Albert Einstein (1879–1955) war nicht nur ein genialer
Physiker, er ist auch in die Medizingeschichte eingegangen — zumindest
im angloamerikanischen Sprachraum: Das „Einstein Sign“, ein kolikartiger
rechtsseitiger Oberbauchschmerz, gilt dort als Schlüsselsymptom für den
Verdacht auf ein Bauchaortenaneurysma.
Es ist immer wieder kolportiert worden, dass
Albert Einsteins rupturiertes Bauchaortenaneurysma als Cholezystitis
fehlgedeutet worden und er womöglich deswegen gestorben sei. Dies galt
als einprägsame Warnung vor der häufig falsch interpretierten, äußerst
heterogenen Symptomatik abdominaler Aortenaneurysmen, die bis heute mit
ein Grund dafür ist, dass diese Situationen womöglich tödlich enden. Ob
die Geschichte von der Fehldiagnose so stimmt, kann man allerdings
bezweifeln.
Denn zunächst hatte der deutsche
Chirurg Rudolph Nissen, bis heute bekannt für die von ihm entwickelte
Antirefluxplastik bei Hiatushernien, im Dezember 1948 am Brooklyn Jewish
Hospital bei Einstein eine explorative Laparatomie vorgenommen. Der
Grund war dessen seit Jahren immer wieder auftretenden Bauchbeschwerden,
teilweise mit Erbrechen.
Bauchaortenaneurysma von der Größe einer Männerfaust
Während
der Op. entdeckte Nissen ein Bauchaortenaneurysma von der Größe einer
Männerfaust. Die einzige effiziente zu dieser Zeit zur Verfügung stehende
Behandlungsmethode war, die Aortenwand mit Cellophan zu umhüllen, um
die unabwendbare Ruptur soweit als möglich hinauszuzögern. Die Folie
sollte eine intensive Fremdkörperreaktion mit folgender Fibrosierung
hervorrufen und so die Aortenwand stabilisieren.
Die
Operationsmethode war gerade erst entwickelt und verschiedene
Cellophan*-Kunststofffolien erfunden worden. Eine starke Gewebereaktion
konnte man vor allem mit Polyethylen-Folie erreichen. Damit waren Mitte
der 1940er-Jahre mehrfach thorakale Aortenaneurysmen erfolgreich
stabilisiert worden. Mit der Polyethylen-Folie wurde der Aneurysma-Hals
umwickelt und die Cellophan-Folien von vorn auf dem Aneurysma-Sack
platziert. Einstein bescherte der Eingriff noch mehr als sechs
produktive Jahre. Er erholte sich von der Op. schnell und hatte fortan
zunächst nur geringe Beschwerden. Etwa 1954 traten gelegentlich
Rückenschmerzen und Bauchschmerzen im oberen rechten Quadranten auf.
Letztere wurden als „chronische Cholezystitis“ interpretiert.
Hinzugezogen wurde nun auch der Chef
der Chirurgie am New York Hospital-Cornell Medical Center, Frank Glenn:
„Die Untersuchung ergab, dass er ein sich vergrößerndes abdominales
Aneurysma hatte. Eine Operation war dringend angezeigt.“ Glenn, der
bereits Erfahrung mit einigen Aneurysma-Resektionen und Transplantation
von aus Leichen entnommenen Gefäßen hatte, verbrachte den Tag mit
Einstein. „Er sagte mir, dass er lange genug gelebt habe, immer viel
beschäftigt gewesen sei und stets das Leben genossen habe. Warum er sich
denn all die Umstände einer Operation antun solle.“ Einstein sagte nach
Glenns Angaben: „Ich möchte gehen, wann ich will. Es ist geschmacklos,
das Leben künstlich zu verlängern. Ich habe meinen Beitrag geleistet,
nun ist es Zeit zu gehen. Ich werde dies auf elegante Art und Weise
tun.“ Einstein starb in den frühen Morgenstunden des 18. April 1955 im
Princeton Hospital, New Jersey. Die Autopsie bestätigte das
Vorhandensein eines großen Bauchaortenaneurysmas. Die Gallenblase war
durch die Blutung komprimiert worden, dies hatte die
Cholecystitisartigen Schmerzen verursacht.
Abdominelles Aortenaneurysma — ein diagnostisches Chamäleon
Mehr
als 90% aller Aortenaneurysmen finden sich unterhalb der
Nierenarterien-Abgänge. Die Trias aus Bauch- und/oder Rückenschmerzen
mit einem tastbaren pulsierenden Tumor im Abdomen und Hypotonie gilt als
nahezu sicherer klinischer Hinweis auf das Vorliegen eines
Bauchaortenaneurysmas. Allerdings weist nur eine Minderheit
symptomatischer Patienten diese Trias auf. Und 80% der betroffenen
Menschen sind asymptomatisch. Gibt es Symptome, landen die Patienten
unter Umständen bei allen möglichen Fachärzten, nur nicht beim
Gefäßchirurgen, zum Beispiel
Ursache
dafür können der Druck auf verschiedene Nerven, Gefäße und andere
Organe sein, deren Auswirkungen zunächst an andere Krankheiten denken
lassen. Rückenschmerzen und diffuse Bauchschmerzen, die in das Becken
ausstrahlen, müssen an ein expandierendes Aneurysma denken lassen. Auf
LWS-Röntgenaufnahmen sind prävertebrale Verkalkungsstrukturen
verdächtig.
Tiefe abdominelle Schmerzen, ein akutes Abdomen oder
therapieresistente Rückenschmerzen mit Schockzeichen infolge des
Blutverlustes deuten auf eine Ruptur hin. Gesichert wird die Diagnose
per Abdomen-Sonographie und/oder Computertomographie mit Kontrastmittel.
Da
mit zunehmendem Durchmesser eines abdominellen Aortenaneurysmas das
Rupturrisiko schnell ansteigt, wird im Allgemeinen ab 4,5 cm bei Frauen
und ab 5 cm bei Männern operiert, unter anderem auch in Abhängigkeit von
der Lokalisation des Aneurysmas, seiner Morphologie und der
Geschwindigkeit der Querschnittszunahme. Die konventionelle Operation
besteht in der Implantation einer Rohrprothese oder einer Y-Prothese,
wenn die Beckenarterien ebenfalls involviert sind. Seit 1990 wird
alternativ dazu die endovaskuläre Implantation von Stentprothesen
praktiziert. Kurzfristig scheinen Patienten in der Tat von diesem
weniger invasiven Vorgehen zu profitieren, etwa mit einer verringerten
30-Tage-Mortalität oder postoperativ verbesserter Lebensqualität.
Langfristig sind bislang jedoch keine Vorteile des endovaskulären
Vorgehens nachgewiesen worden, was die Mortalitäts- und Morbiditätsraten
sowie Therapieversager angeht. Die 2004/2005 publizierte britische
EVAR-I-Studie hatte langfristig sogar deutlich erhöhte
Komplikationsraten nach endovaskulärer Therapie ergeben. Weitere Studien
laufen.
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