An der „Wetterecke“ Ferse spielt sich häufig zeitgleich
Unterschiedliches ab. Meist sind verschiedene Ursachen und Beschwerden
gemeinsam vorhanden. Hier hilft die Frage nach der Dauer und dem
Charakter der Schmerzen. Wann und wo treten diese auf? Gibt es
Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus, arterielle Verschlusskrankheit
und/oder venöse Insuffizienzen oder rheumatische Erkrankungen in der
Eigenanamnese oder in der Familie?
Differenzialdiagnosen
-
Engpass-Syndrom
des Nervus suralis oder des Nervus tibialis posterior (laterales
Kamerad-Schnürschuh-Syndrom bzw. Tarsaltunnel-Syndrom)
-
Tendinitis der Peronealsehnen oder der Tibialis-posterior-Sehnen
-
Thrombophlebitis
-
periphere arterielle Verschlusskrankheit
Untersuchung
Für
die körperliche Untersuchung sollten die unteren Extremitäten des
Patienten entkleidet sein. Bei der Inspektion werden die Beinachse und
die Rückfußachse ermittelt. Abweichungen der Fußstellung führen zu
Scherkräften und einem erhöhten Anpressdruck, die eine Achillodynie und
eine Bursitis tendinis calcanei bedingen können. Gibt es Schwielen oder
trophische Störungen oder Zeichen für eine gestörte Blutzirkulation?
Zu
prüfen sind auch der Gang und Stand des Patienten. Der
Zehenspitzenstand wird jeweils auf einem Bein getestet. Eine
Sehnenpathologie ist bereits bei einer Unsicherheit, bei
Seitendifferenzen oder bei nicht mehr demonstrierbarem
Einbein-Zehenspitzenstand zu erwarten. Eine Läsion der
Tibialis-posterior-Sehne (Dysfunktion oder erworbener Plattfuß des
Erwachsenen), eine schmerzbedingte Schwäche der Wadenmuskulatur oder
eine Ruptur der Achillessehne könnten ursächlich sein. Neben den
dramatischen Rupturen der Achillessehne (Peitschenknall und ähnliche
Beschreibungen) gibt es auch mehr oder weniger stumme Verläufe, sodass
bis zu 10% als veraltete Rupturen (älter als drei Wochen) diagnostiziert
werden. Die Inzidenz ist steigend und beträgt 10/100.000 Einwohner.
Die
„kurze Wade“ ist Ursache für Sehnenansatzpathologien und Achillodynien,
möglicherweise ist manchmal auch ein schon vorhandener Schmerz der
Auslöser für weitere Verkürzungen.
Den
Bewegungsumfang des oberen Sprunggelenks testet man mit dem
Silfversköld-Test: Unter Verriegelung des Rückfußes in Inversion prüft
man die Dorsal- und die Plantarflexion im oberen Sprunggelenk (OSG)
jeweils bei gestrecktem und gebeugtem Kniegelenk. Die Beweglichkeit des
Sprunggelenks wird bei gebeugtem Knie gemessen. Der Unterschied in der
Dorsalextension bei den beiden Teilen des Tests ist dann ein Maß für die
verkürzte Wade.
In Bauchlage des Patienten prüft
man mit dem Thompson-Test die Funktion der Achillessehne: Der
Wadenmuskel wird mit der Hand komprimiert. Bewegt sich dabei der Fuß
nach plantar, ist die Achillessehne intakt. Im Fall einer Ruptur der
Sehne ist meist eine Lücke tastbar.
Mögliche
Schwielen an der hinteren Ferse deuten auf eine Druckbelastung hin.
Durch Palpieren kann man nach druckschmerzhaften Punkten fahnden. Diese
können lateral des Ansatzes (dorsolateraler Fersensporn mit Bursitis
subcutanea calcanea), vor dem Ansatz (Haglundferse mit Bursitis tendinis
calcanei) oder als knöcherne Ausziehung am Ansatz der Achillessehne zu
finden sein; Ausmaß und Lokalisation sind im Röntgenbild beurteilbar.
Daneben
finden sich Schmerzen teilweise auch plantar am Fersenbein am Ansatz
der Plantarfaszie, entsprechend der Ausprägung dieser Struktur, welche
die Längswölbung stabilisiert, etwas medial der Medianlinie. Selten
geben Patienten die Schmerzangabe im proximalen Verlauf der
Plantarfaszie an. Weiter distal kann in Verbindung mit einer knotigen
Verdickung der Morbus Ledderhose diagnostiziert werden.
Auf
der Suche nach einem möglichen Nervenengpass-Syndrom sollte bei den
Patienten das Hoffmann-Tinel-Zeichen medial für den Tarsaltunnel (Nervus
tibialis posterior) und lateral für den Nervus suralis (laterales
Kamerad-Schnürschuh-Syndrom) geprüft werden. Dabei wird der Verlauf der
Nerven dorsal und distal des Innenknöchels beziehungsweise des
Außenknöchels mit der Fingerkuppe perkutiert. Bei positivem Befund lässt
sich so ein lokaler Schmerz, teilweise auch ein fortgeleiteter Schmerz
(„elektrisierend“) auslösen.
Diagnostik:
Labor
Bestimmung von rheumatischen Ursachen oder Stoffwechsel-erkrankungen.
Röntgen
Ferse
seitlich und axial. Eine Darstellung knöcherner Prominenzen ist
möglich. Eine Korrelation des radiologischen Befundes eines plantaren
Fersensporns oder einer Haglundferse zu den klinischen Beschwerden
besteht nicht.
Ultraschall
Sehnenscheidenentzündung, Texturstörung bei Verkalkung der Sehne, möglicherweise Zeichen der Ruptur mit Dehiszenz.
Kernspintomografie
Zeichen
der Entzündung (Bursitiden) und Sehnenschädigung, beginnend mit
Signalalterationen und Auftreibung der Sehne, bis hin zur Ruptur.
Therapie
Eine
konservative Behandlung sollte in einem frühen Erkrankungsstadium
beginnen, multimodal konzipiert und den Beschwerden angepasst sein. An
erster Stelle steht dabei die Dehnung der verkürzten Wadenmuskulatur,
die durch postisometrische Übungen ergänzt werden kann. Positive
Triggerpunkte sollten direkt und im Wesentlichen mit exzentrischen
Dehnungsübungen behandelt werden. Auch eine Querfriktion am
schmerzhaften Sehnenansatz ist hilfreich.
Treten
die Schmerzen vermehrt morgens bei den ersten Schritten auf, ist eine
Nachtlagerungsschiene in Hackenstellung des Fußes sinnvoll. Eine
Druckentlastung an der Ferse ermöglicht die Weichbettung der Fersenkappe
oder das Tragen hinten offener Schuhe. An der Fußsohle sind eine
Einlagenbettung mit festem Fersenhalt, eine Lochaussparung an der
druckschmerzhaften Stelle und eine gute Längsgewölbestütze
empfehlenswert. Fersenkeile sollten allenfalls kurzfristig in der
Akutphase angewendet werden, da sie zu einer weiteren Verkürzung der
Wade beitragen können.
Zur systemischen Analgesie
können NSAR eingenommen werden. Vor Kortison-Injektionen in die Sehne
sei wegen der Gefahr der Sehnenruptur gewarnt. Weitere mögliche
Therapieoptionen sind die Röntgenreizbestrahlung und/oder die
Stoßwellentherapie.
Bei einer Plantarfasziitis zeigen doppelblinde
prospektive Studien gute Ergebnisse mit der Injektion von
Botulinumtoxin.
Erzielt die konservative Therapie
nach sechs Monaten nicht den gewünschten Erfolg, wird eine Operation
empfohlen. Neben der Denervierung des Paratenons erfolgt die Bursektomie
und die Entfernung degenerativ veränderten Gewebes sowie die Abtragung
der Exostosen dorsal. Bei fortgeschrittener Degeneration der
Achillessehne wird die Augmentation mit der Flexor-hallucis-longus-Sehne
empfohlen.
Der plantare Fersensporn ist nicht mit einer Spornabtragung
von plantar operativ anzugehen, weil der Sporn meist keine Korrelation
zu den Beschwerden aufweist. Falls eine Dehnung der Wade mit
konservativen Therapiemaßnahmen nicht möglich ist, lässt sich operativ
beispielsweise durch die Einkerbung der medialen Sehne des Musculus
gastrocnemius eine dosierte Verlängerung erzielen.
Mit
frischen wie auch mit älteren Achillessehnenrupturen sollten die
Patienten unmittelbar in eine sporttraumatolgische und fußchirurgische
Spezialsprechstunde überwiesen werden.
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Zeitschrift:
Orthopädie & Rheuma
2014/1
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