erfüllt sein.

Dabei konnte gefunden werden, dass Patienten i.d.R älter und weiblich sind. Manuelle Arbeiter erholten sich von Beschwerden schneller. MRT und Sono zeigten vorbestehende degenerative Veränderungen bishin zu Rissen in der Rotatroenmanschette. Anzeichen für ein Gurttrauma konnte nicht gefunden werden.

Der Unersucher und Gutachter kann davon ausgehen, dass die Art des Unfalls nicht geeignet ist, um einen Körperschaden zu verursachen. In Studien konnte gezeigt werden, dass Patienten einen veränderten Scapulothorakalen Rhythmus entwickeln.

Wir argumentieren, dass sich durch die Akzeleration/Dezeleration die Propriozeption verändert und damit die muskuläre Führung. Dies wiederum führt in ein funktionelles Impingement, das vorbestehende Veränderungen klinisch relevant werden läßt. Dies würde auch erklären, warum Beschwerden beidseits oder auch nur auf der nicht begurteten Schulter entwickeln können.

Die Therapie besteht in einer gezielten Physiotherapie, die auf eine Stabilisierung der Schultergürtelmuskulatur und weniger auf die Nackenmuskulatur zielt.

Literatur

Dienstag, 17. September 2019

Fall 66: Therapie der präsakralen Schwellung unter Xarelto


Diagnose:
Teilweise organisiertes präsakrales Hämatom unter oraler Antikoagulation

Procedere:
Laborchemisch fand sich ein Ausgangs Hb von 9,8 g/dl. Die orale Antikoagulation wurde abgesetzt und am Folgetag durch eine gewichtsadaptierte niedermolekulare Heparingabe substituiert. Das Hämatom blieb "stationär" und wurde nach 2 Tagen chirurgisch entlastet und drainiert. Die Wundheilung verlief primär. Eine einliegende Drainage wurde aufgrund der großen Wundhöhle verlängert belassen.

Fazit:
Dabigatran (Pradaxa®), Rivaroxaban (Xarelto®), Edoxaban (Lixiana®) und Apixaban (Eliquis®) zählen zu den nicht-Vitamin-K-antagonistischen oralen Antikoagulanzien (NOAK).

Eine unerwünschte Nebenwirkung von ihnen sind Blutungen. Obwohl statistisch anscheinend kein Unterschied in der Häufigkeit von Vit-K Antagonisten und Non Vit-K Antagonisten bestehen soll, zeichnet die klinische Erfahrung ein anderes Bild, denn hier sind es ausschließlich Blutungen unter Non Vit-K Antagonisten, die Anlass zur stationären Aufnahme geben. So entsteht der Eindruck, dass eine Blutungskomplikation in ihrer Schwere gravierend ist, wenn sie auftritt, und evtl deshalb häufiger im klinischen Alltag zu sehen ist.  Blutungen sind i.d.R. relevant und interventionspflichtig. Das betrifft aus chirurgischer Sicht insbesondere Blutungen mit diffuser Verteilung in die Weichteile, Abdomen oder gastrointestinal[i].

Die Therapie der akuten Blutung stellt den Kliniker vor das Problem, dass es bislang kein Antidot für den Faktor Xa Hemmer gab. Für Dabigatran kam erst 2015 das erste Antidot: Idarucizumab. Für die anderen o.g. Medikamente konnte man nur auf Gerinnungsfaktoren-Konzentrate zurückgreifen.
Seit dem 1. März 2019 jedoch hat die europäische Arzneimittelbehörde EMA die Zulassung für das Apixaban- und Rivaroxaban-Antidot Andexanet alfa empfohlen. Es wird in der 2. Jahreshälfte 2019 unter dem Namen Aprol auf den Markt kommen. Für Edoxaban dagegen gibt es noch kein Antidot.





[i] https://www.webmd.com/drugs/2/drug-156265-1153/xarelto-oral/rivaroxaban-oral/details/list-sideeffects

Donnerstag, 8. August 2019

Fall 66: Die präsakrale Schwellung unter Xarelto


Mit dem RTW wird gegen 22.30 eine 86-jährige demente Heimbewohnerin vorgestellt. Bei ihr habe der Pflegedienst eine progrediente Schwellung über dem Sakrum bemerkt, die abgeklärt werden soll. Ein Traum wird ausdrücklich verneint, da die Patientin bettlägerig sei.

In der Anamnese besteht ein Vorhofflimmern, Diabetes II, Dekubiti an beiden Fersen und eine Demenz. Sie ist u.a. mit Xarelto medikamentös behandelt.

Körperlicher Befund:
86-jährige Patientin in altersentsprechendem AZ, schlank, Haut blass, warm, trocken. RR 110/70, HF 86/min
Schleimhäute blass.
Präsakral findet sich eine ca. 25x12 cm prall elastische, jedoch solide prominente Weichteilschwellung. Sie ist auf der Unterlage verschieblich. Der Hautmantel ist geschlossen und ohne lokale Entzündungszeichen.
Wirbelsäule und Becken ohne Druck oder Bewegungsschmerz.

Sonografie:

Es zeigt sich eine RF mit z.T. hypodensen und teils isoechogenen Anteilen in einem offensichtlich lokal begrenzten Areal.

Mittwoch, 5. Juni 2019

Radiusfraktur: Operation besser als der Gips?


Radiusfraktur: Operation besser als der Gips?

Die ideale Behandlung einer extraartikulären dislozierten Radiusfraktur wird kontrovers diskutiert. Mulders (2019) fand nun in seiner kontrollierten Studie, dass seine Patienten offenbar  von einer Operation mehr  profitieren als von einer Ruhigstellung per Gipsverband.

Die randomisiert-kontrollierte Multicenter-Studie untersuchte die Hypothese, dass das funktionelle Ergebnis nach einer operativen Versorgung nach einem Jahr besser ist als bei einer Gipsimmobilisation.

In die Studie wurden 92 Patienten im Alter zwischen 18 und 75 Jahren (median: 59 Jahre) eingeschlossen. 48 operiert wurden und 44 konservativ behandelt. Die operative Versorgung folgte einer offenen Reposition mit einer volaren Plattenosteosynthese. Letztere erfolgte im Median sechs Tage nach der Randomisierung und elf Tage nach dem Trauma. Endpunkt der Studie war das funktionelle Ergebnis nach einem Jahr. Als Kriterien diente der DASH-Score (Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand). Vergeben werden dabei maximal 100 Punkte, wobei kein Punkt keine Einschränkung bedeutet. Der Verlauf wurde nach einer, drei und sechs Wochen sowie drei, sechs und zwölf Monate dokumentiert. Insgesamt  konnten Ergebnisse von 46 bzw. 40 Patienten verwertet werden.


Dabei zeigte sich, dass die operierten Patienten zu allen Untersuchungszeitpunkten signifikant bessere DASH-Werte aufwiesen als die nicht operierten. Nach sechs Wochen lag der Wert median bei 22,5, bei den konservativ behandelten dagegen bei 50,4. Dieser Unterschied zeigte sich auch nach 6 Monaten mit enem DASH von  5,8 zu 15,8. Dies bestätigte sich auch nach zwölf Monaten (2,5 versus 9,2). Der Unterschied zeigte sich besonders in der Flexion und Extension im Handgelenk sowie eine Supination und der Griffstärke.

Komplikationen traten bei den konservativ behandelten Patienten häufiger auf. Dise bestanden vor allem im Repositionsverlust mit der Notwendigkeit der operativen Versorgung (28%) und einer Fehlverheilung der Fraktur (49%), die in 6 Fällen eine Korrekturosteotomie erforderte. 

Fazit: Die Kriterien für eine konservative oder operative Versorgung sind definiert. Aus der eigenen Erfahrung lassen sich die hohen Versagerquoten nicht bestätigen. Ich empfehle daher, sehr kritisch die Instabilitätskriterien zu prüfen und in Absprache mit dem Patienten die beste Therapieoption zu wählen. Eine pauschale Therapieempfhlung zur konservativen oder operativen Versorgung einer extraartikulären dislozierten Fraktur kann es nicht geben.



Literatur
Mulders MAM et al. Volar Plate Fixation Versus Plaster Immobilization in Acceptably Reduced Extra-Articular Distal Radial Fractures. A Multicenter Randomized Controlled Trial. J Bone Joint Surg Am 2019

Samstag, 16. März 2019

Orthesen nach degnerativen Wirbelsäulen OPs nutzlos


Orthesen ohne Nutzen nach Wirbelsäulen-OPs

Eingriffe bei degenerativen Veränderungen an der LWS werden häifig postoperativ mit einer Orthese supplementiert. Evidenzbasiert ist dies jedoch nicht.

Ob eine orthetische Versorgung nach der Operation an degenerativen LWS-Veränderungen sinnvoll ist, ist derzeit bei der bestehenden Sachlage umstritten. Es fehlt die Evidenz für eine Nutzen. Das trifft insbesondere für den Einsatzes nach Spondylodesen zu: Die Absicht, dass eine verminderte Bewegung die Fusion der Wirbelkörper günstig beeinflußt, kann in der randomisierten kontrollierten Studie nicht bestätigt werden. Als Ergebnis dieser Studie wird sogar von einem Korsett nach Versteifungsoperationen abgeraten. Dies gilt ebenso für die bislang angenommene schmerzlindernde Wirkung. Die Autoren sehen im Tragen von Orthesen die Begünstigung einer Angst- und Vermeidungshaltung mit negativen Auswirkungen auf das Bewegungsverhalten, die das postoperative outcome sogar verschlechtern können.

Eine Umfrage unter belgischen orthopädischen und Neurochirurgen zeigte dagegen, dass in 38% noch Orthesesn verodrnet wurden.  Dies erfolge am häufigsten nach Wirbelkörperfusionen (52% vs. 21%). 59% der Operateure gaben demnach an, zumindest nach einem der abgefragten Eingriffe ein Korsett in Betracht zu ziehen. Orthopädische Chirurgen überwogen dabei gegenüber den Neurochirurgen. Alter und Erfahrung hatte jedoch keinen Einfluss auf diese Entscheidung.

Am häufigsten wurde Lumbosakralorthesen (54%) verordnet, weniger Lumbalorthesen. Die Tragedauer betrug drei bis acht Wochen. Als Hauptgrund gaben 67% der Ärzte die postoperative Schmerzlinderung an. 42% glaubten an eine bessere Fusionsrate nach Spondylodesen.

Die Autoren folgerten, dass trotz fehlender Evidenz in der Literatur die Umsetzung in der klinische Praxis fehlt. Sie fordern, in Anbetracht des „Unsinns“ von postoperativen Korsetts nach LWS-Chirurgie mit degenerativer Pathologie Chirurgen zu ermutigen, ihre Verordnungspraxis zu ändern.




Literatur
Bogaert L et al. Postoperative bracing after lumbar surgery: a survey amongst spinal surgeons in Belgium. Eur Spine J 2018

Donnerstag, 10. Januar 2019

Zeichen von Gewalt gegen Ältere richtig deuten

Bisherige Untersuchungen über Gewalthandlungen an alten Patienten können wegen der großen Grauzone nur annähernd abgeschätzt werden. Es gibt kaum Angaben über Gewalthandlungen im häuslichen Bereich an alten Menschen und nur wenige über pflegebedürftige. 
Demnach werden im häuslichen Bereich 26 und 40% pflegebedürftigen alten Menschen innerhalb eines Jahres Opfer von Gewalthandlungen duurch Angehörigen.Im stationären pflegerischen Bereich äußern sich Gewaltphänomene als Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Psychopharmakamissbrauch, Über-, Unter- und Fehlmedikation, Auftreten von Druckgeschwüren, Fehl-, Mangel- und Unterernährung oder Missbrauch einer rechtlichen Betreuung. Hier liegen die Einnschätzungen zur Gewalt bei 11 und 24%.
Kleinere Untersuchungen zeigen, dass sich 70% der Plegenden gegenüber Bewohnern schon einmal problematisch oder gewalttätig verhalten haben. Festgestellt wurde, dass nur bei ca. 54% eine rechtlich gültige Genehmigung vorlag. Bekannt ist auch der große Schwankungsbereich der Häufigkeit von Fixierungen in unterschiedlichen Institutionen.
Andererseits finden sich auch Angaben zu Übergriffen von alten Menschen gegenüber dem Pflegepersonal. Diese liegen bei 78% für verbale und bei 63% für körperliche Gewalt.
In der Klinik ist es für den Arzt entscheidend, die Anzeichen von Gewalt zu erkennen: 
- Rötungen, Schwellungen, Prellmarken 
- Hämatome unterschiedlichen Alters
- Verletzungen, Abschürfungen, Kratzer
- Ausgerissene Haare (Haarbüschel)
- Frakturen (unterschiedlichen Alters an mehreren Körperstellen)
- Blutungen unklarer Genese
- Druckgeschwüre
- Brandwunden
- Flüssigkeitsmangel und Untergewicht
- Verletzungen im Intimbereich
Psychische Anzeichen:
- Angst, Schreckhaftigkeit, Misstrauen, Verzweiflung
- Apathie, Niedergeschlagenheit
- Stimmungsveränderungen, emotionaler Rückzug, depressive Symptomatik
- Kommunikationsstörung
- Unruhe, Schlaflosigkeit
- Suizidgedanken
Weitere Anzeichen:
- zu häufige und zu lang anhaltende Fixierung
- Ungewöhnliche Medikation („innere Fixierung“)
- Bewegungsmangel, Reizarmut
- ungepflegtes verwahrlostes Äußeres
- Schilderung des Betroffenen oder von Dritten
Präventive Maßnahmen und Interventionen sollten mehrschichtig sein und den Aspekt „Hilfe vor Strafe“ betonen. Zudem sollten im institutionellen Bereich auch strukturelle gewaltfördernde Gegebenheiten verbessert werden.
In der akuten Situation helfen folgende Maßnahmen:
  • Angaben der betroffenen Person ernstnehmen und abklären,
  • vertrauensvolles Klima und deeskalierende Maßnahmen schaffen,
  • Betroffene sorgfältig untersuchen,
  • vor weiteren destruktiven Maßnahmen schützen,
  • weitere involvierte Personen zur Klärung einbeziehen,
  • bagatellisierende Argumente kritisch hinterfragen,
  • mit den Beteiligten nach Alternativen suchen und diese initiieren.
Gewalteinwirkungen haben einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit und Lebensqualität von alten Patienten. Für den Hausarzt als wichtige Vertrauensperson ist es daher von besonderer Bedeutung, Hinweise auf drohende oder schon erfolgte Gewalteinwirkungen wahrzunehmen und zu handeln.

Donnerstag, 1. November 2018

Meniskusrisse auch ohne Operation behandelbar

Die partielle Meniskektomie ist eine häufig am Knie durchgeführte Operation. Bei symptomatischen Patienten ohne Blockaden sollte sie jedoch nicht mehr automatisch die Therapie der Wahl sein. In einer randomisierten Studie mit zweijähriger Nachbeobachtung stellt sich Physiotherapie  nämlich gegenüber dem minimalinvasiven Eingriff als nicht unterlegen dar.

Patienten, die im MRT einen nichtobstruktiven Meniskusriss aufweisen, sollten demnach zunächst mit einer achtwöchigen Physiotherapie behandelt werden. Die Ergebnisse sind mit der OP vergleichbar. Das zeigte nun einerrandomisierte Studie mit insgesamt 321 Patienten von neun niederländischen Kliniken.

Ähnliche Ergebnisse wiesen bereits zuvor sechs randomisierte klinische Studien nach. Im Unterschied zur vorliegenden Studie waren diese als Überlegenheitsstudien (der Meniskusteilresektion) angelegt gewesen. Sie hatten jedoch ihre Schwächen.

In der jetzigen ESCAPE-Studie wurden die Teilnehmer über 24 Monate nachbeobachtet. Ihr Alter lag bei Studienbeginn zwischen 45 und 70 Jahre und hatten im MRT alle 
  • einen nicht dislozierten Meniskusriss 
  • keine Blockaden, 
  • allenfalls eine mittelgradige Arthrose (maximal Grad 3) und 
  • keine Vor-Op am betroffenen Knie.
  • Zwischen traumatischen und degenerativen Meniskusrissen wurde nicht unterschieden.
159 Patienten wurden arthroskopisch teilreseziert und 162 einem Bewegungsprogramm zugelost. Die Teilnehmer der ersten Gruppe wurden zu häuslichen Übungen angeleitet. Die Physiotherapiegruppe bekam postoperativ ein achtwöchiges strukturiertes Bewegungsprogramm mit insgesamt 16 jeweils halbstündigen Sitzungen.

Als primären Studienendpunkt hatten die Autoren die Verbesserung der Kniefunktion im IKDC-(International Knee Documentation Committee-)Score gewählt. 

In der Arthroskopiegruppe verbesserten sich IKDC Werte auf dem 100-Punkte-Score über zwei Jahre um 26,2 Punkte, unter Physiotherapie um 20,4 Punkte. Der Unterschied von 3,6 Punkten zwischen den Gruppen zeigte, dass das eine dem anderen Verfahren nicht unterlegen war.
Das Aktivitätsniveau auf der Tegner Activity Scale verbesserte sich in beiden Gruppen kaum relevant. Allerdings nahm der Knieschmerz unter Belastung auf der VAS-Skala in der Op.-Gruppe deutlicher ab, nämlich von 61,1 mm auf 19,6 mm gegenüber einer Reduktion von 59,3 mm auf 25,5 mm unter Physiotherapie. Der Arthroseschweregrad stieg in beiden Gruppen geringfügig an, von 1,3 auf 1,6 bzw. 1,5 Punkte auf der Kellgren-Lawrence-Skala.

Besonders adipöse Patienten schienen von dem arthroskopischen Eingriff zu profitieren: Auf der IKDC-Skala lagen ihre Ergebnisse zwei Jahre nach dem Eingriff im Schnitt um 10,7 Punkte höher als bei den nicht operierten adipösen Patienten. Der Unterschied in den anderen Gewichtsklassen blieb dagegen nicht signifikant. Keine Bedeutung schienen die Lokalisation des Meniskusrisses oder das Vorhandensein mechanischer Beschwerden zu haben.
Komplikationen, z.B. venöse Thromboembolien oder die Notwendigkeit eines Revisionseingriffes waren in beiden Gruppen nahezu identisch. Andere Probleme, z.B. reaktive Arthritiden oder Infektionen am Kniegelenk traten nach Arthroskopie in neun Fällen auf, nach Physiotherapie in vier Fällen. Immerhin 47 Patienten aus der ursprünglichen Physiotherapiegruppe (29%) unterzogen sich noch innerhalb der zwei Nachbeobachtungsjahre einer Meniskus-Op. 

Zusammenfassend scheint es so, als ob Patienten mit nur leichter Kniearthrose und nichtobstruktivem Meniskusriss nicht unbedingt von einer Meniskektomie profitieren. Diese könnte man initial auch eine Bewegungstherapie als Alternative anbieten. Ein nach Jazrawi  et al. völlig anderes klinisches Problem sind dagegen dislozierte, obstruktive Meniskusrisse vom Korbhenkel-Typ. Diese weisen nach arthroskopisch partieller Meniskektomie nach derzeitiger Studienlage wohl auch bei leichter Arthrose die besseren Ergebnisse auf.



Literatur
Van de Graaf VA et al. Effect of Early Surgery vs Physical Therapy on Knee Function Among Patients With Nonobstructive Meniscal Tears. The ESCAPE Randomized Clinical Trial. JAMA 2018; 320 (13): 1328–1337; doi: 10.1001/jama.2018.13308

Montag, 1. Oktober 2018

Ultraschall in der Erkennung kindlicher Unterarmfrakturen

Die Sonografie in der Ereknnung von Weichteilerkrankungen ist etabliert. In einer Studie, die jetzt im EC Orthopaedics veröffentlich wurde, weredn Fälle vorgestellt, bei denen die Diagnose von Frakturen sicher durch die Songrafie gestllt werden konnte. Daüberhinaus gelang es auch, Frakturen zu visualisieren, die bei der Betrachtung des konventionellen Röntgenbildes der Aufmerksamkeit des Behandlers entgangen wären.

Den Text lesen Sie unter:

https://www.ecronicon.com/ecor/pdf/ECOR-09-00357.pdf

Montag, 20. August 2018

Impingement der Schulter: Bisherige OP vor dem Aus?

Die subakromiale Dekompression wird beim Impingement-Syndrom der Schulter vorgenommen und ist ein durchaus häufiger Eingriff. Die neue CSAW-Studie jedoch zeigt, dass der Nutzen nicht größer ist als bei einer einfachen Gelenkspiegelung ohne knöchernes Débridement.

Ursachen für das Impingement-Syndrom der Schulter sind mechanische, funktionelle oder denerative. Die typischen klinischen Zeichen bestehen aus subakromiale Schmerzen beim Heben des Arms über die Horizontale.

Regelhaft besteht die Behandlung darin, den mechanischen Engpass zwischen Humeruskopf und dem darüber liegenden Akromion zu beseitigen. Dazu nutzt man die arthroskpoische subakromialen Dekompression mit der Resektion der Bursa subacromialis einem Abtragen von Knochenmaterial an der Unterseite des Akromions.

Der britischen CSAW-Studie („Can Shoulder Arthroscopy Work?“ Beard et al. Lancet 2017; online 20. November) zufolge bestätigt die Studie aus Finnland, dass das knöcherne Débridement der einfachen Gelenkspiegelung nicht überlegen ist.
Deutsche Fachgesellschaften jedoch kritisieren die Einschlusskriterien. Demnach wurden „Patienten mit jeder Form eines subakromialen Schmerzsyndroms“ eingeschlossen, ohne dabei die Relevanz klinischer und radiologischer Befunde zu würdigen. Das ungezielte einschliessen der Patienten habe die definierte Indikation zur Dekompression mit Débridement und Bursaresektion vernachlässigt. Denn diese sei nur bei Nachweis eines „nosologisch definierten, mechanisch bedingten subakromialen Impingement-Syndroms“ indiziert.

Die FIMPACT-Studie hat nun die Einschlusskriterien präzisiert: Die in der Studie eingeschlossenen Patienten mussten konkrete klinische Befunde erfüllen, die „konsistent mit einem Impingement-Syndrom der Schulter“ waren. azu zählten Abduktion und „schmerzhafter Bogen“ sowie der positive Impingement-Test mit subakromialer Injektion eines Lokalanästhetikums. Ausgeschlossen waren Patienten mit operationsbedürftigem Rotatorenmanschettenruptur (Grad III). Schmerzen mussten mindestens seit drei Monaten bestehen und nicht auf konservative Maßnahmen ansprechen, z.B. Physiotherapie, NSAR und Kortikosteroidinjektionen.

Die arthroskopische subakromiale Dekompression (ASD) wurde mit einer diagnostischen Arthroskopie verglichen. Als Endpunkt diente der subakromiale Schulterschmerz, der nachts sowie beim Heben des Arms über die Horizontale auftritt. Schmerzen wurden mit der visuellen Analogskala (VAS) gemessen.

Zwei Jahre nach dem Eingriff hatten sich die Symptome in beiden Gruppen im gleichen Maß verbessert, und zwar sowohl in Ruhe als auch in Bewegung. Der vorab festgelegte Schwellenwert für einen „klinisch bedeutsamen Unterschied“ wurde jedoch nicht erreicht.

Den Autoren zufolge beschreibt die Studie ein „Best-case-Szenario“. Die subakromiale Dekompression habe trotz strenger Selektion inbesondere nicht bei den Patienten funktioniert, die nach klinischen Kriterien mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem Eingriff profitiert hätten. Die Autoren folgerten auch, dass es daher keinen Grund gäbe anzunehmen, dass die Methode unter weniger optimalen Bedingungen besser funktioniere.

Die Deutsche Vereinigung für Schulter- und Ellbogenchirurgie (DVSE) erarbeitet aktuell eine Leitlinie zum Vorgehen bei subakromialen Schulterschmerzen. Sie soll aufzeigen, mit welchen Untersuchungen sich der Verdacht auf ein mechanisches Impingement erhärten lässt.