Wenn betagte Patienten antihypertensiv
behandelt werden, ziehen sie sich häufiger Sturzverletzungen zu.
Besonders hoch ist diese Gefahr bei Patienten, die früher bereits
gestürzt sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative
Kohortenstudie der Yale School of Medicine in New Haven.
Laut Mary E. Tinetti et al sind die
Auswirkungen von schweren Traumen wie Hüftfrakturen und Kopfverletzungen
auf Mortalität und Funktion vergleichbar mit denen von Schlaganfall und
Herzinfarkt. Die Mediziner fordern deswegen, bei älteren Menschen mit
mehreren chronischen Erkrankungen den Nutzen eine Hochdrucktherapie
sorgfältig gegen die potenziellen Risiken abzuwägen.
Die
Studienergebnisse basieren auf einer repräsentativen Stichprobe von
4961 über 70-jährigen Hochdruckpatienten, die nicht in einem Pflegeheim
untergebracht waren. Von den Studienteilnehmern wurden 14,1% nicht
blutdrucksenkend behandelt; 54,6% bzw. 31,3% der Patienten erhielten
eine Hochdrucktherapie mit mittlerer bzw. hoher Wirkungsstärke (maximal
bzw. mehr als 2,5 definierte Tagesdosen).
Innerhalb
von drei Jahren kam es bei 446 Patienten (9,0%) zu schweren
sturzbedingten Verletzungen wie Frakturen, Kopfverletzungen und
Luxationen. 24,9% von ihnen starben, im Vergleich zu 16,1% der
Teilnehmer ohne derartige Traumen. Von den Patienten ohne
Antihypertensiva verletzten sich 7,5% bei einem Sturz, von den Patienten
mit mittel- und sehr intensiver Hochdrucktherapie waren es 9,8% und
8,2%. Damit hatten sie, nach Abzug anderer Einflüsse, ein um 40% bzw.
um 28% höheres Risiko als unbehandelte Hypertoniker. Diese
Risikosteigerung verfehlte allerdings die statistische Signifikanz. Für
die Validität der Assoziation spricht aber eine Propensitätsanalyse, in
der jedem unbehandelten Patienten mindestens ein vergleichbarer Patient
aus den beiden anderen Gruppen zugesellt wurde. Hier lagen die
3-Jahres-Inzidenzen gravierender Sturzverletzungen bei 9,0% ohne
Hochdruckmittel und bei 11,6% und 10,9% in den beiden Therapiegruppen.
Besonders
risikobehaftet war eine antihypertensive Therapie für Patienten, die im
Vorjahr gestürzt waren: Eine gravierende Sturzverletzung ereignete sich
bei ihnen mehr als doppelt so häufig wie bei den unbehandelten
Hypertonikern.
Alter und Geschlecht
hatten dagegen keinen Einfluss auf das therapieabhängige Sturzrisiko.
Ebenso wenig konnte eine einzelne Substanzklasse damit in Zusammenhang
gebracht werden. Inwieweit die Höhe des Blutdrucks mit der Rate
sturzbedingter Traumen korrelierte, ließ sich anhand der Studiendaten
nicht feststellen.
Auch
wenn ihre Studie keine definitiven Schlüsse über die Kausalität der
beobachteten Assoziation zulässt, sehen Tinetti und Kollegen klinische
Implikationen:
Wegen der potenziellen gegenläufigen Abhängigkeit zwischen schweren
Sturzverletzungen und kardiovaskulären Ereignissen sollte die
Entscheidung über eine Hochdrucktherapie bei alten Menschen – solange
dazu keine randomisierten Studien vorliegen – an der
„Präventionspriorität“ ausgerichtet werden.