Cave! Wegen der Dysäthesien in den Armen denken Sie auch an eine cervicale Myelopathie:
Radiologisch fanden sich degenerative Veränderungen der
HWS. Das Labor mit Entzündungszeichen und die übrigen Parameterlagen im
Normbereich. Wegen der auffallenden neurologischen Störung wurde ein MRT der
ganzen Wirbelsäule angeschlossen.
Der Befund war überraschend. Es zeigte sich eine cystische und umschriebene Raumforderung in Höhe des 4.Halswirbels. In den axialen Aufnahmen projizierte sie sich in den posterolaterlen Spinalkanal. Sie hatte Bezug zu den Facettengelenken, so dass von einer Gelenkcyste ausgegangen werden konnte.
Die Kompression des Rückenmarks
im zervikalen Spinalkanal ist die häufigste Myelopathie des höheren
Lebensalters. Sie ist durch eine Einengung des Halsmarks im Spinalkanal
gekennzeichnet. Typischerweise besteht eine konstitutionelle Prädisposition in
Form eines engen Spinalkanals. Erworbene Faktoren können hinzutreten und das
Auftreten einer Myelopathie fördern. Am häufigsten sind degenerative
spondylotische Veränderungen, die bereits ab der 2.Lebendekade beginnen.
Leitsymptom ist eine langsam zunehmende spastische
Gangstörung, kombiniert mit sensiblen Störungen an den Beinen. Die Symptome
sind häufig auch mit Nervenwurzelkompressions-syndromen kombiniert. Dann finden
sich auch Sensibilitätsstörungen oder motorische Beeinträchtigungen der Arme.
Die Diagnostik beginnt mit einem nativen Röntgenbild der
HWS. Hier können bereits degenerative Veränderungen deutlich werden und die
Weite des Spinalkanales abgeschätzt werden. Veränderungen und klinische
Symptome korrelieren jedoch nicht.
Zur Beurteilung des Spinalkanales, insbesondere in der
unteren HWS, ist das MRT vorteilhaft. Einengende bindegewebige oder knöcherne
Umgebungsstrukturen oder die Atrophie des Rückenmarkes lassen sich zuverlässig
darstellen. Weitere Untersuchungen können ein Myelo-CT oder ein EMG in
Kombination mit somatosensibel evozierten Potenzialen sein.
Das alleinige Vorhandensein eines engen Spinalkanales
ohne neurologische Symptome bedeutet noch nicht die Diagnose der Myelopathie
und erfordert keine weiteren Interventionen. Erst bei Beschwerden ist Vorsicht
geboten. Der Verlauf ist dann chronisch und selten akut. Das Tempo und Ausmaß
sind von der jeweiligen Grunderkrankung abhängig und sehr variabel. Dies
beeinflusst auch neben dem Alter des Patienten und dem Allgemeinzustand die
Prognose und die Indikation für das jeweilige Vorgehen.
Treten neurologische Ausfälle auf, die rasch progredient
sind, ist die OP indiziert. Als Operationsmethode stehen je nach Ausdehnung der
spinalen Stenose verschiedene operative Verfahren zur Verfügung. Bei kurzen
Stenosen, die sich über ein oder zwei Segmente erstrecken, bietet sich ein
anteriorer Zugang an. Längerstreckige Veränderungen werden von posterior
angegangen. Sie bieten den Vorteil der zusätzlichen Erweiterungsmöglichkeiten.
Die postoperative Erfolgsrate in den ersten 6 Monaten
beträgt 50 bis 75%. Langfristig treten bei jeweils einem Drittel eine
Verbesserung, eine Stabilisierung auf präoperativem Niveau oder keine
Verbesserung ein. Für die Prognose entscheidend ist die Dauer und das Ausmaß
der Halsmarkschädigung. Die Komplikationsrate beträgt 2 bis 7%.