Der vordere Knieschmerz ist ein
hartnäckiges Symptom, das Therapeuten und Patienten oft verzweifeln lässt. Eine
Operation wird oft als letzter Ausweg angesehen. Deren Erfolg ist jedoch selten
dauerhaft.
Der vordere Knieschmerz hat viele
Synonyme, wie z.B. Chondromalazia patellae, Patella malalignment oder
Patellofemorales Schmerzsyndrom. Es tritt bei 25% der Sportler[1] auf
undbetrifft die Rückfläche der Kniescheibe und wird mit einem Knorpelschaden
assoziiert oder als Präarthrose angesehen. Knorpel ist jedoch nicht neuronal
versorgt und oberflächliche Knorpelschäden nicht schmerzhaft. Erst Defekte, die
bis auf die subchondrale Zone reichen, wirken sich schmerzhaft aus.
Sie sind Folge einer
De-Zentrierung im patellofemoralen Lager. Die Patella unterliegt bei der
Bewegung des Kniegelenkes einem komplexen Zusammenspiel aktiver muskulärer und
passiver ligamentärer Kräfte zwischen Becken und Sprunggelenk. So stehen die
Zugkräfte des medialen und der lateralen Anteils des M.quadriceps in einem
ausgewogenen Verhältnis. Bei Patienten mit vorderem Knieschmerz liegt häufig
eine Schwächung oder mehr tonische Innervierung des medialen Vastus vor. Daraus
resultiert eine Verkippung und Mehrbelastung der lateralen Facette.
Die körperliche Untersuchung muss
die statischen und dynamischen Aspekte berücksichtigen. Bei Inspektion kann
eine Atrophie des Vastus medialis auffallen. Ist die Patella weit
lateralisierbar, kann dies zudem Hinweis für eine Insuffizienz des medialen
Retinakulums sein, z.B. nach früherer Patellaluxation. Auf ein Genu recurvatum
sollte geachtet werden. Hieraus resultiert oft ein muskuläres Überwiegen der
Hamstrings mit einer vermehrten Kniebeugung und einer Hyperkompression der Patella.
Dies kann sich sogar auf das Sprunggelenk mit einer kompensatorischen
Überpronation übertragen.
An der Hüfte führt eine
Insuffizienz der Abduktoren und Außenrotatoren zu einem Gangbild mit
innenrotiertem Fuß. Es resultiert eine Mehrbelastung des Tractus ileotibialis,
der durch vermehrten Zug bei Beugung die Patella nach lateral verkippt.
Schließlich durchlaufen
Sprunggelenk und Tibia beim Laufen einen Prozess der Pro- und Supination im
Sprunggelenk und eine begleitende Rotation der Tibia. Ist dieser Ablauf
behindert, verbleibt die Tibia in einer verlängerten Außenrotation. Der Femur
muss nun kompensatorisch innenrotieren und zwingt zu einer Lateralisation der
Patella.
Bei der Bildgebung helfen das
native Röntgen mit Patella Tangentialaufnahmen oder ein CT. Damit können
Beinachsdeformitäten, Patellaanomalien und –position ausgemessen werden. Dazu
wird der Q-Winkel, die Kongruenz im patellofemoralen Gelenk, die Position und
die Höhe der Patella bestimmt.
Auch sollte ein EMG bei
muskulärer Genese erwogen werden. Eine Pedografie kann Störungen im Gangbild
aufdecken.
Lateralisierte und
„verkippte“ Patella im Röntgen und MRT, rechts Dysplasie
Bevor chirurgisch interveniert
wird, muss der Patient intensiv physiotherapeutisch behandelt werden. Muskuläre
Dysbalancen sollten ausgeglichen werden. Dazu kann ein Oberflächen-EMG helfen,
dem Patienten über ein Bio-Feedback gezielt Muskeln anzusprechen. Ein
zusätzliches Tapen der Patella kann das Bemühen unterstützen, die Patella
korrekt zu zentrieren, bis der Vastus medialis dies übernehmen kann[2]. Eine
Überpronation im Sprunggelenk sollte korrigiert werden[3].
Die Arthroskopie des Kniegelenkes
wird als minimal-invasive Diagnostik zur weiteren Evaluierung mit der
gleichzeitigen Chance der Therapie angesehen. Es finden sich unterschiedliche
typische Befunde. An der lateralen Facette fallen gehäuft blasige
Knorpelabhebungen bei intakter Oberfläche auf. An der medialen Seite dagegen
sieht man öfter tiefe Defekte i.S. einer Arthrose. Die Möglichkeiten einer
kausalen Therapie sind gering.
Kettunen von der ORTON
Universität Helsinki[4]
konnte in einer randomisierten Studie nachweisen, dass arthroskopierte
Patienten nicht von ihrem Eingriff profitierten. Gegenüber konservativ
geführten Patienten kam es zu keiner Verbesserung ihrer Beschwerden nach 9
Monaten. Dem gegenüber standen die ökonomischen Aspekte der Krankenhauskosten
und einer durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit von 8 Tagen.
Viel versprechender dagegen sind
Weichteileingriffe, die das Re-Aligment der Patella anstreben[5].
Natürlich können diese arthroskopisch assistiert durchgeführt werden, um das
intraoperative Ergebnis zu kontrollieren. Es stehen eine Vielzahl an
Weichteileingriffen bis hin zur Tuberositastansposition zur Verfügung.
Allerdings muss bei der Komplexizität des Krankheitsbildes für ein erfolgreiches
Ergebnis die Indikation stimmen.
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