Bei neu aufgetretenen Beschwerden jedweder Art ist heute oft
nicht der Arzt der erste Ansprechpartner sondern das Internet. Auf dem
Weg zur virtuellen Selbstdiagnose suchen viele "kranke" ihre Symptome erst mal
bei Google &Co. Es werden aber auch
spezialisierte Diagnostikseiten genutzt, in Deutschland z. B. NetDoktor
oder Onmeda, im angelsächsischen Sprachraum DocResponse, WebMD,
Healthwise, iTriage oder Isabel.
In einer Studie sollte nun herausgefunden werden wie zuverlässig diese Seiten sind.
45 fingierte Fälle wurden den virtuellen
„Doktoren“ präsentiert. Dabei handelte es sich in 26 Fällen um häufige,
in 19 um seltene Krankheitsbilder. Zur Auswertung gelangten 770 per
Internet gestellte Diagnosen und 532 Empfehlungen zum weiteren Vorgehen.
Das Ergebnis fiel jedoch ernüchternd aus: Nur in
34% aller Konsultationen war die korrekte Diagnose an erster Stelle
einer Liste von möglichen Diagnosen. Somit lagen die Suchseiten in
zwei Drittel aller Fälle daneben. In 51% war zumindest eines der ersten
drei Ergebnisse ein Treffer, in 58% eines der ersten 20.
Die meisten Anbieter erfragten nicht einmal Alter und Geschlecht des Patienten. Überraschender- weise hatte dies
keinerlei Auswirkung auf das Ergebnis. Insgesamt
taten sich die Netz-Ärzte bei häufigen Krankheitsbildern leichter; hier
lag die Erfolgsrate (richtige Diagnose an erster Stelle) bei 38%, bei
selteneren Erkrankungen dagegen bei 28%.
Die
Qualität der verschiedenen Internet-Anbieter variiert ganz wesentlich: Bei DocResponse stand in durchschnittlich
50% der Anfragen die richtige Diagnose ganz oben. Bei bei der
schwächsten Web-Site (MEDoctor) war dies nur in 5% der Fall. Die
Wahrscheinlichkeit, dass sich der Treffer unter den ersten 20 genannten
Diagnosen fand, lag zwischen 34% und 84%.
Einen
angemessenen Rat dazu, wie sich der Patient verhalten soll
(Selbsttherapie, zum Arzt gehen oder eine Notaufnahme aufsuchen), gaben
die Systeme in 57% der Fälle. Dabei wurden vor allem Notfälle korrekt
weitergeleitet (80%), dagegen nur 55% der nicht notfallmäßig zu
behandelnden Patienten und nur 33% derjenigen, die keine ärztliche
Therapie benötigten. Die Anbieter iTriage, Symcat (beide USA),
Symptomate (Polen) und Isabel (Großbritannien) rieten grundsätzlich in
allen Fällen dazu, zum Arzt zu gehen. Schloss man diese vier aus, blieb
eine Rate richtiger Empfehlungen von 61%.
Systeme, die auf Triage-Protokollen wie
die nach Schmitt oder Thompson beruhen, lagen mit ihren Empfehlungen
öfter richtig als diejenigen, die keine solche Basis hatten (72%
gegenüber 55%). Solche Protokolle dienen auch medizinischen
Telefon-Hotlines als Leitfaden.
Bei echten
Ärzten geht man dagegen von korrekten
Diagnosen in 85 bis 90% der Fälle aus. Dieser Vergleich ist aber nicht ganz
fair, schließlich geht es den meisten Nutzern zunächst nur darum, sich
auf die Schnelle über ihr Krankheitsbild zu informieren.
Dennoch - was
der virtuelle Arzt nicht leisten kann, ist, seine echten Kollegen in
der Praxis zu entlasten. Im Gegenteil: In zwei Drittel aller Fälle, die
eigentlich kein Handeln erfordert hätten, schickte der Netz-Doktor die
Patienten zum Arzt. Damit kann eine durch das Internet generierte Hypochondrie geschürt werden. Angesichts der vielen
Fehldiagnosen, die sich die Cyberdocs leisten, sollten Patienten skeptisch bleiben.