Translate this page

Mittwoch, 5. März 2014

Fall 30: Das perforierte Aortenaneurysma hinter der Synkope



Sonografie und CT zeigen eindrücklich ein Bauchaortenaneurysma. Auf dem CT erscheint es gedeckt perforiert. Man sieht deutlich die kontrastgefüllte Aorta und ein monströs erweiterten Sack voll Blut. Die Laborwerte mit einem erhöhten Laktat, D-Dimeren und einem akut kreislaufwirksamen Hb-Abfall sprechen dagegen für ein akutes Geschehen.

Procedere:
Die Patientin wurde unverzüglich operiert. Vermutlich rettete das auch ihr Leben. Intraoperativ fanden sich eher Hinweise für eine frische Dissektion mit akuter Blutung. Das Aneurysma lag unmittelbar im Übergang der Nierenarterien und setzte sich bis distal der Bifurkation fort. Es gelang die Gefäßprothetische Versorgung.

Diskussion:
Es erscheint spekulativ, ob die "Synkope" bereits Anzeichen einer akuten Dissektion war. Angesichts der Größe des Befundes darf man vermuten, dass es sich um eine akut auf chronishce Dissektion handelte. Lediglich ein anfämglich erhöhtes Laktat gab Anlass zur abdominellen Untersuchung. Ansosnten war die Patientin bis zur Aufnahme und auch während des anfänglichen Aufenthaltes asymptomatisch.


Die Erweiterung der infrarenalen Aorta auf einen Querdurchmesser von mindestens 3,0 cm wird als Aortenaneurysma definiert. Das infrarenale Aortenaneurysma ist eine häufige Erkrankung des älteren Menschen und für 1–3% der Todesfälle bei 65- bis 85-jährigen Männern verantwortlich. Frauen sind 4- bis 5-mal seltener betroffen als Männer. Klinisch bedeutsame Aneurysmen mit einem Querdurchmesser von mehr als 5 cm kommen bei 1% der Männer unter 64 Jahren vor. Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz auf 2–4% an, vergesellschaftet mit einer erhöhten Komorbidität.

Die zugrunde liegenden Ursachen für die Entwicklung eines abdominellen Aortenaneurysmas (AAA) sind in den meisten Fällen unklar. Aneurysmen, die neben der infrarenalen Aorta auch an anderen Lokalisationen auftreten, haben oft eine genetische Ursache und treten familiär gehäuft auf.

Aneurysmen entwickeln sich in der Regel langsam von kleinen zu rupturgefährdeten Aneurysmen. Sie bleiben in über 80% der Fälle klinisch symptomfrei, bis eine vital bedrohliche Ruptur auftritt. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist es eine Zufallsdiagnose bei Routineuntersuchungen. Daher ist das Screening nach einem Aortenaneurysma bei älteren Menschen und Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren indiziert. 

Die Diagnose wird in der Regel sonographisch gestellt. Zur Therapieplanung ist jedoch eine zusätzliche Bildgebung mittels Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) notwendig. Die Computertomographie-Angiographie (CTA) der Aorta gilt derzeit als diagnostisches Standardverfahren zur präoperativen Evaluation und Planung der endovaskulären Versorgung abdomineller Aortenaneurysmen („endovascular aortic repair“, EVAR). Dabei liefert die CTA alle relevanten anatomischen und morphologischen Informationen über die zugrundeliegende Pathologie der Aorta und der Beckenachsen. 

Ab einem Durchmesser von 5–5,5 cm sollte eine operative oder endovaskuläre Behandlung erfolgen. Welche Therapie im Einzelfall eingesetzt wird, hängt in erster Linie von der Co-Morbidität des Patienten und der anatomischen Struktur des Aneurysmas anhand der CT/MRT-Morphologie ab[i].
Die klassische operative Therapie besteht in der offen chirurgischen Ausschaltung des Aneurysmas durch Implantation einer Rohr- oder Bifurkationsprothese. In den vergangenen Jahren wurde bei ausgewählten Patienten mit einem abdominalen Aortenaneurysma und geeigneter Aortenkonfiguration zunehmend die endovaskuläre Therapie durch Implantation eines aortobiiliakalen oder monoiliakalen Stentgrafts eingesetzt. Die endovaskuläre Therapie rupturierter abdominaler Aneurysmen ermöglicht bei sorgfältiger Patientenauswahl und detaillierter präoperativer Planung minimalinvasive Therapieoptionen auch bei Patienten mit schwerer Begleitmorbidität, obwohl die bisherigen Mitteilungen noch keine abschließende Beurteilung zulassen und Langzeitverläufe noch fehlen.

Das rupturierte abdominale Aortenaneurysma (rAAA) stellt einen Blutungsnotfall mit hämorrhagischem Schock und hoher perioperativer Letalität dar. Die präklinische Beurteilung erfordert eine rasche differenzialdiagnostische Abklärung, zielführende Diagnostik und eine sofortige Behandlung in spezialisierten Zentren. Die perioperative Therapie besteht in der Behandlung des Mehrorganversagens nach hämorrhagischem Schock und Ischämie-Reperfusions-Syndrom durch Volumensubstitution, optimierter Gerinnungstherapie, der Aufrechterhaltung der Normothermie und der Beachtung einer möglichen intestinalen Ischämie und des abdominalen Kompartmentsyndroms.
Die Prognose des rupturierten AAA ist mit einer Krankenhausletalität von 55% extrem schlecht. Die Gesamtletalität liegt bei >80%, da nur ein Teil der Patienten das Krankenhaus lebend erreicht[ii].
Insgesamt hat jedoch die Krankenhausletalität von 42,7 % im Jahr 1999 auf 33,3 % im Jahr 2010 abgenommen. Im gleichen Zeitraum zeigte sich ein signifikanter Anstieg der Zahl der endovaskulären Behandlungen.  Der Anteil der über 80-jährigen Patienten hat – unabhängig von der Behandlungsmethode – deutlich zugenommen. 

Im Vergleich der Verfahren zeigte die endoluminäre Versorgung (EVAR) insgesamt eine Letalitätsrate von 22,8 %, verglichen mit 41,2 % beim offenen Verfahren (OR). Dieser scheinbare Vorteil für EVAR konnte in allen Altersgruppen gezeigt werden und mag an dem sorgfältig selektierten Krankengut zu liegen. Beim OR wurden in 74,4 % der Fälle Komplikationen beobachtet, bei der EVAR nur in 55,5 %. Die multivariate Analyse der Komplikationen im Gesamtkollektiv ergab bei allen ausgewerteten Komplikationen, mit Ausnahme von Wundinfekten und Nachblutungen, einen Vorteil für EVAR[iii].

Pfeiffer (2000) berichtet den Einfluss des Krankengutes auf das Auskommen. Demnach beträgt die Letalität bei elektiven Operationen 1,54 %, bei dringlichen Operationen 8,65 % und bei Notfällen mit perforiertem AAA (unverzügliche Operation nach Aufnahme in die Klinik) 35,6 %. Die Morbidität lag bei elektiven Eingriffen bei 15,9 %, bei dringlichen Operationen bei 28,8 % und bei Notfalloperationen mit perforiertem AAA bei 66,7 %. Für Patienten mit zusätzlichen Eingriffen an Nieren-, Becken- und Beinarterien sowie Kombinationseingriffen in anderen Operationsgebieten war die Letalität im Vergleich zum Durchschnitt nicht erhöht.[iv]







[i] C Espinola-Klein, A Neufang, C Düber  Quelle: Springer Medizin Verlag (2008) DOI: 10.1007/s00108-008-2148-2 

[ii] ES Debus, T Kölbel, D Böckler, HH Eckstein  Quelle: Springer-Verlag (2010) DOI: 10.1007/s00772-009-0755-4 

[iii] M Trenner, B Haller, H Söllner, M Storck, T Umscheid, H Niedermeier, HH Eckstein  Quelle: Springer-Verlag Berlin Heidelberg (2013) DOI: 10.1007/s00772-013-1194-9 


[iv] T Pfeiffer, L Reiher, K Grabitz, W Sandmann  Quelle: Springer-Verlag Berlin Heidelberg (2000) DOI: 10.1007/s001040051016