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Sonntag, 26. Juni 2022

Fall 74: der Weichteildefekt am Hoden

 Diagnose:

Z.n. Weichteildebridement bei Fournierschen Gangrän

Procedere:

Es erfolgt die Verlegung in eine urologische Fachklinik. Dort wird die plastische Deckung mit Schwenklappen und einer Rekonstruktion des Skrotums erreicht. Der Verlauf ist jedoch nicht unkompliziert. Es werden noch weitere Debridements peranal bei weiterer Absessbildung angeschlossen. Die initialen Wunden bleiben jedoch davon unbetroffen. Unter Dauerantibiose gemäß Antibiogramm heilen die Weichteile schließlich ab, und der Patient kann nach 46 Tagen die stationäre Behandlung verlassen.

Diskussion

Der Morbus Fournier gilt als Sonderform einer infektiösen, nekrotisierenden Fasciitis in den perinealen, peranalen und skrotalen Geweben. Es bedarf dazu eines Synergismus aus vorbestehenden Komorbiditäten und einem idealen Nährboden für eine bakterielle Ausbreitung. Der Verlauf ist foudroyant und erfordert eine rasche chirurgische Sanierung mit einer frühzeitigen antimikrobiellen Behandlung und intensivmedizinischer Therapie.

Der Namensgeber für das Krakheitsbild ist Jean Alfred Fournier (1832 - 1914), der 1883 einen Artikel unter dem Titel „Gangrene ­foudroyante de la verge“ (Fulminantes Gangrän des männlichen Gliedes) veröffentlichte. Darin benennt er die drei wesentlichen Aspekte der Erkrankung mit einem plötzlichen Beginn eines bis dahin gesunden jungen Mannes, eine rasche Progression mit Übergang in eine fortschreitende ­Gangrän ohne eine definitive Ursache. Letztere ist der Unterschied zu spezifischen Erkrankungen.

Grundsätzlich kann die Gangrän bei Männern wie auch Frauen und Kindern auftreten, wobei das Verhältnis mit 10:1 zu Ungunsten des männlichen Geschlechtes gewichtet ist[i]. Die jährliche Inzidenz beträgt 1,6 Fälle auf 100 000 Männer mit einer Mortalitätsrate von 16 %.

Die Diagnose wird klinisch gestellt. Oft besteht eine fulminante Nekrose mit einhergehender Sepsis; ausgehend von einer kleinen Hautläsion schreitet die Gangrän oft innerhalb weniger Stunden fort. Es kommt zu einer zunehmenden Nekrose mit erst rötlich-livide und anschließend schwarzer Demarkation. Dieser typische Verlauf kann jedoch in bis zu 40 % der Fälle auch fehlen. Es entwickelt sich dann lokal ein Ödem mit Induration und Krepitation, Schmerzen und einem oft stark beißenden Geruch. Fieber, Schüttelfrost und erhöhte Infektparameter im Labor. Der Patient erscheint krank mit Zeichen einer Sepsis. Radiologisch können subkutane Lufteinschlüsse oder Abszessbildung bestehen.

Begünstigend wirken systemische Grunderkrankungen, z.B. Diabetes mellitus und Alkoholismus. Diese finden sich in 70 % der Fälle. Zusätzlich könne Leukämien, ­maligne Erkrankungen, chronischer Steroidmissbrauch, Unterernährung und HIV-Infektionen vorliegen.

Als Eintrittspforten gelten Hautdefekte, der Gastrointestinaltrakt und der Genital- und Harntrakt besonders nach Eingriffen, Verletzungen und Erkrankungen, wie zum Beispiel in einzelnen Fällen nach Vasektomie[ii], [iii], bei renalen oder rektalen Abszessen, Harnröhrensteinen und -strikturen mit Extravasation sowie bei rupturierten Appendices, Divertikulitis und Kolonkarzinomen.

Das Erregerspektrum ist eine Mischkultur aus aeroben und anaeroben Bakterien, insbesondere Clostridien, Klebsiellen, Streptokokken, Coliformen und Staphylokokken. Es entwickelt sich ein selbst unterhaltender Synergismus. Durch Aerobier wird der Nährboden für anaerobe Keime geschaffen. In der Folge entwickelt sich eine Endarteriitis obliterans mit Thrombosierung kleinerer Haut- und Subcutangefäße und daraus resultierend die Gewebsnekrose[iv],[v],[vi]

Therapeutisch steht das frühzeitige radikale chirurgische Debridement mit antibiotischer Breitspektrumtherapie unter intensivmedizinischer Versorgung im Vordergrund.
Die chirurgische Sanierung sollte so früh wie möglich beginnen[vii]. Dies verbessert die Überlebenschancen. Intraoperativ zeigt sich oft eine bis zur reichende Nekrose. Selten ist die Muskulatur oder die Testes mitbetroffen. Das Ausmaß der Nekrose überschreitet oft das äußerliche Erscheinungsbild. Medikamentös wird die chirurgische Weichteilsanierung mit einem Breitspektrumantibiose in Form einer Dreifachantibiose gegen Anaerobier, Streptokokken, Staphylokokken und coliforme Bakterien empfohlen. Diese kann nach Erhalt der Kulturen gemäß des Antibiogramms resistenzgerecht angepasst werden.

Die nekrotisierende Fasciitis ist, laut Verband deutscher Druckkammer-Zentren, eine Indikation für die adjuvante hyperbare Sauerstofftherapie. In den Leitlinien der European Association of Urology (EAU) findet die Anwendung jedoch noch keine Zustimmung.




[i] Eke N. Fournier’s gangrene: a review of 1726 cases. Br J Surg 2000; 87: 718-728.

[ii] Viddeleer AC, Lycklama a Nijeholt GAB. Lethal Fournier’s gangrene following vasectomy. J Urol 1992; 147:1613-14

[iii] Patel A, Ramsay JW, Whitfield HN. Fournier’s gangrene of the scrotum following day case vasectomy. J R Soc Med 1991; 84: 49-50

[iv] Smith GL, Bunker CB, Dinneen MD. Fournier’s gangrene. Br J Urol 1998; 81: 347-355

[v] Mallikarjuna MN, Vijayakumar A, Vijayraj SP, Shivswamy BS. Fournier’s Gangrene: Current Practices. ISRN Surg 2012; Article ID 942437, 8 pages

[vi] Sroczynski M, Sebastian M, Rudnicki J, Sebastian A, Agrawal AK. A complex approach to the treatment of Fournier’s gangrene. Adv Clin Exp Med 2013; 22(1); 131-5

[vii] Grabe M, Bjerklund-Johansen TE, Botto H, Çek M, Naber KG, Pickard RS, Tenke P, Wagenlehner F,     Wullt B. Guidelines on urolgical infections. Uroweb 2013. http://www.uroweb.org/gls/pdf/18_Urological%20infections_LR.pdf, accessed Nov 1th 2013.

 

Fall 77: Die komplizierte Ellenbogenluxation: Der Fall

Mit dem RTW wird ein 35-jähriger Mann vorgestellt. Er wäre nach 4 Flaschen Bier auf die Mülltonne gestiegen und von dort auf seinen rechten Arm gefallen. Im Moment des Aufkommens habe er diesen rückwärtig ausgestreckt. Er habe sofort starke Schmerzen im re Ellenbogen verspürt und diesen nicht mehr bewegen können. Vom Rettungsdienst wurde Ketanest/Dormicum verabreicht.

Eigenanamnese:

Keine Einnahme von Medikamenten, keinerlei Vorerkrankungen. Regelmäßiger Alkoholgenuss oder -missbrauch wird verneint.

Körperliche Untersuchung:

Auf der Trage ist der re Arm auf einem Kissen gelagert. Eine unterstützende Schiene o.dergl. wurde nicht angelegt. Der Weichteilmantel im Ellenbogen ist deformiert und verplumpt. Dorsal lässt sich der luxierte proximale Unterarm tasten. Eine Bewegungsprüfung im Schulter/Handgelenk wird nicht toleriert. Die Haut ist vital, warm und trocken. Finger werden aktiv, das Handgelenk vermindert bewegen. Durchblutung und Sensibilität erscheinen intakt.

Unter dem klinischen Verdacht einer dorsalen Ellenbogenluxation erfolgt das Röntgen des Ellenbogens mit Unterarm. Die Bilder zeigen den folgenden  Befund:




Es erfolgt die Vorbereitung der Reposition in Narkose. Der Patient gibt dabei einsetzende Dysästhesien der Finger an. Bei dem second look fällt eine neu eingesetzte dorsale Weichteilschwellung über dem distalen Handgelenk auf. Diese ist bandförmig auf den Carpus beschränkt. Kein knöcherner Druckschmerz über dem distalen Radius/Ulna. Die Beweglichkeit ist endgradig schmerzhaft mit Druckschmerz über der Tabatiere. Es werden Kribbelsensationen in allen Fingern angegeben. Finger sind weiterhin beweglich.

Auf dem Weg in den OP werden folgende Röntgenbefunde erhoben:

    

 


Montag, 18. Oktober 2021

Fall 74: Der Weichteildefekt am Hoden

 

Mit 2 Angehörigen wird um 22.00 in der Notaufnahme ein 62-jähriger Mann vorgestellt. Aufgrund der Sprachbarriere ist die Anamnese erschwert. Demnach habe sich bei einem Heimatbesuch des Mannes im Iran eine Entzündung in der Leiste gebildet. Diese habe zu einer Aufnahme in ein örtliches Krankenhaus geführt, aus dem er überstürzt abgereist ist, da sein Rückflugticket ausgelaufen wäre. An Vorerkrankungen bestünde ein D.mellitus

Bei Aufnahme findet sich ein 62-jähriger Mann in gutem AZ und schlanken EZ. Kein Fieber. Der offensichtliche Befund findet sich wie folgt:


Es stellen sich langstreckige Weichteilinzisionen in beiden Leisten. Die Wundhöhlen sind granulierend und sauber. Die Hoden mit den Samensträngen sind exponiert und liegen frei.

Diagnose ?

Lösung unter 

https://www.blogger.com/blog/post/edit/1713222409190798349/2534241671956261822

Mittwoch, 13. Oktober 2021

Fall 72: Die ileocoecale Invagination beim Erwachsenen (Auflösung)

Diagnose: Iileocoecale Invagination

Das CT zeigt eine ileocoecale Invagination. die Dünndarmschlingen sind i.S. eines Subileus erweitert, der Clonorahmen leer.

Therapie:

Nach der pröperativen Vorbereitung erfolgt die laporoskoische Exploration. Dabei bestätigt sich das CT morphologische Bild. Das terminale Ileum hat sich über eine Strecke von 40cm in das Coecom und Colon ascendens gestülpt. Es gelingt, das Ileum partiell zu reponieren. Es fällt jedoch ein indurierter Abschnitt auf, der die vollständige Reposition behindert. Die laparoskopische Operation wird in eine Laparotomie konvertiert. Der suspekte Abschnitt imponiert als intraluminärer Tumor, der als Segmentresektion entfernt wird. Der postoperative Verlauf gestaltet sich komplikationslos.

Die histologische Aufarbeitung zeigt ein Adenocarcinom pT2N0.

Diskussion

Eine Invagination des Ileums als Ursache für einen Ileus ist beim Erwachsenen eher selten. Im Patientengut von Azar betrug der Anteil 1%, bei Rodriguez-Lopez 1 bis 5%. Dabei ist in über 80% überwiegend das Ileum unterhalb der Treitz' Flexur betroffen. Die Ursachen für eine Invaginationen beim Erwachsenen sind in bis zu 90% spezifische intraluminale Pathologien im Gegensatz zu idiopathischen Ursachen. Zwei Drittel davon entfallen auf maligne Tumoren, wohingegen speziell bei ileocoecalen Invaginationen in fast 100% Malignome, z.B. Adenocarcinome, zu finden sind. Die präoperative Diagnostik mit Ultraschall und CT ist geeignet, die Invagination nachzuweisen. Das Vorgehen ist daher unter Berücksichtigung der möglich zugrundeliegenden Pathologie operativ mit einer anzustrebenden Segmentresektion. In unserem Fall bestätigte die explorative Laparoskopie den CT Befund einer Invagination, erbrachte jedoch auch einen Tumorverdacht, der sich bei der Laparotomie als derbe vaskularisierte Raumforderung erwies. Es erfolgte die Resektion unter dem Verdacht eines Malignoms. Diese ist i.B. auf die zugrundeliegende Pathologie als kurative R0 Resektion anzusehen.


Dienstag, 10. August 2021

Fall 72: Die ileocoecale Invagination beim Erwachsenen

 In der Notaufnahme stellt sich ein 45-jähriger Mann vor. Er klagt über seit 4 Wochen bestehende teils wässrige Durchfälle im Wechsel mit z.T. strangförmig geformten Stühlen. Bei der Einlieferung mit dem Rettungswagen habe sich der Patient einmalig übergeben müssen. Es werden intermittierende spitze Schmerzen im rechten Unterbauch geklagt.

Es bestehen keine Vorerkrankungen oder Medikamenteneinnahme.

Bei der klinischen Untersuchung betritt ein adipöser Patient mit fließendem Gangbild das Untersuchungszimmer. Seine Vitalparameter sind normwertig. Gesicht rosig ohne periorale Blässe. Zunge feucht. Das Abdomen ist gespannt, die Bauchdecken ohne Zeichen des Peritonismus. Es besteht kein kontralateraler Loslassschmerz, jedoch ein Druckschmerz im rechten Unterbauch. Darmgeräusche lebhaft und hochgestellt. Die Ampulle tastet sich leer.

Sonografisch stellen sich erweiterte Dünndarmschlingen im Mittel- und Unterbauch dar, die reichlich kot- und flüssigkeitsgefüllt sind mit teils orthograder, teils pendelnder Peristaltik. Keine freie Flüssigkeit bei normwertigen Oberbauchorganen.

Das Labor ist weitestgehend unauffällig ohne Entzündungszeichen. Nieren-, Leberwerte und Elektrolyte sind normwertig.

Im nachfolgenden CT stellt sich folgendes Bild dar.

Sonntag, 14. März 2021

Fall 73: Kompartment des Unterschenkels unter Xarelto I

 Fall 73: Kompartment Syndrom des Unterschenkels unter Xarelto

Aus einer Seniorenwohnanlage wird mit dem RTW eine 82-jährige demente Bewohnerin zugewiesen. Dem Pflegepersonal wäre ein Bluterguss und eine zunehmende Weichteilschwellung des linken Unterschenkels aufgefallen. Ein Trauma wurde verneint und konnte von der Patientin auch nicht angegeben werden. Beschwerden werden nicht angegeben.

Eigenanamnese:

Eine Anamnese konnte von der Patientin nicht erhoben werden. Es besteht laut Pflegeüberleitungsbogen neben einer Demenz eine Dauerantikoagulation mit Xarelto wegen Vorhofflimmerns. Ferner besteht ein Hypertonus und ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus.

Körperliche Untersuchung.

82-jährige Patientin in gutem AZ, kachektisch. Sie ist wach, kommunikativ, jedoch zur Zeit nicht zuverlässig  orientiert.

Inspektorisch zeigt sich folgender Befund am linken Unterschenkel:



Freitag, 12. März 2021

Fall 73: Kompartment Syndrom des Unterschenkels unter Xarelto II

Der Unterschenkel weist eine prominente lateralseitige Weichteilschwellung auf. Die Haut ist i.S. einer flächigen Nekrose alteriert. Bei der Betastung fühlt sich die Schwellung prall und unter Spannung an. Betroffen ist die Peronaeusloge. Schmerzen werden zu Beginn der Supination und Adduktion des Fußes geäußert. Die Fußpulse sind links nicht tastbar.

Mittlerweile trifft das Labor ein. Interessieren dürfte der Hb Wert, der mit 10,4 g/dl erwartungsgemäß niedrig ausfiel.

Diagnose: Blutungskomplikation unter Xarelto mit Kompartmentsyndrom des linken Unterschenkels

Es erfolgt die Kompartmentspaltung. Dabei werden ca 500ml Koagel evakuiert. Die Nekrosen werden debridiert und mit einem Vakuumverband temporär verschlossen. Die Vakuumtherapie wird für 12 Tage mit wiederholtem Wechsel und Nachdebridement der Weichteile beibehalten. Bei konsolidierten Weichteilen erfolgte dann die Meshgraft Deckung und Nachbehandlung mit weiterer Vakuumtherapie. 8 Tage nach Meshgraft konnte die Vakuumtherapie beendet und die Patientin unter Fortführen rückfettender Maßnahmen in die Häuslichkeit zurück verlegt werden.

Fazit:

Dabigatran (Pradaxa®), Rivaroxaban (Xarelto®), Edoxaban (Lixiana®) und Apixaban (Eliquis®) zählen zu den nicht-Vitamin-K-antagonistischen oralen Antikoagulanzien (NOAK).

Eine unerwünschte Nebenwirkung von ihnen sind Blutungen. Obwohl statistisch anscheinend kein Unterschied in der Häufigkeit von Vit-K Antagonisten und Non Vit-K Antagonisten bestehen soll, zeichnet die klinische Erfahrung ein anderes Bild, denn hier sind es ausschließlich Blutungen unter Non Vit-K Antagonisten, die Anlass zur stationären Aufnahme geben. So entsteht der Eindruck, dass eine Blutungskomplikation in ihrer Schwere gravierend ist, wenn sie auftritt, und evtl deshalb häufiger im klinischen Alltag zu sehen ist.  Blutungen sind i.d.R. relevant und interventionspflichtig. Das betrifft aus chirurgischer Sicht insbesondere Blutungen mit diffuser Verteilung in die Weichteile, Abdomen oder gastrointestinal[i].

Die Therapie der akuten Blutung stellt den Kliniker vor das Problem, dass es bislang kein Antidot für den Faktor Xa Hemmer gab. Für Dabigatran kam erst 2015 das erste Antidot: Idarucizumab. Für die anderen o.g. Medikamente konnte man nur auf Gerinnungsfaktoren-Konzentrate zurückgreifen.

Seit dem 1. März 2019 jedoch hat die europäische Arzneimittelbehörde EMA die Zulassung für das Apixaban- und Rivaroxaban-Antidot Andexanet alfa empfohlen. Es ist in der 2. Jahreshälfte 2019 unter dem Namen Aprol auf den Markt gekommen. Für Edoxaban dagegen gibt es noch kein Antidot.



[i] https://www.webmd.com/drugs/2/drug-156265-1153/xarelto-oral/rivaroxaban-oral/details/list-sideeffects

Dienstag, 9. Februar 2021

Sterberisiko bei Covid ist abhängig vom Zigarettenkonsum

Die kumulative Zigarettenrauch-Exposition ist ein unabhängiger Risikofaktor für eine Krankenhausaufnahme oder Tod aufgrund von COVID-19

Forscher von der Cleveland Clinic in Ohio zeigten dies in ihrer vorgestellten Studie. Dabei wurde die Expositionsdauer als Packungsjahre definiert. Bislang galt, dass aktive Raucher ein höheres Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben. Es konnte nun eine dosisabhängige Abhängigkeit zwischen der Zahl der Packungsjahre und der Schwere bei COVID-19-Erkrankung gezogen werden. Dazu wurden Daten von 7102 COVID-19-Patienten herangezogen. Dabei zeigte sich, dass Patienten mit einer Raucheranamnese von mehr als 30 Packungsjahren ein 2,25-fach höheres Risiko einer Krankenhausaufnahme und ein 1,89-fach erhöhtes Risiko hatten, an den Folgen von COVID-19 zu sterben. Dies war unabhängig davon, ob die Patienten zum Zeitpunkt der Datenerhebung rauchten oder nicht. Demnach ist der Effekt der Packungsjahre bei ehemaligen oder aktiven Rauchern gleich.

Aus: Springer Nachrichten 27.1.2021

(JAMA Intern Med 2021; online 25. Januar).

Dienstag, 2. Februar 2021

Corona: Briten Mutante: Worin bestehen die Unterschiede? Ist sie tödlicher?

Immer besser lernen wir die Unterschiede der britischen Virus-Mutante B.1.1.7 kennen. Unterschiede bestehen in der Ausprägung ihrer Symptoms. Demnach kommt es wesentlich seltener bei B.1.1.7 zu Geschmacksverlust als typischer Corona-Indikator.

Klinische Symptome können eine Coronainfektion bereits von einer Grippeerkrankung unterscheiden. Zu den häufigsten Symptomen zählen FieberKopfschmerzen und trockener Husten. Geruchs- und Geschmacksverlust gelten als Leitsymptom für die Coronainfektion. Bei Mutationen des Coronavirus dagegen beobachtet man nun eine veränderte Ausprägung der Symptomatik.


Symptome bei der Briten-Mutation

Das britische Amt für Nationale Statistiken veröffentlichte nun Zahlen i.B. auf die Häufigkeit der Symptome bei der Mutante B.1.1.7. Demnach litten Infizierte deutlich häufiger als andere Covid-19-Patienten an:


  • - Husten
  • - Müdigkeit
  • - Muskelschmerzen
  • - Halsschmerzen

- seltener dagegen über Geschmacks- und Geruchsverlust. 


Letzteres war bislang relativ sicheres Anzeichen für Covid-19. Laut der Untersuchung des UCL im Frühjahr 2020 fand sich dieses Symptom bei 80% der Infizierten. Schlussendlich verwischen sich bei der britischen Mutante damit die Grenzen zu einer Influenza Infektion.


Die Grafik des britischen Amts verdeutlicht die unterschiedliche Ausprägung der Symptome bei Patienten, die sich mit der Mutante B.1.1.7 (heelgrün) und einer Corona Variante (dunkelgrün). 



Zu den häufigeren Symptome der britischen Mutante gehören auch Durchfall, Fieber und Kurzatmigkeit.

Ist die Mutante gefährlicher? Die Statistik zeigt auch, dass der Anteil der Menschen, die nach einer Ansteckung an Beschwerden leiden, bei B.1.1.7 etwas höher ist als bei anderen Varianten: 52,92 Prozent zu 47,7 Prozent. Ihre Letalität jedoch ist nicht höher.


Nachdem die neue Variante im Dezember in Großbritannien entdeckt worden war, waren dort zwar tatsächlich die Fallzahlen gestiegen. Der britische Premierminister Boris Johnson hatte dafür die Mutation des Virus verantwortlich gemacht. Allerdings war es auch in etlichen anderen Ländern im Winter zu einer Zunahme der Infektionen gekommen. Und: Genauso schnell, wie sie gekommen war, flaute die Infektionswelle in Großbritannien wieder ab, als dort verschiedene Lockdown-Maßnahmen ergriffen wurden. 


Daten des britischen Statistikamtes ONS zufolge haben sowohl die Infektionen mit der neuen als auch mit der alten Variante des Coronavirus seit Februar kontinuierlich wieder abgenommen.



Montag, 25. Januar 2021

Fall 71: Der ungewöhnliche Bauchschmerz bei einer 15-jährigen (Diagnose)

siehe dazu die Vorgeschichte:

http://notfallambulanz.blogspot.com/2021/01/fall-71-der-ungewohnliche-bauchschmerz.html


Diagnose:

Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)

Das hämolytisch-urämische Syndrom ist charakterisiert durch eine hämolytische Anämie, Thrombozytopenie und eine akute Niereninsuffizienz. Diese Erkrankung ist weltweit aber mit deutlich unterschiedlichen Häufigkeiten bekannt. Die Inzidenz wird in Mitteleuropa auf 1 bis 1,5 Patienten/100 000 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren geschätzt. Sie bevorzugt Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren aber auch jedes andere Alter mit einem Altersgipfel im zweiten bis dritten Lebensjahr (82425). In Deutschland gilt das HUS die häufigste Ursache eines akuten Nierenversagens im Kindesalter (22).

Das HUS ist ein Syndrom im klassischen Sinne. Mittlerweile ist es akzeptiert, dass es verschiedene Ursachen für ein HUS gibt. Eine einheitliche Nomenklatur gibt es jedoch noch nicht. Derzeit werden mindestens vier verschiedene pathogenetische Formenkreise der Entstehung eines HUS unterschieden 

- HUS bei Infektionen, z.B. durch Bakterientoxine (E. coli, Shigellen, Salmonellen),  Pneumokokkenneuraminidase und Viren. Bei Erkrankungen, die initial mit Durchfall einhergehen, wird auch der Begriff typisches HUS (D+) verwandt. Da die überwiegende Mehrzahl der HUS-Fälle im Kindesalter mit enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC) assoziiert ist, wird auch als synonym für diese Form das Shigatoxin-assoziierte HUS verwendet (231416).

- Idiopathisches HUS (atypisches HUS): Werden bei den Patienten keine Hinweise auf EHEC gefunden, so ist oft mit einer Rekurrenz der Erkrankung zu rechnen. Hierbei ist die dauernde Aktivierung des Komplementsystems ein wichtiger pathogenetischer Hinweis (101920). In wenigen, oft familiären, Fällen scheint eine Störung des Faktors H eine Rolle zu spielen (27). Dieser Faktor gehört zu einer Gruppe von Proteinen die für die Regulation des Komplementsystems verantwortlich sind. Insbesondere auf lokaler Ebene ist Faktor H für die Inhibierung des Komplementsystems notwendig. Kommt es zu angeborenen oder erworbenen Störungen des Faktors H, bleibt eine Komplementaktivierung ungebremst, und es kommt zu Parenchymschäden wahrscheinlich durch die Persistenz der C3-abhängigen Kaskade des alternativen Komplementweges (1920). In seltenen Fällen gibt es auch hereditäre Formen des HUS, die sowohl autosomal dominant, als auch autosomal rezessiv vererbt werden können (10202439).

- HUS bei systemischen Erkrankungen: Diese stehen im Zusammenhang mit malignen Erkrankungen, systemischem Lupus erythematodes, Knochenmarktransplantation, Glomerulonephritis und treten nach Schwangerschaften im Wochenbett auf (25).

- HUS durch Toxinexposition: Verschiedene Substanzen wie Ciclosporin A, Tacrolimus, Mitomycin, Kontrazeptiva und Kokain können eine Erkrankung auslösen. Sie kann auch durch eine Bestrahlung verursacht werden.

Die häufigste Ursache für ein HUS im Kindesalter jedoch ist eine Infektion mit EHEC (2613–16232629) durch kontaminierte Lebensmittel, direkter Tierkontakt sowie die Übertragung von Mensch zu Mensch. Innerhalb der Gruppe der EHEC werden zunehmend neue Serotypen gefunden, beziehungsweise bisher nicht virulente Bakterien werden virulent. Eine ausführliche Beschreibung der EHEC haben Karch und Bockemühl veröffentlicht (31537).
- Seit 1998 und auch nach dem neuen Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind sowohl das enteropathische HUS als auch Infektionen mit EHEC meldepflichtig nach IfSG § 6 Absatz 1f und § 7 Absatz 12a.

Epidemiologie des HUS

Das HUS tritt weltweit auf. In Europa ist die Häufigkeit von Norden nach Süden unterschiedlich: In Deutschland wird eine Inzidenz von 0,7 bis 1,0 pro 100 000 Kinder unter 15 Jahre gefunden. Das Verteilungsmuster der Bundesländer für die Jahre 1997/1998 in den nördlichen Regionen um Hamburg weist eine relative Häufung auf. Alle anderen Bundesländer zeigen keine auffälligen Verteilungen. Es ist also für Deutschland davon auszugehen, dass das HUS überall vorkommen kann. Bei den EHEC-assoziierten HUS-Patienten liegt der Erkrankungsgipfel zudem in den Sommermonaten. Besonders in den Monaten Juli bis September ist ein erhöhtes Erkrankungsrisiko vorhanden.

Innerhalb einer prospektiven Untersuchung wurde in Deutschland und Österreich versucht, mögliche Infektionsquellen zu erfassen. Aufgrund methodischer Probleme und der oft langen Latenz zwischen Kontakt mit einem Infektionserreger und der Diagnose einer EHEC-Infektion beziehungsweise HUS kann in den meisten Fällen der Verursacher nicht gefunden werden (13143137).

Das Verteilungsmuster des HUS zeigt eine Häufung vom ersten bis fünften Lebensjahr mit einem Häufigkeitsgipfel bei etwa drei Jahren. Eine weitere Besonderheit ist die Tatsache, dass Patienten unter vier Jahren häufiger an Non-O157-Erregern erkranken als ältere Kinder. Aus verschiedenen Ausbruchsuntersuchungen wird klar, dass neben den Kleinkindern auch ältere Leute, besonders solche die in Heimen leben, wieder häufiger erkranken (24). Eine Ursache oder Erklärung hierfür ist bisher nicht bekannt. Im Falle der Kleinkinder wird allerdings vermutet, dass die in diesem Alter noch nicht vorhandene Hygiene dazu führt, dass bei Schmierinfektionen eine höhere Bakterienmenge ingestiert wird und damit eine höhere Erregerbelastung vorhanden ist. Ein Beweis für diese Vermutung existiert aber bisher nicht.

Diagnostik
Das klassische Leitsymptom einer Erkrankung des infektionsassoziierten HUS mit EHEC-Nachweis ist ein blutiger Durchfall. Es vergehen etwa drei Tage (Bereich: 1 bis 8 Tage) zwischen Infektion und Ausbruch der Diarrhö. Nach Beginn der Diarrhö ist das Auftreten eines HUS im Mittel in vier Tagen zu erwarten (Bereich: 1 bis 12 Tage).

Die Diagnose wird anhand der charakteristischen Symptome gesichert: hämolytische Anämie mit Erhöhung von LDH und Auftauchen von Fragmentozyten im Blutausstrich, Thrombopenie und Anstieg der Retentionswerte beziehungsweise Auftreten von Oligo- oder Anurie.

Komplikationen bei HUS sind eine arterielle Hypertonie, Überwässerung mit Aszites und Perikarderguss, Krampfanfälle, neurologische, kardiale und pulmonale Beteiligungen.


Die primäre bildgebende Diagnostik erstreckt sich auf eine sonographische Untersuchung der Nieren. Im B-Bild erscheinen die Nieren mit deutlich erhöhter Echogenität im Bereich der Nierenrinde und echoarmen Markkegeln. Die Nieren sind deutlich vergrößert, und das Volumen hat meist über die altersentsprechende 97% Perzentile zugenommen. Im Farbduplex zeigen sich oft auch Muster wie sie bei einer Nierenvenenthrombose angetroffen werden, mit deutlich erhöhtem intrarenaler Widerstandserhöhung bis hin zu negativem diastolischen Fluss in der Diastole. Eine Unterscheidung ist hierbei oft nur durch die Klinik mit Nachweis von Fragmentozyten und dem weiteren Verlauf möglich. Assoziierte Auffälligkeiten im Abdomen können in einem Aszites, Gallenblasenhydrops und verdickten Darmwandstrukturen liegen.

Therapie
Da bisher keine spezifischen Therapieformen routinemäßig zur Verfügung stehen, ist die derzeitige Therapie symptomatisch
. Dazu zählt auch die Dialyse. 

Fall 71: Der ungewöhnliche Bauchschmerz bei einer 15-jährigen

Der ungewöhnliche Bauchschmerz bei einer 15-jährigen

In der Notaufnahme stellt sich eine Mutter mit ihrer 15-jährigen Tochter vor. Die Tochter klagt seit 2 Tagen über Kopfschmerzen, erhöhte Temperatur und Unterleibsschmerzen. Sie war am Tag zuvor internistisch angesehen worden und sollte sich zur Focussuche gynäkologisch untersuchen lassen. Am Vorstellungstag habe sie bei 3 niedergelassenen Frauenärzten einen Termin machen wollen. Diese hätten jedoch darauf bestanden, dass die Abklärung im Krankenhaus erfolgen solle und waren für eine Vorstellung nicht verfügbar. Daraufhin wurde sie erneut im Krankenhaus vorstellig. Die gynäkologische Abklärung blieb jedoch bei Virgo intacta ohne Befund, woraufhin die chirurgische Vorstellung erfolgte.

Die Patientin gab leichte Kopfschmerzen und Unterbauchbeschwerden an. Keine Übelkeit, Inappetenz oder Erbrechen. Stuhlgang und Miktio unauffällig. Die Unterbauchbeschwerden wären dauerhaft mit intermittierenden Spitzen.

Sie habe eine Vorgeschichte mit Migräne, die 1 bis 2 Mal im Monat auftreten und mit Fieber bis zu 39° C und Bauchbeschwerden einhergingen. Die derzeitigen Beschwerden wurden am Vortag als eine solche Episode interpretiert. Eine Blutentnahme wurde von dem Kind unter Protest verweigert, obwohl die Mutter über die Wertigkeit der Untersuchung aufgeklärt worden war.

Befund:

15-jährige Patientin in nur leicht reduziertem Allgemeinzustand. Temperatur 38,6°C Es fällt bei der Neonbeleuchtung ein leichter Sklerenikterus auf. Die Patientin bewegt sich im Untersuchungszimmer und bei Lagewechseln auf der Liege ohne sichtliche Beeinträchtigung. Das Abdomen tastet sich weich und ohne lokalisierbaren Druckschmerz. Bruchpforten geschlossen. Darmgeräusche regelrecht. Nierenlager frei.

Sono:

Normwertiger Befund der parenchymatösen Organe ohne freie Flüssigkeit. Nieren ohne Stau.

Labor:

Im Labor finden sich die folgenden pathologischen Werte:

Leukos

13.900

8000-10000

Thrombcyten

43000

110.000

CRP

179

<5

Bilirubin

2,9

<1

GPT

130

<30

Crea

3,0

<0,8

Quick

44%

100%

 Ihre Diagnose?

Samstag, 26. Dezember 2020

Oberarmfrakturen: Wann operieren?

Dislozierte Humerusfraktur: Warum operieren?

Bei geschlossener dislozierter Humerusschaftfraktur führt die konservative Behandlung zu ähnlich guten funktionellen Ergebnissen wie die Operation. Beide Verfahren haben jedoch Vor- und Nachteile, die man mit dem Patienten besprechen sollte.

In der Behandlung der dislozierten Oberarmschaftfrakturen besteht derzeit die Empfehlung zur operativen Versorgung. Damit lassen sich Pseudarthrosen weitgehend vermeiden. Andererseits ist es ein invasives Verfahren, bei dem operationstypische Komplikationen im Vordergrund stehen wie z.B. die iatrogene Radialisläsion oder die Infektion. Es muss daher im Einzelfall kritisch erwogen werden, welcher Patient von einer operativen Versorgung profitiert. Die Alternative stellt die konservative Frakturbehandlung durch eine Oberarmorthese dar. Ein Vergleich beider Verfahren i.B. auf ihre Wertigkeit haben nun Rämö et al vorgelegt.

In ihrer randomisierten Studie wurden beide Verfahren bei Patienten mit geschlossener dislozierter Humerusschaftfraktur miteinander verglichen. Dazu wurden 44 Patienten der Orthese-Gruppe zugelost, 38 der Op.-Gruppe. Das mittlere Alter lag in den beiden Gruppen bei 48 bzw. 50 Jahren bei vergleichbaren Frakturtypen, überwiegend AO/OTA-Typ A und nur geschlossene, isolierte Oberarmschaftfrakturen.

Das Ergebnis überraschte, denn beide Verfahren zeigten im Hinblick auf den primären Endpunkt im DASH-Score (Disabilities of Arm, Shoulder and Hand Score) keine signifikanten Unterschiede. Bei offener Reposition und Plattenosteosynthese lag der DASH nach einem Jahr bei 8,9 Punkten, in der Gruppe mit funktioneller Orthese bei 12 Punkten.

Die konservative Behandlung sah neben der Orthese eine Übungsbehandlung mit nicht belastender geführter Bewegungen von Ellbogen und Hand sowie Pendelbewegungen der Schulter vor. Nach drei Wochen wurden Schulterübungen durchgeführt, nach sechs Wochen die schrittweise Belastung.

Bei jedem vierten Patienten mit konservativer Therapie bildete sich innerhalb von zwölf Monaten eine Pseudarthrose. Bei den Patienten in der Op-Gruppe dagegen verlief die Heilung in allen Fällen "zufriedenstellend". Sie konnten den Arm postoperativ bewegen, sollten ihn aber sechs Wochen lang nicht belasten.

In jeweils einem Fall traten postoperativ schwerwiegende Ereignisse auf: ein Patient in der operierten Gruppe bildete eine Arrhythmie, bei einem Patienten in der Orthese-Gruppe trat eine Lungenembolie auf. Beide Patienten waren über 70 Jahre alt mit Begleiterkrankungen.

In drei Fällen der operierten Gruppe entwickelte sich eine N.-radialis-Lähmung, die sich innerhalb von 12 Monaten zurückbildete. Auch kam es zu 2 Wundinfekten, die antibiotisch behandelt werden mussten.

Auffallend im Verlauf der Studie war, dass sich 30% der Patienten aus der konservativen Gruppe in den zwölf Studienmonaten für einen operativen Eingriff entschlossen. Bei ihnen zeigten sich schlechtere Funktionswerte als bei den operierten. 

Die Autoren folgerten, dass der Heilungsverlauf nach initialer Op schneller vonstattengeht und besser vorhersagbar ist als nach Behandlung mit funktioneller Orthese. Im Constant-Murley-Score für Schulterschmerzen, Alltagsaktivitäten, Range of Motion (ROM) und Kraft betrug die Differenz auf der 100-Punkte-Skala nach sechs Wochen knapp 31 Punkte. Dies ist ein signifikanter Unterschied zugunsten der Op-Gruppe. Nach drei Monaten betrug die Differenz nur noch 15 Punkte, nach einem halben Jahr dagegen kaum noch 9 Punkte. Sie war damit nicht mehr signifikant.

Bei den operierten Patienten würden 97% wieder das gleiche Therapieverfahren wählen, während sich in der konservativ behandelten Gruppe lediglich 71% erneut ohne Operation behandeln lassen würden.

Daher empfehlen Rämö und Kollegen, die Entscheidung im Einzelfall zu treffen. Der Patient muss in der Lage sein, Vor- und Nachteile der beiden Vorgehensweisen zu kennen und gegeneinander abzuwägen.

 

Literatur: Rämö L et al. Effect of Surgery vs Functional Bracing on Functional Outcome Among Patients With Closed Displaced Humeral Shaft Fractures The FISH Randomized Clinical Trial. JAMA 2020; 323 (18): 1792‒180