Translate this page

Dienstag, 24. Mai 2016

Glauben Sie, dass es gebrochen ist - Ist der Patient ein zuverlässiger Indikator?

Es gibt viele Gründe, warum Röntgenaufnahmen in der Notaufnahme angefertigt werden. Bei jeder von ihnen ist zu fordern, dass ein in der Fachkunde erfahrener Arzt die medizinische Indikation zur strahlenbelasteten Untersuchung stellt. Als Günde für eine Röntgenaufnahme gelten:
  • der Wunsch, die Erwartungen der Patienten zu erfüllen
  • mangelndes Vertrauen Arzt
  • die Angst vor einem Rechtsstreit
  • eingeschliffene Gewohnheiten
  • relativ niedrige Kosten einer Röntgenaufnahme
  • die Nichtinvasivität der Untersuchung
  •  Vergütungsanreize 
  • Vorschriften zum diagnostischen Ablauf.

Michael et al von der Universität Austin, Texas sind in ihrer Untersuchung der Frage nachgegangen, ob nicht durch die gemeinsame Einschätzung von Arzt und Patient im Vorfeld diagnostischer Bildgebung nicht das Röntgen überflüssig und Geld gespart werden könnte.

Das Argument war, dass ein erfahrener Notfallmediziner treffsicher die Wahrscheinlichkeit für eine Extremitätenfraktur oder eine Dislokation einschätzen könne. Weiter wird argumentiert, dass auch die Patienten selbst sind in der Lage sind, die Verletzungsschwere gut einzuschätzen zu können.  

In einer prospektiven Beobachtungsstudie wurden dazu Ärzte und Patienten vor dem Röntgen befragt, wie sie die Verletzung einschätzem. 191 Studienteilnehmer nahmen an dieser Studie in einem Traumazentrum zwischen November 2011 und Januar 2015 teil. Sie waren mindestens 18 Jahre alt und ihre Verletzung lag nicht mehr als vier Wochen zurück. Die meisten wurden innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Unfall gesehen. Die Orobanden wurden mittels Fragebogen befragt, ob sie glaubten, dass ein Knochen gebrochen oder ein Gelenk verrenkt sei. Die vier Antwortmöglichkeiten reichten von „Ja, sicher“ bis „sicher nicht“. Der Notfallmediziner dagegen schätzte die Wahrscheinlichkeit einer Fraktur zwischen „< 10%“ und „sicher“ ein.

Bei 27,7% der Verletzten fanden sich knöcherne Verletzungen (51 Frakturen und drei Fingerluxationen). Bei 6% der Patienten schätzte der Notfallmediziner das Frakturrisiko falsch ein. Obwohle ein Risiko von < 10% angegeben wurde, fanden sich im Röntgenbild dann doch knöcherne Verletzungen (negative Vorhersagewahrscheinlichkeit, NPV 94,3%). Diese Gruppe machte 45% der durchgeführten Röntgenaufnahmen aus. Die Patienten, die mit „sicher nicht“ geantwortet hatten, lagen mit ihrer Einschätzung zu 100% richtig. Diejenigen, die „sicher nicht“ oder „wahrscheinlich nicht“ angegeben hatten, täuschten sich in knpp 10% (NPV 90,2%).


Die Autoren folgern, dass nun eine größere Studie klären sollte, ob sich die 100%ige NPV der Patienten, die sich in dieser Untersuchung ergeben hat, bestätigen lässt. In jedem Fall könne die Frage „Glauben Sie, dass Sie sich etwas gebrochen haben?“ wertvoll sein, da die Antwort des Patienten einerseits dessen Erwartungen wiederspiegle, andererseits ihm aber auch das Gefühl einer gemeinsamen Entscheidungsfindung gebe. Wenn Arzt und Patient darin übereinstimmen können, dass eine Fraktur extrem unwahrscheinlich sei, könnten Ärzte guten Gewissens auf eine Bildgebung verzichten, folgerten die Autoren. Schmerzen seien kein sicheres Kriterium, da sich nach einer Verletzung keine relevanten Unterschiede bei Patienten mit und ohne Frakturen fanden.


Kommentar:
Ich kann nur dringend abraten, die Entscheidung der Eltern für ein Röntgen beim Kind zu lassen. Auch habe ich meine Bedenken, Kinder zu röntgen, längst aufgegeben. Nach vielen Jahren in der Notaufnahme habe ich gelernt, dass Befund und Röntgenbild oft in krassem Missverhältnis stehen können. So wären viele Frakturen versäumt worden, wenn es nach den Beschwerden des Kindes gegangen wäre. Entscheidend ist die genaue Anamnese zum Unfallhergang, die Untersuchung und im Zweifelsfall erst recht ein Röntgenbild. Der erfahrene Kollege wird sicherlich auch vorab den Ultraschall nutzen könnnen. Das Argument, Kosten zu sparen, kann ich niccht akzeptieren. Es geht vielmehr darum, die 6% versäumter Diagnosen zu vermeiden, von Rechtsstreitigkeiten einmal abgesehen.



Literatur: