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Montag, 12. Dezember 2022

Distale Radiusfraktur: Bruchspalt besser als überliefert

Bei geschlossenen distalen Radiusfrakturen besteht die Kontroverse, ob eine Bruchspaltanästhesie durchgeführt werden darf. Die vorliegende Arbeit bestätigt, dass die Vorbehalte unbegründet zu sein scheinen. Sie stellt eine ebenso sichere Methode dar wie die intravenöse Analgesie. Eine Studie der Charité hat beide Varianten retrospektiv verglichen und keine nennenswerten Unterschiede in Bezug auf Komplikationen gefunden.

Ziel einer Reposition eir Radius oder Unterarmfraktur ist die Wiederherstellung der Anatomie unter einer ausreichenden Analgesie. Bei der distalen Radiusfraktur besteht die Möglichkeit, diese als Bruchspaltanästhesie durchzuführen. Bislang bestehen Bedenken, dass durch die Punktion aus einer geschlossenen eine "offene" Fraktur werden kann und sich dadurch das Infektionsrisiko erhöhen kann. Dies ist im Hinblick auf eine sich anschließende Osteosynthese rinr vermeidbare Komplikation.

Hämatomblock versus intravenöse Analgesie

In einer retrospektiven Studie an 170 Patienten mit 176 Frakturen wurden der Nutzen einer Bruchspaltanästhesie (BS) mit der intravenösen Analgesie verglichen. Die Nachuntersuchung zog sich über 4 Jahre. Dabei schien keines der beiden Verfahren dem anderen in nennenswertem Maß überlegen zu sein. Insbesondere schwere Komplikationen wie Morbus Sudeck oder lokale Infektionen traten in der BS-Gruppe nicht häufiger auf, und auch bei den leichteren Komplikationen gab es keinen signifikanten Unterschied.

In den 42 Fällen aus der BS-Gruppe wurden in den Bruchspalt – nach vorheriger Aspiration des Hämatoms – 10 ml Prilocain 2% injiziert. Die Lage der Nadel wurde röntgenologisch mittels Bildverstärker kontrolliert. Die Injektion des Lokalanästhetikums erfolgte in die Region des oberflächlichen sensorischen Asts des N. radialis.

In der Vergleichsgruppe (n = 134) wurde die Reposition unter intravenöser Analgosedierung mit 7,5 bis 15 mg Piritramid durchgeführt.

Das Einrichten erfolgte in beiden Fällen nach 15-minütigem Aushang der Finger im Mädchenfänger (longitudinaler Zug und Gegenzug mit 2–5 kg) unter Röntgenkontrolle. Danach erhielten die Patienten in der Regel eine Plattenosteosynthese; nur in zwei Fällen wurde die Fraktur mithilfe eines Fixateur externe stabilisiert.

Komplikationsrate in beiden Gruppen gleich

Komplikationen traten insgesamt in rund 20% aller Fälle auf. Dabei kam es pro Gruppe in jeweils einem Fall zu einer Lokalinfektion. Ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS, Morbus Sudeck) wurde dagegen nur in der IA-Gruppe registriert.

Die Raten geringfügiger Komplikationen waren in den beiden Gruppen nahezu gleich (19% bzw. 18%). Es wurden einzelne Fälle von Sehnenentzündungen, sensorischen und motorischen Defiziten, sekundären Reduktionsverlusten und Karpaltunnelsyndromen beobachtet. Nur in der IA-Gruppe trat jeweils ein Fall einer Neuralgie, einer überschießenden Narbenbildung sowie eines postoperativen Ganglions auf.  

Unabhängig von der Art der Analgesie traten Komplikationen bei jüngeren Patienten insgesamt öfter auf. Der Frakturtyp dagegen hatte keinen Einfluss.

Gegenüber der Allgemeinanästhesie hat die Bruchspaltanästhesie den Vorteil, dass sie relativ schnell verfügbar ist und Ressourcen spart. In früheren Studien hatte man zwar auf Komplikationen wie Osteomyelitis und Krampfanfälle hingewiesen; diese waren in der aktuellen Studie jedoch in keiner der beiden Gruppen aufgetreten. Den Autoren zufolge lassen sich solche systemischen Nebenwirkungen vermeiden, indem man beim HB den Sitz der Nadel sorgfältig mittels Röntgenbildverstärker kontrolliert. In dem einen Fall einer lokalen Infektion in der HB-Gruppe zeigte der Patient keine Anzeichen für eine Osteomyelitis. Nach einem Revisionseingriff erholte er sich vollständig.

Literatur

Maleitzke T et al. Haematoma block: A safe method for presurgical reduction of distal radius fractures. J Orthop Surg Res 2020; https://doi.org/10.1186/s13018-020-01819-y