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Freitag, 30. Mai 2014

Fall 34: Die schmerzlose Hodenschwellung CT

Hodentumor und Beinödem lassen an eine untere Einflussstauung denken bei potenziell maligner Gruderkrankung. Das Abdomen CT zeigte folgenden Befund:




Was für einen ausgeprägten Befund sehen Sie?
Was wäre Ihr Vorgehen?

Dienstag, 27. Mai 2014

Fall 34: Die schmerzlose Hodenschwellung

Am Samstag, 16.00, betritt ein 41-jähriger Mann die Ambulanz. Er käme auf Drängen seiner Frau, die bei ihm einen vergrößerten Hoden bemerkt habe. Der Mann selbst negiert zunächst, doch gibt dann an, dass die Schwellung seit Monaten bestanden hätte und langsam an Größe zugenommen hätte. Allgemeinsymptome oder Schmerzen bestünden nicht.

Eigenanamnese:
Es werden keine Vorerkrankungen, OPs oder Nebenerkrankungen angegeben. Größe 176 cm, Gewicht 70 kg konstant.

Befund:
DerPatient ist in gutem Allgemeinzustand, pyknischer Typ. Am Hoden tastet sich eine derbe Resistenz von ca. 4cm mit Induration des Samenstranges. Die Gegenseite ist unauffällig. Beide Beine weisen geringe Stauungsödeme auf.



Sonografie:




Lesen Sie auch Fall 28:

https://www.blogger.com/blogger.g?blogID=1713222409190798349#editor/target=post;postID=1602042026434665582;onPublishedMenu=posts;onClosedMenu=posts;postNum=37;src=postname

Donnerstag, 22. Mai 2014

Fett mit 20 - Kunstknie mit 60!

Dass eine starke Gewichtszunahme in jungen Jahren auf die Gelenke geht, diese langfristig sogar zerstören kann, hatten die norwegischen Forscher bereits am Beispiel des Hüftgelenks gezeigt. Jetzt erbrachten Hilde Apold vom Telemark Hospital in Skien und ihre Kollegen den entsprechenden Beweis auch für das Knie.

105.190 Männer und 120.718 Frauen hatten an der prospektiven Studie teilgenommen. Ein erstes Gewichts- bzw. BMI-Screening erfolgte im Alter von durchschnittlich 26,2 Jahren, zum zweiten Mal wurden die Untersuchungen mit durchschnittlich 44,4 Jahren durchgeführt. Ab einem Alter von etwa 51 Jahren wurde beobachtet, ob sich eine schwere Gonarthrose einstellte, die den Totalersatz des Kniegelenks erforderlich machte. Zum Ende des 12-jährigen Follow-up waren die Teilnehmer durchschnittlich 62,3 Jahre alt (SD 8,4).

Wer am stärksten zulegt, hat das größte Risiko
1591 Personen hatten bis zu diesem Zeitpunkt ein Kunstknie erhalten. Die Forscher teilten die Patienten gemäß ihrer jährlichen BMI-Zunahme zwischen den beiden Screenings in Quartilen ein.  Sowohl Männer als auch Frauen in der höchsten Quartile, d. h. mit einer jährlichen BMI-Zunahme von mehr als 0,21 (Männer) bzw. mehr als 0,18 (Frauen) hatten das höchste Risiko, einen Gelenkersatz zu erhalten. Im Vergleich zur niedrigsten Quartile (BMI-Zunahme < 0,03 bzw. < - 0,01) nahm dieses Risiko bei den Männern um 49% zu, bei den Frauen um über 50%.

Der Risikoanstieg war umso größer, je stärker die Teilnehmer zugelegt hatten: Für jede BMI-Steigerung um 0,1 und für jede Gewichtszunahme um 5 kg stieg das Risiko für ein künstliches Gelenk bei den Männern um den Faktor 1,11 (RR). Für die Frauen war der Effekt noch deutlicher, hier nahm das Risiko um den Faktor 1,18 bzw. 1,22 zu.

Riskante Gewichtszunahme in jungen Jahren
Als besonders riskant für beide Geschlechter erwies sich eine Gewichtszunahme in jüngerem Alter. So ergab sich für 17- bis 20-Jährige pro 5 Kilo Gewichtszunahme ein Risikoanstieg um 26% bei den Männern, und um 43% bei den Frauen. Bei den 21- bis 40-Jährigen lagen die Risikozuwächse bei 13% (Männer) bzw. 24% (Frauen). Jenseits der 40 verlor sich bei beiden Geschlechtern der Zusammenhang.

Je länger überschüssige Pfunde auf dem Kniegelenk lasten, desto höher ist das Risiko einer späteren Arthrose. Zudem sei der Knorpel bei jüngeren Menschen noch empfänglicher für Schäden durch Belastung. Reguläre Belastung habe zwar einen positiven Effekt auf die Knorpelreifung; allerdings gebe es bei der Anpassungsfähigkeit des Gewebes wohl auch Grenzen. Die Ergebnisse deuten an,  dass man mit Maßnahmen zum Gewichtsmanagement bereits in jungen Jahren der Entwicklung einer schweren Kniearthrose im Alter vorbeugen kann.




Montag, 19. Mai 2014

Fall 33: Das verletzte Kind mit Borderline Syndrom

Sie vermuten auf eine Patientin mit selbstverletzendem Verhalten (Borderline Syndrom)


Definition:
Die Krankheit Borderline-Störung ist eine Persönlichkeitsstörung. Man nimmt an, daß belastende Ereignisse gepaart mit einer ungünstigen Veranlagung dazu führen können, dass sich eine negative Entwicklung der Persönlichkeit bildet. Im Falle von Borderline leidet der Patient neben seiner Umwelt auch an sich selbst. Die Entstehung ist multifaktoriell. So werden Faktoren anerkannt, die das genetisch bedingte Temperament betreffen,  Umweltfaktoren, z.B. Erfahrungen und Traumata, sowie neurologische oder biochemische Störungen.

Merkmale:
Die für eine Borderline-Störung typischen Verhaltensweisen mit selbstgefährdendem Verhalten bilden sich schon in der Kindheit heraus. Leider wird eine Diagnose der Borderline-Störung meist erst im Jugendalter durchgeführt, da im Kindesalter auch "normale" Entwicklungsstadien ein ähnliches Bild wie eine Borderline-Störung hervorrufen können.

Verlauf:
Der Verlauf der Borderline-Störungen ist meist chronisch: Der Patient ist anhaltend instabil, zudem kommt es immer wieder zu Phasen des emotionellen Kontrollverlustes.
Im fortgeschrittenen Alter nimmt die Borderline-Störung meist ab, viele der Betroffenen sind ab dem 3. oder 4. Lebensjahrzehnt meist so stabil, daß die Störung nach außen hin kaum noch wahrgenommen wird. Dies erleichtert besonders das Familienleben und soziale Kontakte wie zum Beispiel am Arbeitsplatz.

Chirurgische Bedeutung:
Aus chirurgischer Sicht sehen wir besonders häufig artefiziell beigebrachte Verletzungen. Diese sind in der Regel nicht schwerwiegend, jedoch multipel. Typisch sind die oberflächlichen „Probierschnitte“. Sie sind Hauptmerkmal der Borderliner
Es gibt verschiedene Varianten, die besonders häufig vorkommen:
  • Typisch sind Schnitte durch Messer, Scherben, Rasierklingen oder andere scharfe Gegenstände. Dabei reicht die Tiefe der Wunden von "nur" oberflächlich bis zu wirklich tief.
  • Zufügen von Wunden durch Kratzen bzw. das immer wieder von neuem Aufkratzen alter Wunden
  • Fingernägel abreißen oder abbeißen bis zum Nagelbett
  • Das Ausreißen der Haare am Körper
  • Das Schlagen mit dem Kopf an Wände oder auf Tische
  • Das Schlucken von Medikamenten oder auch Chemikalien, wie z.B. Spülmittel
  • Auspowern des Körpers durch Sport bis zur totalen Kraftlosigkeit
  • Hungern bis zum Zusammenbruch
  • Sich selbst schlagen
Therapie:
Neben der primären Wundversorgung ist die Frage nach dem Bekanntheitsgrad der Störung wichtig. Aus meiner Erfahrung ist die Weiterleitung in einen psychiatrischen Dienst zur Frage der Notwendigkeit einer Krisenintervention hilfreich. Angehörige von Kindern sollten befragt werden, ob eine Störung bekannt ist oder schon behandelt wird. Häufig ist das Eltern/ Kindverhältnis zerrüttet oder Auslöser der Krise, so dass eine therapeutische Intervention sinnvoll ist.

Sonntag, 18. Mai 2014

Fall 33: Das verletze Kind

Um 2.00 Uhr morgens wird ein 14-jährigs Mädchen mit dem RTW eingewiesen. Sie habe den Notruf abgesetzt und wäre mit blutenden Wunden am Unterarm in der Wohnung vorgefunden worden. Angaben wollte das Mädchen nicht machen.



Blickdiagnose!
Was unternehmen Sie?

Donnerstag, 15. Mai 2014

Irrtümer in der Diagnostik der Lyme Borreliose!



Falsche Vorstellungen über Verlauf und Nachweisbarkeit der Lyme-Borreliose sorgen für Fehldiagnosen und Übertherapie. Experten des US-Institute of Medicine haben deswegen zusammengefasst, was wissenschaftlich wirklich belegt ist.

Das unabhängige wissenschaftliche Institute of Medicine (IOM) äußert sich „besorgt“ über „die weite Verbreitung von falschen Vorstellungen und Missverständnissen“ in Bezug auf die Infektion mit Borrelia burgdorferi. Als besonders problematisch erachten die Experten, dass manche Ärzte zur klinischen Diagnose auch andere Symptome als das Erythema migrans heranziehen und die Serologie wegen „fehlender Aussagekraft“ außer Acht lassen. Dadurch lässt sich die Liste der klinischen Störungen, die der Borreliose zugeordnet werden, beliebig erweitern, warnen Halperin und seine Kollegen vom IOM. Die häufigsten Irrtümer in Bezug auf die Borreliose sowie die entsprechende evidenzbasierte Datenlage sind:

Irrtum Nr. 1:
„Bluttests sind unzuverlässig, viele Patienten sind trotz einer Borreliose seronegativ.“
Weil sich die Immunantwort gegen die Borrelien langsam aufbaut, fallen IgG-Antikörper-Tests in den ersten vier bis sechs Wochen tatsächlich oft negativ aus. In späteren Stadien einer Borreliose besteht jedoch, wenn überhaupt, nur äußerst selten Seronegativität. Daher ist bei seronegativen Patienten mit Symptomen, die seit mehr als einem Monat bestehen, eine Borreliosetherapie normalerweise nicht zu rechtfertigen.

Irrtum Nr. 2:
Bei manchen Patienten mit monatelanger Erkrankung sind nur IgM-Antikörper gegen Borrelien nachweisbar.“
Patienten mit einer Krankheitsdauer von mehr als vier bis sechs Wochen sollten IgG-positiv sein. Der Befund von isoliertem IgM in solchen Patienten ist fast immer falsch positiv. Tests auf spezifisches IgM sollten überhaupt nur in der Frühphase der Erkrankung verwendet werden.

Irrtum Nr. 3:
„Positive Antikörper-Tests nach antibiotischer Therapie zeigen an, dass nicht ausreichend behandelt wurde.“
Eine Persistenz der humoralen Immunantwort nach dem Abklingen einer Infektion ist normal und kein Zeichen für ein Fortbestehen der Infektion.  Bei Patienten mit starker IgG- oder IgM-Reaktion können das Serum und sogar der Liquor selbst nach Jahrzehnten noch seropositiv sein. (Die langjährige Seropositivität kann bei älteren Personen in Hochrisiko-Gebieten zum diagnostischen Problem werden: Bei akuten Symptomen muss immer hinterfragt werden, ob tatsächlich ein kausaler Zusammenhang mit dem erhöhten Antikörper-Spiegel besteht.)

Irrtum Nr. 4:
Nach einer Antibiotikatherapie (wegen einer anderen Infektion) können Bluttests negativ ausfallen.“
Es gibt keinerlei Hinweise, dass eine bestehende Antikörper-Antwort durch eine nicht kurative Antibiotikagabe supprimiert wird. Und selbst nach einer wirksamen Frühtherapie auf der Basis eines Wandererythems kommt es bei den meisten Patienten noch zur Serokonversion.

Irrtum Nr. 5:
„Die Lyme-Borreliose ist eine klinische Diagnose, die auf der Basis verschiedener Symptome zu stellen ist.“
Es gibt nur ein einziges Symptom, das in Endemiegebieten eine so hohe Spezifität aufweist, dass keine Labordiagnostik erforderlich ist – und das ist das Erythema migrans. Eine beidseitige Lähmung des Gesichtsnervs ist zwar zu 96% mit einer Borreliose assoziiert, trotzdem ist eine serologische Bestätigung anzuraten. Bei anderen Symptomen wie radikulären Schmerzen ohne mechanische Ursache oder wiederkehrender Oligoarthritis der großen Gelenke ist das Labor unverzichtbar. Eine Diagnosestellung aufgrund noch weniger spezifischer Symptome wie Kopfschmerzen, Fatigue und kognitiven Schwierigkeiten ist laut IOM-Publikation „untragbar“. Selbst unter der Annahme, dass jeder zweite Borreliose-Patient kognitive Probleme entwickelt, hätte dieses Kriterium einen positiven Vorhersagewert unter 1%.

Irrtum Nr. 6:
„Patienten mit Fatigue und Gedächtnisproblemen haben eine Borrelieninfektion des zentralen Nervensystems.“

Bei ungefähr 10% der Patienten mit B.-burgdorferi-Infektion kommt es zu einer ZNS-Beteiligung, meistens einer Meningitis. Unabhängig davon entwickeln manche Patienten mit aktiver Borreliose Fatigue und/oder Probleme mit Gedächtnis und Kognition. Dahinter steckt keine ZNS-Infektion, vielmehr handelt es sich um eine metabolische Enzephalopathie. Sie ist auch bei anderen Infektionen zu beobachten und wahrscheinlich auf neuroaktive Effekte von löslichen Immunmodulatoren zurückzuführen.

Irrtum Nr. 7:
„Eine Borreliose kann tödlich sein.“
Eine Borreliose kann zwar das Herz oder das Gehirn schädigen, ein tödlicher Verlauf ist nach den vorliegenden Daten trotzdem extrem unwahrscheinlich.

Irrtum Nr. 8:
„Wenn die Symptome nach einer Antibiotikatherapie fortbestehen, muss länger behandelt werden.“
Eine Nachbehandlung ist höchstens gelegentlich notwendig – in aller Regel ist eine Antibiotikatherapie von zwei bis vier Wochen ausreichend. In kontrollierten Studien hat eine längere Therapie auch bei anhaltenden Symptomen keinen Zusatznutzen erbracht.

Irrtum Nr. 9:
„Wenn es unter der Therapie zu einer schnellen Besserung der Symptome kommt, beweist dies die Richtigkeit der Diagnose auch bei negativer Serologie.“
Eine Besserung der Symptome kann auch auf das Abklingen einer anderen Infektion, auf einen Placeboeffekt der Behandlung oder auf andere nicht antimikrobielle Wirkungen der Antibiotika zurückgehen. Genauso wenig wie nach der Behandlung persistierende Symptome gegen die Diagnose sprechen, kann die Besserung unspezifischer oder neurologischer Symptome als Beweis dafür angeführt werden.



Mehr zu Zecken Borreliose lesen Sie hier:


Mittwoch, 14. Mai 2014

Längere Antibiose nach perforierter Appendicitis nutzlos

Die postoperative Antibiotikatherapie über fünf Tage schützt Erwachsene mit perforierter Appendix offenbar nicht besser vor einer Infektion als eine dreitägige Behandlung. Zu diesem Ergebnis kam eine retrospektive niederländische Studie, die die beiden präventiven Strategien miteinander verglich.
Eine verlängerte Antibiotikagabe nach der Appendektomie bei Patienten mit komplizierter Appendizitis soll das Risiko für postoperative Infektionen verringern. Die Autoren untersuchten, ob statt der häufig üblichen fünf Tage postoperativer Antibiotikatherapie bei Risikopatienten auch drei Tage genügen. Amerikanische Leitlinien empfehlen in diesen Fällen derzeit eine Behandlung über vier bis sieben Tage. Bei Kindern konnte bereits kein zusätzlicher Nutzen einer Antibiotikagabe über fünf Tage hinaus nachgewiesen werden, für Erwachsene ist die Datenlage bislang allerdings dünn.

In einer Kohortenstudie verglichen die Chirurgen deshalb die Daten erwachsener Patienten, die sich in einer von zwei Kliniken der gleichen Region zwischen Januar 2004 und Dezember 2010 einer operativen oder laparoskopischen Appendektomie unterzogen hatten. In der einen Klinik erhielten die frisch operierten Risikopatienten zusätzlich über drei Tage Antibiotika, in der anderen über fünf Tage. Primärer Endpunkt der Studie war das Auftreten postoperativer oberflächlicher Wundinfektionen oder intraabdominaler Infektionen.

Im Untersuchungszeitraum wurden in den beiden Kliniken insgesamt 1143 Patienten wegen einer akuten Appendizitis operiert (655 offen, 488 laparoskopisch). Alle Patienten erhielten vor Beginn der Anästhesie einmalig 1000 mg Cefamandol und 500 mg Metronidazol als Infektionsprophylaxe i.v. 3,1% aller appendektomierten Patienten entwickelten einen intraabdominalen Abszess, 2,0% eine Wundinfektion.

Bei 267 der Probanden lag eine komplizierte Appendizitis (perforiert oder mit purulenter Peritonitis) vor. Diese Patienten erhielten Cefuroxim (750 mg 3 x tgl.) und Metronidazol (500 mg 3 x tgl.) intravenös, und zwar 135 von ihnen über drei Tage und 123 Patienten über mindestens fünf Tage. 7,9% der Patienten mit verlängerter Antibiotikatherapie wegen komplizierter Appendizitis entwickelten einen intraabdominalen Abszess, fast immer infolge einer Perforation, 3,4% eine Wundinfektion.

Zwischen den Patienten der beiden Gruppen mit unterschiedlicher Behandlungsdauer konnte kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Infektionshäufigkeit festgestellt werden. In der univariaten Auswertung entwickelten mehr Patienten mit komplizierter Appendizitis nach laparoskopischer Appendektomie einen intraabdominalen Abszess als nach offener Op. In der multivariaten Analyse konnte die Methode allerdings nicht als unabhängiger Risikofaktor bestätigt werden.



Mehr:
Van Rossem CC et al. Duration of antibiotic treatment after appendicectomy for acute complicated appendicitis. Br J Surg 2014; online 26. März; doi: 10.1002/bjs.9481

Montag, 28. April 2014

Fall 32: Blickdiagnose Bursitis olecrani

Es handelt sich um eine Bursitis olecrani!

Sie entstehen i.d.R. als eine abakterielle Bursitis durch chronische Drucküberlastung, stumpfe Traumata oder Überbelastung des Schleimbeutels. Die bakteriellen Bursitiden entstehen durch direkte Verletzungen mit sekundärer Keimbesiedelung oder hämatogen.

Es bestehen Schwellung, Rötung und Überwärmung der Bursa olecrani mit lokalem Schmerz, meistens auch nur mit einer schmerzlosen Schwellung ohne wesentliche Rötung und Überwärmung.

Therapie:
Ein großer Teil der häufigen abakteriellen Bursitiden lassen sich durch konservative Maßnahmen mit ein-/mehrmaliger Punktion zur Ausheilung bringen. Bakterielle Bursitiden stellen eine Indikation zur Gabe von Antibiotika dar, nach Abklingen der akut-entündlichen Phase sollte hier eine Bursektomie im Intervall durchgeführt werden. 

Ansonsten können eine Punktion, Kompression und Ruhigstellung, gegebenenfalls antibiotische Therapie durchgeführt werden. Bei therapierefraktärer Bursitis hilft nur die Exstirpation der Bursa. Hier besteht jedoch ein hohes Rezidivrisiko bei unvollständiger Entfernung.

Akuttherapie
Punktion, Ruhigstellung und je nach Befund Gabe von nicht-steroidalen Antirheumatika oder/und Antibiotika.
Ruhigstellung für bis zu 14 Tagen
Gabe von nicht-steroidalen Antirheumatika und/oder Antibiotika.

Kim (2015) verglich die Wertigkeit konservativer Maßnahmen. Er fand ein Vorteil für Aspiration plus Steroidinjektion insofern, als die Heilung dadurch am schnellsten erfolgte. Im Mittel dauerte es hier 2,3 Wochen, bis die Bursitis abgeheilt war. Mit Kompressionsverband oder nach Aspiration zog sich der Heilungsprozess hingegen über drei Wochen hin (3,2 Wochen bei Kompression plus NSAR, 3,1 bei Aspiration).
Die Punktion des Schleimbeutels am Ellbogen ist nicht ohne Komplikationen,  und der Griff zur Spritze vergrößert die Erfolgsaussichten offenbar nicht wesentlich. Kim plädierte deshalb dafür, bei konservativer Therapie der Bursitis olecrani allein auf Verband und NSAR zu setzen – sofern künftige Studien nicht doch noch klare Vorteile für ein anderes Verfahren zutage fördern.

Operative Therapie
Komplette Bursaresektion mit Ruhigstellung in Oberarmgipsschale postoperativ für fünf bis sieben Tage




Literatur:
Kim JY et al. A Randomized Trial Among Compression Plus Nonsteroidal Antiinflammatory Drugs, Aspiration, and Aspiration With Steroid Injection for Nonseptic Olecranon Bursitis. Clin Orthop 2015; online 13. Oktober; doi: 10.1007/s11999-015-4579-0

Fall 32: Blickdiagnose: Der geschwollene Ellenbogen


Gegen 16.00 am Samstag stellt sich ein 54-jährigenr Handwerker vor. Er habe seit dem Vortag einen zunehmende Schwellung am Ellenbogen entwickelt.

Eigenanamnese:
Ein Trauma wird verneint. Auch sind keine Begleiterkrankungen, z.B. Gicht oder Rheuma, bekannt. Er habe lediglich die Woche über als Installateur schwer manuell arbeiten müssen. Fieber habe er keines.

Befund:
Temp 36.6°C. Der linke Ellenbogen zeigt über dem Olecranon eine weiche prallelastische und fluktuierende Schwellung. Sie ist an der Spitze diskret gerötet, jedoch nicht überwärmt. Der Bewegungsumfang ist frei. Kein knöcherner Druckschmerz, keine Instabilität. DMS intakt.


Bickdiagnose!
Was veranlassen Sie?

Fall 23 Die Distorsion des Sprunggelenkes: Jones Fraktur

Es handelt sich um eine sog. Jones Fraktur. 

Dabei handelt es sich um einen Knochenbruch des 5. Mittelfußknochens im proximalen meta-diaphysären Übergang ohne Beteiligung des tarsometatarsalen Gelenks Sie ist gekennzeichnet durch ihre schlechte Heiltendenz, vor allem bei konservativer Therapie.

Die Fraktur ist benannt nach Sir Robert Jones, der sich 1902 diese Fraktur selbst während einer Tanzveranstaltung zugezogen und sie anschließend beschrieben hat.

Die Therapie der Fraktur der Os-metatarsale-V-Basis richtet sich nach der Klassifikation von DeLee et al. 1983:
  1. akute Jones-Fraktur (meta-diaphysäre Fraktur):
    1. undisloziert,
    2. disloziert;
  2. chronische Jones-Fraktur (meta-diaphysäre Fraktur):
    1. Sklerose an der äußeren Frakturlinie,
    2. Sklerose intramedullär;
  3. Avulsionsfraktur (metaphysäre Fraktur):
    1. Tuberositas (extraartikulär),
    2. intraartikuläe Frakturen des Metatarsokuboidalgelenks.
Akute Jones-Fraktur
  1. Akute Jones-Frakturen mit einem adäquaten Trauma ohne Anzeichen von Sklerosezonen als Zeichen von chronischer Überlastung reagieren auf eine konservative Therapie in einem Unterschenkelgehgips für sechs bis zwölf Wochen mit erlaubter Vollbelastung, besonders über die Ferse, nach Maßgabe der Schmerzen. Dislokationen oder Stauchungsfrakturen mit einer Dehiszens von bis zu 2 mm werden wie nicht-dislozierte Frakturen behandelt. Zur Verlaufskontrolle sind die klinischen Symptome des Patienten maßgeblich. Das heißt bei schmerzfrei belastbarem Fuß, aber noch offenem Frakturspalt kann der Gehgips weggelassen werden.
  2. Bei zunehmender Dislokationen über 2 mm werden die Frakturen als instabil bewertet. Bei aktiven Patienten kann alternativ zur Therapie in 1. a) eine perkutane intramedulläre Schraubenosteosynthese angeboten werden. Im Anschluss wird zwei Wochen über die Ferse im Verbandschuh oder Unterschenkelgips belastet, dann Übergang auf eine angepasste Einlage im Normalschuh. Eine Metallentfernung wird bei Bedarf nach frühestens drei Monaten durchgeführt. Wiederaufnahme der sportlichen Aktivität erfolgt in der Regel sechs Wochen postoperativ.
Chronische Jones-Fraktur
  1. Der Patient hat typischerweise bereits seit einiger Zeit Schmerzen an der lateralen Fußkante. Ein adäquates Trauma muss nicht vorliegen. Im Röntgenbild sieht man Sklerosierungen um den Frakturspalt als Zeichen einer chronischen Überlastung. Bei anspruchslosen Patienten kann eine Therapie wie unter 1. a) durchgeführt werden. Aktive Patienten, insbesondere Hochleistungssportler, müssen über die langsame Heilung der Fraktur unter konservativer Therapie informiert werden. Falls eine schnelle Rehabilitation erwünscht ist, kann eine perkutane intramedulläre Schraubenosteosynthese oder eine Zuggurtung durchgeführt werden. Im Allgemeinen ist eine Spongiosaplastik nicht notwendig.
  2. Zeichen einer älteren Stressfraktur ist intramedullärer Kallus. Zwei Drittel der Kortikalis werden durch die endostale Durchblutung versorgt und nur ein Drittel über das Periost. Der Kallus führt zur Einschränkung der endostalen Durchblutung der Kortikalis und macht eine spontane Heilung einer solchen chronischen Jones-Fraktur unwahrscheinlich. Bei anspruchslosen Patienten ist eine konservative Therapie wie unter 1. a) angezeigt, bei aktiven Patienten und Hochleistungssportlern wird die Rehabilitation durch eine perkutane intramedulläre Schraubenosteosynthese verkürzt.

Donnerstag, 24. April 2014

Fall 23 Die Distorion des Spruggelenkes? (Anamnese)

Nach Mitternacht stellt sich ein junges Pärchen vor. Die Ehefrau wäre bei einer Tanzveranstaltung mit dem Fuß ausgerutscht und i.S. einer Supination umgeknickt. Eine Belastung wäre noch möglich aber schmerzhaft.

Eigenanamnese:
Es werden keine relevanten Vorerkrankungen angegeben.

Befund:
Die Pat betritt den Untersuchungsraum mit humpelndem Gangbild. Das Sprunggelenk/Mittelfuß zeigt eine Schwellung zwischen Außenknöchel und Mittelfuß. Das OSG ist frei beweglich. Lediglich bei extremer Supination werden Schmerzen angegeben. Frick Test negativ. Kein knöcherner Druckschmerz über Innen und Außenknöchel oder der Syndesmose. Am Mittelfuß läßt sich ein Druckschmerz über dem proximalen Außenrist auslösen. Periphere DMS oB.




Würden Sie röntgen?
Wenn ja, was?

Mittwoch, 23. April 2014

Fersenschmerzen - Nicht immer ein Fersensporm!

An der „Wetterecke“ Ferse spielt sich häufig zeitgleich Unterschiedliches ab. Meist sind verschiedene Ursachen und Beschwerden gemeinsam vorhanden. Hier hilft die Frage nach der Dauer und dem Charakter der Schmerzen. Wann und wo treten diese auf? Gibt es Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus, arterielle Verschlusskrankheit und/oder venöse Insuffizienzen oder rheumatische Erkrankungen in der Eigenanamnese oder in der Familie?

Notfallambulanz.blogspot.com


 Differenzialdiagnosen
  • Engpass-Syndrom des Nervus suralis oder des Nervus tibialis posterior (laterales Kamerad-Schnürschuh-Syndrom bzw. Tarsaltunnel-Syndrom)
  • Tendinitis der Peronealsehnen oder der Tibialis-posterior-Sehnen
  • Thrombophlebitis
  • periphere arterielle Verschlusskrankheit

Untersuchung
Für die körperliche Untersuchung sollten die unteren Extremitäten des Patienten entkleidet sein. Bei der Inspektion werden die Beinachse und die Rückfußachse ermittelt. Abweichungen der Fußstellung führen zu Scherkräften und einem erhöhten Anpressdruck, die eine Achillodynie und eine Bursitis tendinis calcanei bedingen können. Gibt es Schwielen oder trophische Störungen oder Zeichen für eine gestörte Blutzirkulation?

Zu prüfen sind auch der Gang und Stand des Patienten. Der Zehenspitzenstand wird jeweils auf einem Bein getestet. Eine Sehnenpathologie ist bereits bei einer Unsicherheit, bei Seitendifferenzen oder bei nicht mehr demonstrierbarem Einbein-Zehenspitzenstand zu erwarten. Eine Läsion der Tibialis-posterior-Sehne (Dysfunktion oder erworbener Plattfuß des Erwachsenen), eine schmerzbedingte Schwäche der Wadenmuskulatur oder eine Ruptur der Achillessehne könnten ursächlich sein. Neben den dramatischen Rupturen der Achillessehne (Peitschenknall und ähnliche Beschreibungen) gibt es auch mehr oder weniger stumme Verläufe, sodass bis zu 10% als veraltete Rupturen (älter als drei Wochen) diagnostiziert werden. Die Inzidenz ist steigend und beträgt 10/100.000 Einwohner.

Die „kurze Wade“ ist Ursache für Sehnenansatzpathologien und Achillodynien, möglicherweise ist manchmal auch ein schon vorhandener Schmerz der Auslöser für weitere Verkürzungen.
Den Bewegungsumfang des oberen Sprunggelenks testet man mit dem Silfversköld-Test: Unter Verriegelung des Rückfußes in Inversion prüft man die Dorsal- und die Plantarflexion im oberen Sprunggelenk (OSG) jeweils bei gestrecktem und gebeugtem Kniegelenk. Die Beweglichkeit des Sprunggelenks wird bei gebeugtem Knie gemessen. Der Unterschied in der Dorsalextension bei den beiden Teilen des Tests ist dann ein Maß für die verkürzte Wade.

In Bauchlage des Patienten prüft man mit dem Thompson-Test die Funktion der Achillessehne: Der Wadenmuskel wird mit der Hand komprimiert. Bewegt sich dabei der Fuß nach plantar, ist die Achillessehne intakt. Im Fall einer Ruptur der Sehne ist meist eine Lücke tastbar.

Mögliche Schwielen an der hinteren Ferse deuten auf eine Druckbelastung hin. Durch Palpieren kann man nach druckschmerzhaften Punkten fahnden. Diese können lateral des Ansatzes (dorsolateraler Fersensporn mit Bursitis subcutanea calcanea), vor dem Ansatz (Haglundferse mit Bursitis tendinis calcanei) oder als knöcherne Ausziehung am Ansatz der Achillessehne zu finden sein; Ausmaß und Lokalisation sind im Röntgenbild beurteilbar.

Daneben finden sich Schmerzen teilweise auch plantar am Fersenbein am Ansatz der Plantarfaszie, entsprechend der Ausprägung dieser Struktur, welche die Längswölbung stabilisiert, etwas medial der Medianlinie. Selten geben Patienten die Schmerzangabe im proximalen Verlauf der Plantarfaszie an. Weiter distal kann in Verbindung mit einer knotigen Verdickung der Morbus Ledderhose diagnostiziert werden.

Auf der Suche nach einem möglichen Nervenengpass-Syndrom sollte bei den Patienten das Hoffmann-Tinel-Zeichen medial für den Tarsaltunnel (Nervus tibialis posterior) und lateral für den Nervus suralis (laterales Kamerad-Schnürschuh-Syndrom) geprüft werden. Dabei wird der Verlauf der Nerven dorsal und distal des Innenknöchels beziehungsweise des Außenknöchels mit der Fingerkuppe perkutiert. Bei positivem Befund lässt sich so ein lokaler Schmerz, teilweise auch ein fortgeleiteter Schmerz („elektrisierend“) auslösen.

Diagnostik:
Labor
Bestimmung von rheumatischen Ursachen oder Stoffwechsel-erkrankungen.

Röntgen
Ferse seitlich und axial. Eine Darstellung knöcherner Prominenzen ist möglich. Eine Korrelation des radiologischen Befundes eines plantaren Fersensporns oder einer Haglundferse zu den klinischen Beschwerden besteht nicht.

Ultraschall
Sehnenscheidenentzündung, Texturstörung bei Verkalkung der Sehne, möglicherweise Zeichen der Ruptur mit Dehiszenz.

Kernspintomografie
Zeichen der Entzündung (Bursitiden) und Sehnenschädigung, beginnend mit Signalalterationen und Auftreibung der Sehne, bis hin zur Ruptur.

Therapie
Eine konservative Behandlung sollte in einem frühen Erkrankungsstadium beginnen, multimodal konzipiert und den Beschwerden angepasst sein. An erster Stelle steht dabei die Dehnung der verkürzten Wadenmuskulatur, die durch postisometrische Übungen ergänzt werden kann. Positive Triggerpunkte sollten direkt und im Wesentlichen mit exzentrischen Dehnungsübungen behandelt werden. Auch eine Querfriktion am schmerzhaften Sehnenansatz ist hilfreich.

Treten die Schmerzen vermehrt morgens bei den ersten Schritten auf, ist eine Nachtlagerungsschiene in Hackenstellung des Fußes sinnvoll. Eine Druckentlastung an der Ferse ermöglicht die Weichbettung der Fersenkappe oder das Tragen hinten offener Schuhe. An der Fußsohle sind eine Einlagenbettung mit festem Fersenhalt, eine Lochaussparung an der druckschmerzhaften Stelle und eine gute Längsgewölbestütze empfehlenswert. Fersenkeile sollten allenfalls kurzfristig in der Akutphase angewendet werden, da sie zu einer weiteren Verkürzung der Wade beitragen können.
Zur systemischen Analgesie können NSAR eingenommen werden. Vor Kortison-Injektionen in die Sehne sei wegen der Gefahr der Sehnenruptur gewarnt. Weitere mögliche Therapieoptionen sind die Röntgenreizbestrahlung und/oder die Stoßwellentherapie. 
Bei einer Plantarfasziitis zeigen doppelblinde prospektive Studien gute Ergebnisse mit der Injektion von Botulinumtoxin.
Erzielt die konservative Therapie nach sechs Monaten nicht den gewünschten Erfolg, wird eine Operation empfohlen. Neben der Denervierung des Paratenons erfolgt die Bursektomie und die Entfernung degenerativ veränderten Gewebes sowie die Abtragung der Exostosen dorsal. Bei fortgeschrittener Degeneration der Achillessehne wird die Augmentation mit der Flexor-hallucis-longus-Sehne empfohlen. 
Der plantare Fersensporn ist nicht mit einer Spornabtragung von plantar operativ anzugehen, weil der Sporn meist keine Korrelation zu den Beschwerden aufweist. Falls eine Dehnung der Wade mit konservativen Therapiemaßnahmen nicht möglich ist, lässt sich operativ beispielsweise durch die Einkerbung der medialen Sehne des Musculus gastrocnemius eine dosierte Verlängerung erzielen.
Mit frischen wie auch mit älteren Achillessehnenrupturen sollten die Patienten unmittelbar in eine sporttraumatolgische und fußchirurgische Spezialsprechstunde überwiesen werden.


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Zeitschrift: Orthopädie & Rheuma  2014/1

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Donnerstag, 17. April 2014

Imhoff packt aus: Sünden in der Chirurgie

Bei Focus online erschien eine Rezension für ein neues Buch von Michael Imhof. Darin kritisiert er Strömungen in der Medizin als die neuen 7 Todsünden. Übertragen auf die Orthopädie stelle ich zwei vor:

Sünde 1: Die Kommerzialisierung von Krankheit und Leiden

Die Wirtschaftlichkeit rückt im Gesundheitswesen immer mehr in den Vordergrund, Krankheit und Leiden treten in den Hintergrund, kritisiert Michael Imhof in seinem Buch. Zwar gaukelten Werbebotschaften wie „Wir helfen Ihnen gerne“ dem Patienten Vertrauen und fachliche Qualität der Behandlung vor. In Wirklichkeit könnten Patienten aus verschiedenen Angeboten aber nicht das für sie beste auswählen.  
Ein grundlegendes Umdenken in Krankenhäusern brachte im Jahr 2004 die Einführung der Fallpauschalen (DRG-Katalog). Anstelle von Tagessätzen verdienen Krankenhäuser seitdem überwiegend mit einzelnen Diagnosen. Seitdem haben sich die Verweildauern in Kliniken jährlich um durchschnittliche 2,2 Prozent auf mittlerweile 6,82 Tage im Jahr 2010 verkürzt. Patienten, die noch nicht vollständig genesen sind, werden frühzeitig nach Hause geschickt.

Hüftoperationen sind rentabel

Auf der anderen Seite lässt sich ein Trend zu Behandlungen mit höheren Sachkosten feststellen. Hüft- und Bandscheibenoperationen oder Eingriffe am Kniegelenk haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Den Grund sieht Imhof nicht nur in der älter werdenden Gesellschaft, sondern auch in den Fallpauschalen: Knapp 7000 Euro beträgt die Pauschale gemäß DRG-Katalog, die ein Krankenhaus für Hüftoperationen abrechnen kann. Für Bandscheibenoperationen bekommen Ärzte im Schnitt rund 6600 Euro. 200 000 künstliche Hüftgelenke setzen Chirurgen in Deutschland jährlich ein. In allen anderen europäischen Ländern sind es insgesamt gerade einmal rund 300 000 künstliche Hüftgelenke im Jahr.
Für „teure“ Patienten müssen Ärzte dagegen immer häufiger kämpfen, damit sie die entsprechende Behandlung erhalten. „Es wird eben nur noch das getan, was sich rechnet“, ärgert sich Imhof. „Es ist ein unwürdiges und makabres Spiel, dass Ärzte und Geschäftsführer mittlerweile darum feilschen, wie viele ‚unrentable Patienten’ noch stationär aufgenommen werden dürfen.“

Sünde 3: Die Habsucht der Ärzte

In immer mehr Praxen igelt es. Das beginne oft schon im Wartezimmer, wo die Augen auf werbewirksame Ankündigungen an den Wänden fallen, in denen für dieses und jenes ein ganz spezieller Zusatzservice angeboten wird – alles im Dienste der Gesundheit, versteht sich. Angesichts eines wachsenden Budgetdrucks und sinkender Honorare in Arztpraxen mussten neue Einkommensfelder her: die Individuellen Gesundheitsleistungen, kurz IGeL.
Diese Zusatzleistungen müssen die Patienten aus eigener Tasche zahlen. Inzwischen, schreibt Imhof, habe sich ein grauer Markt der IGeL-Leistungen etabliert, der prächtig floriere. Von Vorsorgeuntersuchungen wie der Augeninnendruckmessung, reise- und sportmedizinischen Untersuchungen, Stressbewältigungstherapien bis hin zu Raucherentwöhnungen - solange es dem Patienten nicht schadet, können Ärzte die IGeL-Leistungen beliebig häufig anbieten.

Was nicht schadet, kann nicht schlecht sein

Am Nutzen der häufigsten Angebote zweifelt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDS): 26 der individuellen Gesundheitsleistungen hat der MDS im Rahmen des „IGeL-Monitors“ bewertet. Zwölfmal lautete das Ergebnis: Nutzen nicht erwiesen, Schäden möglich. In elf Fällen gebe es zu wenig Studien, um klare Aussagen zu treffen - oder Nutzen und Schaden halten sich die Waage. Nur dreimal geben die Prüfer ein eher positives Fazit: für die Akupunktur gegen Migräne, die Laserbehandlung von Krampfadern und die Lichttherapie bei saisonaler Depression.
Für Ärzte sind die Zusatzleistungen eine willkommene Möglichkeit den Praxisumsatz aufzupolieren: Bei durchschnittlichen Kosten von 70 Euro je Leistung umfasst der IGeL-Markt rund 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2012, schätzt das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO). In einzelnen Arztpraxen liegt der IGeL-Anteil am Gesamtgeschäft mittlerweile bei zehn bis 20 Prozent.


Sünde 7: Der Machbarkeitswahn der Medizin


Diagnosen sind für alle da. Und wer ist schon gesund? Niemand so richtig, irgendetwas ist ja immer. Und wenn gerade kein körperliches Leiden vorliegt, dann erfindet die Medizinwirtschaft eben neue Krankheiten oder erweitert bestehende Leiden.
Alzheimer, Burn-out, Cellulite, ADHS, Bluthochdruck oder das Chronische Erschöpfungssyndrom. Für jeden Buchstaben des Alphabets und jedes individuelle Zipperlein sei das Entsprechende dabei, kritisiert Imhof. Auch die „Wechseljahre des Mannes“ hält der Chirurg für einen Krankheitsmythos. Wenn ältere Männer müde sind oder eine schwächelnde Libido haben, sei nach neuen ärztlichen Definitionen ein Testosteron-Mangelsyndrom daran schuld. Imhof findet das lächerlich und nennt die „Hormonmangelseuche“ als Beispiel, wie die Pharmaindustrie selbst an Gesunden verdienen möchte. Auch der Kardiologe Thomas Böhmeke aus Gladbeck spottet über die Thematik. Im Deutschen Ärzteblatt definiert er die neue Krankheit DRGitis – als eine sich infektiös ausbreitende bürokratische Dysfunktion, die „uns alle so furchtbar krank“ mache, dass „wir ab dem 55. Lebensjahr in Rente gehen müssen.“

Glatzenbildung des Mannes als Krankheit

Die Medikalisierung, meint der Imhof, werde sich in Zukunft noch verstärken: Was früher als normal galt, erklärt die Medizin neuerdings für abweichend und behandlungsbedürftig. Der englische Begriff "Disease Mongering" (zu Deutsch: Krankheitserfindung) trifft die Entwicklung noch besser und lässt sich sinnbildlich auch als „Handel mit der Krankheit“ übersetzen. In der Kritik steht in diesem Zusammenhang vor allem die Pharmaindustrie, die neue Krankheitsbegriffe prägt, bestehende Begriffe ausweitet oder bestimmte Mängel oder Symptome dramatisiert, um sich neue Absatzmärkte zu erschließen. Aber auch Wellnesseinrichtungen, Testlabore oder Buchautoren profitieren von dem Geschäft mit der Krankheit.
Nur wenige Erkrankungen sind komplette Neuerfindungen. Die ziemlich seltene, frühe Glatzenbildung des Mannes als therapiebedürftige Krankheit zu vermarkten, schlug allerdings fehl. Da half es auch nichts, dass die von der Pharmaindustrie beauftragte PR-Agentur bis zu 30 Prozent der Männer als betroffen darstellte.


Sehen Sie sich dort irgendwo wieder?


http://www.focus.de/gesundheit/arzt-klinik/klinik/geldgier-habsucht-korruption-das-sind-die-sieben-todsuenden-der-modernen-medizin_id_3719751.html