Der Strecktest zum Ausschluss einer Ellenbogenfraktur ist in diesem
Punkt möglicherweise weniger verlässlich als bisher angenommen. Dies
legen die Ergebnisse einer prospektiven Studie aus den Niederlanden
nahe.
um unnötiges Röntgen nach Verletzungen am Ellenbogen zu vermeiden, ist bislang der Strecktest herangezogen worden. Als auffälliger Befund
gilt, wenn der verletzte Arm sich nicht vollständig durchstrecken lässt.
Frühere
Studien hatten dem Test eine relativ hohe Sensitivität bescheinigt. Diese Studien bedienten sich jedoch kleiner Fallzahlen ode hatten Patienten berücksichtigt, die nicht
geröntgt worden waren. Dies schränke ihre Aussagekraft ein.
Die
niederländischen Autoren der vorliegenden Studie schlossen in einer prospektiven Studie 587
Patienten mit frischem Ellbogentrauma (weniger als 72 Stunden
zurückliegend) ein, darunter 233 Kinder. Alle Patienten wurden
analgesiert, danach führte man den Strecktest durch, gefolgt von einer
Druckschmerzprüfung über Olekranon, Epikondylen und Radiuskopf. Daran
schloss sich – ebenfalls bei allen Patienten – eine Röntgenaufnahme an
(anterior-posterior und lateral).
Geringe Sensitivität und Spezifität
Im
Röntgen wurden bei 39% aller Patienten Frakturen diagnostiziert,
isolierte Fettpolster zeigten sich bei 19%. Wie die Forscher berichten,
schnitt der Extensionstest als Diagnostik-Tool mit einer Sensitivität
von 88% und einer Spezifität von 55% überraschend schlecht ab. Bei
den Patienten mit normalem Strecktest (30%) lag in 12% ein Knochenbruch
vor; dabei handelte es sich meist um eine nicht dislozierte
Radiuskopffraktur. Knapp 3% der Frakturen waren operationsbedürftig. 77%
der Patienten mit normaler Extension hatten ein unauffälliges
Röntgenbild, das Fettpolster war in 11% zu sehen.
Bei den Patienten mit positivem Befund im Strecktest war das Röntgenbild in 27% der Fälle unauffällig.
Das
Hinzunehmen der Druckschmerzprüfung verbesserte die Sensitivität auf
98%, allerdings lag man mit beiden Tests zusammen nur in 11% richtig,
wenn es darum ging, eine Fraktur auszuschließen.
Die
klinische Aussagekraft des Fettpolsterzeichens ist umstritten. Die
Autoren hatten daher noch eine zweite Analyse durchgeführt, in der
dieses als klinisch irrelevant eingestuft wurde. Hier blieb die
Sensitivität bei 98%, die Spezifität sank jedoch auf 8%.
Jede zehnte Fraktur übersehen
Bei
Verzicht aufs Röntgen hätte man bei gut jedem zehnten Patienten eine
Fraktur übersehen. Dieser Anteil verpasster
Diagnosen ist viel höher als in früheren Studien, die Raten von maximal
6,7% ergeben hätten. Andererseits waren nur bei 24 Patienten sowohl
Strecktest als auch Druckschmerztest normal, d. h. nur diesen hätte man
das Röntgen schlussendlich erspart.
Die
Möglichkeit, dass die routinemäßig durchgeführte Analgesie die
Ergebnisse verfälscht haben könnte, schließen die Autoren aus. Die Rate
vollständiger Extensionen sei in ihrer Studie nicht höher gewesen als in
anderen Studien, in denen die Patienten keine Schmerzbehandlung
erhalten hätten.
„Um signifikante Befunde nach
Ellbogentrauma auszuschließen, ist der Ellbogenstrecktest ungeeignet“,
so das Fazit der Autoren. Bei der Entscheidung, ob man den Patienten zum
Röntgen schicken soll oder nicht, helfe dieses Instrument jedenfalls
nicht weiter.
Jie KE et al. Extension Test and Ossal
Point Tenderness Cannot Accurately Exclude Significant Injury in Acute
Elbow Trauma. Ann Emerg Med 2014