Zu medizinischen Notsituationen
während eines Fluges kommt es relativ häufig. Ernster Natur sind sie
aber eher selten, wie eine US-Studie ergeben hat. In knapp der Hälfte
der Fälle ist ein Arzt nicht nur an Bord, sondern eilt auch zu Hilfe.
Bei jährlich 2,75 Milliarden Flugpassagieren weltweit kann es entsprechend häufig zu medizinischen Zwischenfällen kommen: Auf 44.000 pro Jahr wird die Zahl in einer kürzlich im New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlichten Studie geschätzt – das sind 120 Tag für Tag.
Bei jährlich 2,75 Milliarden Flugpassagieren weltweit kann es entsprechend häufig zu medizinischen Zwischenfällen kommen: Auf 44.000 pro Jahr wird die Zahl in einer kürzlich im New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlichten Studie geschätzt – das sind 120 Tag für Tag.
Der Medizinische Dienst der
Lufthansa hat im vergangenen Jahr ausgerechnet, dass man 24
Interkontinentalflüge mitmachen muss, um mit 95-prozentiger
Wahrscheinlichkeit einen solchen Notfall mitzuerleben.
Die
Freiheit über den Wolken ist für Ärzte schon insofern begrenzt, als sie
sich der Frage, ob ein Arzt an Bord sei, nicht einfach verweigern
können. Beispielsweise gelten in deutschen Flugzeugen die deutschen
Gesetze, und die verpflichten zur Hilfe im Notfall. Für Fehler haften
müssen Ärzte nach derzeitiger deutscher Rechtslage allerdings erst bei
grober Fahrlässigkeit.
Die NEJM-Studie kann zögerliche Mediziner
insofern beruhigen, als die Mehrzahl der Zwischenfälle eher harmloser
Natur ist. Denn ausweislich der Ergebnisse, die eine Arbeitsgruppe um
den Notfallmediziner Drew Peterson von der University of Pittsburgh
School of Medicine vorgelegt hat, entfallen 37,4% der medizinischen
Notfälle über den Wolken auf Synkopen und Präsynkopen. Atemprobleme sind
mit 12,1%, Übelkeit und Erbrechen mit 9,5% und kardiale Ereignisse mit
7,7% – Herzstillstände mit 0,3% – vertreten. In 2,0% der Fälle handelt
es sich um (den Verdacht auf) einen zerebralen Insult. (Zu weiteren
Notfällen im Flugzeug siehe Tabelle 1.)
Notfälle über den Wolken – eine Auswahl
| |
Synkopen/Präsynkopen | 37,4% |
Atemprobleme | 12,1% |
Übelkeit, Erbrechen | 9,5% |
Kardiale Ereignisse | 7,7% |
Epileptische Anfälle | 5,8% |
Bauchschmerzen | 4,1% |
Infektionen | 2,8% |
Agitiertheit, psychiatrische Symptome | 2,4% |
Allergische Reaktionen | 2,2% |
(V. a.) Schlaganfälle | 2,0% |
Traumata | 1,8% |
Diabetische Komplikationen | 1,6% |
Geburtshilfliche/gynäkologische Ereignisse | 0,5% |
Herzstillstände | 0,3% |
Peterson DC et al. N Engl J Med 2013; 368: 2075–83
|
25,8%
der Patienten werden nach der Landung notfallmäßig in eine Klinik
transportiert, aber nur 8,6% müssen stationär behandelt werden – meist
wegen zerebraler Insulte, respiratorischer Probleme und kardialer
Ereignisse. Bei 0,3% der Patienten endet der Zwischenfall tödlich.
Ärzte,
die als Passagiere an Bord sind, leisten in knapp der Hälfte (48,6%)
der Notfälle medizinische Nothilfe. Nur bei jedem 13. bis 14. Patienten
(7,3%) hat der Notfall eine Zwischenlandung zur Folge. Solche
außerplanmäßigen Landungen sind am häufigsten nach einem Herzstillstand
an Bord (57,9%). Die Entscheidung darüber, ob der Flieger landet, liegt
allerdings beim Flugkapitän, nicht beim Arzt.
Für ihre
retrospektive Studie hatten Peterson und Kollegen die Daten von knapp 12
000 Zwischenfällen analysiert, die sich von Januar 2008 bis Oktober
2010 während eines Fluges ereignet hatten. Die Angaben entstammten den
Aufzeichnungen medizinischer Kommunikationszentren, die von
Fluggesellschaften unterhalten werden. Abgebildet waren damit rund 10%
des gesamten Flugaufkommens im genannten Zeitraum. Rein rechnerisch ist
damit von einem Notfall pro 604 Flügen auszugehen. Das Alter der in die
Studie einbezogenen Patienten lag im Mittel bei 48 Jahren, die Spanne
betrug 14 Tage bis 100 Jahre. Automatische externe Defibrillatoren
wurden bei 1,3% der Zwischenfälle eingesetzt.
Die
meisten medizinischen Notsituationen während eines Fluges sind
jedoch selbstlimitierend oder werden zutreffend eingeschätzt und ohne Änderung
der geplanten Flugroute behandelt.
Ernste Erkrankungen oder gar Todesfälle sind dagegen selten.
MMW - Fortschritte der Medizin 2013; 155 (13): 14-15 basierend auf: Peterson DC et al. Outcomes of Medical Emergencies on Commercial Airline Flights. N Engl J Med 2013; 368: 2075–83