Während der Facharztausbildung denkt
offenbar mehr als die Hälfte der angehenden Chirurgen ans Aufhören. Die
Gründe waren in einer US-Studie wenig überraschend: Schlafmangel, zu
lange Schichten und, vor allem bei Frauen, die Aussicht auf ein
Berufsleben, das sich mit der Familie schlecht vereinbaren lässt.
Der Gedanke, alles hinzuschmeißen, ist während der Ausbildung
zum Chirurgen offenbar weit verbreitet. 58% einer Gruppe von 288
US-amerikanischen Assistenzärzten, die anonym befragt wurden, gaben an,
während ihrer Ausbildung zum Facharzt mehrmals im Jahr ernsthaft ans
Aufhören gedacht zu haben. Am häufigsten wollten die Betroffenen in den
ersten beiden Jahren kapitulieren (45,8 bzw. 41,4%).
Hauptsächlich
bei Frauen zogen sich solche Gedanken über die ganze Assistenzarztzeit
und noch bis zum Erlangen des „leitenden Arztes“ hin, während Männer
sich im Laufe der Ausbildung offenbar besser mit ihren
Arbeitsbedingungen arrangierten. Ab dem zweiten Ausbildungsjahr waren es
vor allem Frauen, die ernsthaft ans Aufhören dachten.
Unattraktive Perspektiven
Die
Gründe für solche Überlegungen waren in der Studie von Dr. Edward
Gifford und Kollegen vom Harbour UCLA-Medical Center in Los Angeles
wenig überraschend: 50% waren vom häufigen Schlafmangel genervt, bei 47%
spielten die Aussichten auf ein wenig attraktives Berufsleben die
wichtigste Rolle. 41,4% fanden die exzessiven Schichten so belastend,
dass sie die Flinte ins Korn werfen wollten.
87 der Befragten setzten ihren Entschluss in
die Tat um, davon 46,4% Frauen. Berücksichtigte man jedoch das
Geschlechterverhältnis über zehn Jahre, wurde deutlich, dass insgesamt
wesentlich mehr Frauen tatsächlich das Handtuch warfen als Männer (Odds
Ratio 1,9; p = 0,005).
Insgesamt ermittelten die
Forscher in den 13 untersuchten Ausbildungsprogrammen – die meisten
davon universitär – eine Abbruchrate von 14,4% über zehn Jahre. In drei
Programmen stieg sogar mehr als jede(r) fünfte Teilnehmer(in) vorzeitig
aus.
Den Exodus der Frauen stoppen
Den
Forschern zufolge müssen sich die Verantwortlichen nun ernsthaft
überlegen, wie man die Abwanderung, vor allem der Frauen, bremsen
könnte. Begrenzungen der Wochenstunden hatten in Studien wenig gebracht.
Vielmehr müsse man Frauen bei dem schwierigen Spagat zwischen Beruf und
Familie besser unterstützen, so Gifford et al. Die Tatsache, dass
Frauen in chirurgischen Abteilungen nur selten gleichgeschlechtliche
Ansprechpartnerinnen finden, trage sicher nicht zur Lösung des Problems
bei.
Aktion statt Opferhaltung
„Mit
dem Mythos vom Chirurgen als ewig untergebuttertes, ausgebeutetes Opfer
mit lausigen Berufsaussichten muss endlich aufgeräumt werden“, schreibt
Karen E. Deveney, Chirurgin an der Oregon Health and Science University
in Oregon, in ihrem Kommentar zur Studie. Das ewige Jammern über
verkorkste Karrieren, wie es viele Kollegen betrieben, sei
kontraproduktiv und entmutige den Nachwuchs. Sie appellierte an die
Leiter der Facharztprogramme, proaktive Schritte zu unternehmen: Die
Chefs müssten ihren Schützlingen von Beginn an zeigen, wie man eine
gesunde Balance zwischen Arbeits- und Familienleben erreichen kann.
Schließlich gebe es zahlreiche Beispiele chirurgischer Praxen mit gut
strukturierten Arbeitszeiten. Deveney riet, weibliche Assistenzärzte mit
etablierten niedergelassenen Chirurginnen zusammenbringen, die den
Spagat zwischen Familie und Beruf erfolgreich bewältigt haben.
Den
Exodus der Facharztanwärter zu stoppen, tut auch in Deutschland not:
Hierzulande hat der Berufsverband der Chirurgen bereits vor einem
drohenden Fachkräftemangel gewarnt.
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