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Dienstag, 9. Februar 2021

Sterberisiko bei Covid ist abhängig vom Zigarettenkonsum

Die kumulative Zigarettenrauch-Exposition ist ein unabhängiger Risikofaktor für eine Krankenhausaufnahme oder Tod aufgrund von COVID-19

Forscher von der Cleveland Clinic in Ohio zeigten dies in ihrer vorgestellten Studie. Dabei wurde die Expositionsdauer als Packungsjahre definiert. Bislang galt, dass aktive Raucher ein höheres Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben. Es konnte nun eine dosisabhängige Abhängigkeit zwischen der Zahl der Packungsjahre und der Schwere bei COVID-19-Erkrankung gezogen werden. Dazu wurden Daten von 7102 COVID-19-Patienten herangezogen. Dabei zeigte sich, dass Patienten mit einer Raucheranamnese von mehr als 30 Packungsjahren ein 2,25-fach höheres Risiko einer Krankenhausaufnahme und ein 1,89-fach erhöhtes Risiko hatten, an den Folgen von COVID-19 zu sterben. Dies war unabhängig davon, ob die Patienten zum Zeitpunkt der Datenerhebung rauchten oder nicht. Demnach ist der Effekt der Packungsjahre bei ehemaligen oder aktiven Rauchern gleich.

Aus: Springer Nachrichten 27.1.2021

(JAMA Intern Med 2021; online 25. Januar).

Dienstag, 2. Februar 2021

Corona: Briten Mutante: Worin bestehen die Unterschiede? Ist sie tödlicher?

Immer besser lernen wir die Unterschiede der britischen Virus-Mutante B.1.1.7 kennen. Unterschiede bestehen in der Ausprägung ihrer Symptoms. Demnach kommt es wesentlich seltener bei B.1.1.7 zu Geschmacksverlust als typischer Corona-Indikator.

Klinische Symptome können eine Coronainfektion bereits von einer Grippeerkrankung unterscheiden. Zu den häufigsten Symptomen zählen FieberKopfschmerzen und trockener Husten. Geruchs- und Geschmacksverlust gelten als Leitsymptom für die Coronainfektion. Bei Mutationen des Coronavirus dagegen beobachtet man nun eine veränderte Ausprägung der Symptomatik.


Symptome bei der Briten-Mutation

Das britische Amt für Nationale Statistiken veröffentlichte nun Zahlen i.B. auf die Häufigkeit der Symptome bei der Mutante B.1.1.7. Demnach litten Infizierte deutlich häufiger als andere Covid-19-Patienten an:


  • - Husten
  • - Müdigkeit
  • - Muskelschmerzen
  • - Halsschmerzen

- seltener dagegen über Geschmacks- und Geruchsverlust. 


Letzteres war bislang relativ sicheres Anzeichen für Covid-19. Laut der Untersuchung des UCL im Frühjahr 2020 fand sich dieses Symptom bei 80% der Infizierten. Schlussendlich verwischen sich bei der britischen Mutante damit die Grenzen zu einer Influenza Infektion.


Die Grafik des britischen Amts verdeutlicht die unterschiedliche Ausprägung der Symptome bei Patienten, die sich mit der Mutante B.1.1.7 (heelgrün) und einer Corona Variante (dunkelgrün). 



Zu den häufigeren Symptome der britischen Mutante gehören auch Durchfall, Fieber und Kurzatmigkeit.

Ist die Mutante gefährlicher? Die Statistik zeigt auch, dass der Anteil der Menschen, die nach einer Ansteckung an Beschwerden leiden, bei B.1.1.7 etwas höher ist als bei anderen Varianten: 52,92 Prozent zu 47,7 Prozent. Ihre Letalität jedoch ist nicht höher.


Nachdem die neue Variante im Dezember in Großbritannien entdeckt worden war, waren dort zwar tatsächlich die Fallzahlen gestiegen. Der britische Premierminister Boris Johnson hatte dafür die Mutation des Virus verantwortlich gemacht. Allerdings war es auch in etlichen anderen Ländern im Winter zu einer Zunahme der Infektionen gekommen. Und: Genauso schnell, wie sie gekommen war, flaute die Infektionswelle in Großbritannien wieder ab, als dort verschiedene Lockdown-Maßnahmen ergriffen wurden. 


Daten des britischen Statistikamtes ONS zufolge haben sowohl die Infektionen mit der neuen als auch mit der alten Variante des Coronavirus seit Februar kontinuierlich wieder abgenommen.



Montag, 25. Januar 2021

Fall 71: Der ungewöhnliche Bauchschmerz bei einer 15-jährigen (Diagnose)

siehe dazu die Vorgeschichte:

http://notfallambulanz.blogspot.com/2021/01/fall-71-der-ungewohnliche-bauchschmerz.html


Diagnose:

Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)

Das hämolytisch-urämische Syndrom ist charakterisiert durch eine hämolytische Anämie, Thrombozytopenie und eine akute Niereninsuffizienz. Diese Erkrankung ist weltweit aber mit deutlich unterschiedlichen Häufigkeiten bekannt. Die Inzidenz wird in Mitteleuropa auf 1 bis 1,5 Patienten/100 000 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren geschätzt. Sie bevorzugt Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren aber auch jedes andere Alter mit einem Altersgipfel im zweiten bis dritten Lebensjahr (82425). In Deutschland gilt das HUS die häufigste Ursache eines akuten Nierenversagens im Kindesalter (22).

Das HUS ist ein Syndrom im klassischen Sinne. Mittlerweile ist es akzeptiert, dass es verschiedene Ursachen für ein HUS gibt. Eine einheitliche Nomenklatur gibt es jedoch noch nicht. Derzeit werden mindestens vier verschiedene pathogenetische Formenkreise der Entstehung eines HUS unterschieden 

- HUS bei Infektionen, z.B. durch Bakterientoxine (E. coli, Shigellen, Salmonellen),  Pneumokokkenneuraminidase und Viren. Bei Erkrankungen, die initial mit Durchfall einhergehen, wird auch der Begriff typisches HUS (D+) verwandt. Da die überwiegende Mehrzahl der HUS-Fälle im Kindesalter mit enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC) assoziiert ist, wird auch als synonym für diese Form das Shigatoxin-assoziierte HUS verwendet (231416).

- Idiopathisches HUS (atypisches HUS): Werden bei den Patienten keine Hinweise auf EHEC gefunden, so ist oft mit einer Rekurrenz der Erkrankung zu rechnen. Hierbei ist die dauernde Aktivierung des Komplementsystems ein wichtiger pathogenetischer Hinweis (101920). In wenigen, oft familiären, Fällen scheint eine Störung des Faktors H eine Rolle zu spielen (27). Dieser Faktor gehört zu einer Gruppe von Proteinen die für die Regulation des Komplementsystems verantwortlich sind. Insbesondere auf lokaler Ebene ist Faktor H für die Inhibierung des Komplementsystems notwendig. Kommt es zu angeborenen oder erworbenen Störungen des Faktors H, bleibt eine Komplementaktivierung ungebremst, und es kommt zu Parenchymschäden wahrscheinlich durch die Persistenz der C3-abhängigen Kaskade des alternativen Komplementweges (1920). In seltenen Fällen gibt es auch hereditäre Formen des HUS, die sowohl autosomal dominant, als auch autosomal rezessiv vererbt werden können (10202439).

- HUS bei systemischen Erkrankungen: Diese stehen im Zusammenhang mit malignen Erkrankungen, systemischem Lupus erythematodes, Knochenmarktransplantation, Glomerulonephritis und treten nach Schwangerschaften im Wochenbett auf (25).

- HUS durch Toxinexposition: Verschiedene Substanzen wie Ciclosporin A, Tacrolimus, Mitomycin, Kontrazeptiva und Kokain können eine Erkrankung auslösen. Sie kann auch durch eine Bestrahlung verursacht werden.

Die häufigste Ursache für ein HUS im Kindesalter jedoch ist eine Infektion mit EHEC (2613–16232629) durch kontaminierte Lebensmittel, direkter Tierkontakt sowie die Übertragung von Mensch zu Mensch. Innerhalb der Gruppe der EHEC werden zunehmend neue Serotypen gefunden, beziehungsweise bisher nicht virulente Bakterien werden virulent. Eine ausführliche Beschreibung der EHEC haben Karch und Bockemühl veröffentlicht (31537).
- Seit 1998 und auch nach dem neuen Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind sowohl das enteropathische HUS als auch Infektionen mit EHEC meldepflichtig nach IfSG § 6 Absatz 1f und § 7 Absatz 12a.

Epidemiologie des HUS

Das HUS tritt weltweit auf. In Europa ist die Häufigkeit von Norden nach Süden unterschiedlich: In Deutschland wird eine Inzidenz von 0,7 bis 1,0 pro 100 000 Kinder unter 15 Jahre gefunden. Das Verteilungsmuster der Bundesländer für die Jahre 1997/1998 in den nördlichen Regionen um Hamburg weist eine relative Häufung auf. Alle anderen Bundesländer zeigen keine auffälligen Verteilungen. Es ist also für Deutschland davon auszugehen, dass das HUS überall vorkommen kann. Bei den EHEC-assoziierten HUS-Patienten liegt der Erkrankungsgipfel zudem in den Sommermonaten. Besonders in den Monaten Juli bis September ist ein erhöhtes Erkrankungsrisiko vorhanden.

Innerhalb einer prospektiven Untersuchung wurde in Deutschland und Österreich versucht, mögliche Infektionsquellen zu erfassen. Aufgrund methodischer Probleme und der oft langen Latenz zwischen Kontakt mit einem Infektionserreger und der Diagnose einer EHEC-Infektion beziehungsweise HUS kann in den meisten Fällen der Verursacher nicht gefunden werden (13143137).

Das Verteilungsmuster des HUS zeigt eine Häufung vom ersten bis fünften Lebensjahr mit einem Häufigkeitsgipfel bei etwa drei Jahren. Eine weitere Besonderheit ist die Tatsache, dass Patienten unter vier Jahren häufiger an Non-O157-Erregern erkranken als ältere Kinder. Aus verschiedenen Ausbruchsuntersuchungen wird klar, dass neben den Kleinkindern auch ältere Leute, besonders solche die in Heimen leben, wieder häufiger erkranken (24). Eine Ursache oder Erklärung hierfür ist bisher nicht bekannt. Im Falle der Kleinkinder wird allerdings vermutet, dass die in diesem Alter noch nicht vorhandene Hygiene dazu führt, dass bei Schmierinfektionen eine höhere Bakterienmenge ingestiert wird und damit eine höhere Erregerbelastung vorhanden ist. Ein Beweis für diese Vermutung existiert aber bisher nicht.

Diagnostik
Das klassische Leitsymptom einer Erkrankung des infektionsassoziierten HUS mit EHEC-Nachweis ist ein blutiger Durchfall. Es vergehen etwa drei Tage (Bereich: 1 bis 8 Tage) zwischen Infektion und Ausbruch der Diarrhö. Nach Beginn der Diarrhö ist das Auftreten eines HUS im Mittel in vier Tagen zu erwarten (Bereich: 1 bis 12 Tage).

Die Diagnose wird anhand der charakteristischen Symptome gesichert: hämolytische Anämie mit Erhöhung von LDH und Auftauchen von Fragmentozyten im Blutausstrich, Thrombopenie und Anstieg der Retentionswerte beziehungsweise Auftreten von Oligo- oder Anurie.

Komplikationen bei HUS sind eine arterielle Hypertonie, Überwässerung mit Aszites und Perikarderguss, Krampfanfälle, neurologische, kardiale und pulmonale Beteiligungen.


Die primäre bildgebende Diagnostik erstreckt sich auf eine sonographische Untersuchung der Nieren. Im B-Bild erscheinen die Nieren mit deutlich erhöhter Echogenität im Bereich der Nierenrinde und echoarmen Markkegeln. Die Nieren sind deutlich vergrößert, und das Volumen hat meist über die altersentsprechende 97% Perzentile zugenommen. Im Farbduplex zeigen sich oft auch Muster wie sie bei einer Nierenvenenthrombose angetroffen werden, mit deutlich erhöhtem intrarenaler Widerstandserhöhung bis hin zu negativem diastolischen Fluss in der Diastole. Eine Unterscheidung ist hierbei oft nur durch die Klinik mit Nachweis von Fragmentozyten und dem weiteren Verlauf möglich. Assoziierte Auffälligkeiten im Abdomen können in einem Aszites, Gallenblasenhydrops und verdickten Darmwandstrukturen liegen.

Therapie
Da bisher keine spezifischen Therapieformen routinemäßig zur Verfügung stehen, ist die derzeitige Therapie symptomatisch
. Dazu zählt auch die Dialyse. 

Fall 71: Der ungewöhnliche Bauchschmerz bei einer 15-jährigen

Der ungewöhnliche Bauchschmerz bei einer 15-jährigen

In der Notaufnahme stellt sich eine Mutter mit ihrer 15-jährigen Tochter vor. Die Tochter klagt seit 2 Tagen über Kopfschmerzen, erhöhte Temperatur und Unterleibsschmerzen. Sie war am Tag zuvor internistisch angesehen worden und sollte sich zur Focussuche gynäkologisch untersuchen lassen. Am Vorstellungstag habe sie bei 3 niedergelassenen Frauenärzten einen Termin machen wollen. Diese hätten jedoch darauf bestanden, dass die Abklärung im Krankenhaus erfolgen solle und waren für eine Vorstellung nicht verfügbar. Daraufhin wurde sie erneut im Krankenhaus vorstellig. Die gynäkologische Abklärung blieb jedoch bei Virgo intacta ohne Befund, woraufhin die chirurgische Vorstellung erfolgte.

Die Patientin gab leichte Kopfschmerzen und Unterbauchbeschwerden an. Keine Übelkeit, Inappetenz oder Erbrechen. Stuhlgang und Miktio unauffällig. Die Unterbauchbeschwerden wären dauerhaft mit intermittierenden Spitzen.

Sie habe eine Vorgeschichte mit Migräne, die 1 bis 2 Mal im Monat auftreten und mit Fieber bis zu 39° C und Bauchbeschwerden einhergingen. Die derzeitigen Beschwerden wurden am Vortag als eine solche Episode interpretiert. Eine Blutentnahme wurde von dem Kind unter Protest verweigert, obwohl die Mutter über die Wertigkeit der Untersuchung aufgeklärt worden war.

Befund:

15-jährige Patientin in nur leicht reduziertem Allgemeinzustand. Temperatur 38,6°C Es fällt bei der Neonbeleuchtung ein leichter Sklerenikterus auf. Die Patientin bewegt sich im Untersuchungszimmer und bei Lagewechseln auf der Liege ohne sichtliche Beeinträchtigung. Das Abdomen tastet sich weich und ohne lokalisierbaren Druckschmerz. Bruchpforten geschlossen. Darmgeräusche regelrecht. Nierenlager frei.

Sono:

Normwertiger Befund der parenchymatösen Organe ohne freie Flüssigkeit. Nieren ohne Stau.

Labor:

Im Labor finden sich die folgenden pathologischen Werte:

Leukos

13.900

8000-10000

Thrombcyten

43000

110.000

CRP

179

<5

Bilirubin

2,9

<1

GPT

130

<30

Crea

3,0

<0,8

Quick

44%

100%

 Ihre Diagnose?

Samstag, 26. Dezember 2020

Oberarmfrakturen: Wann operieren?

Dislozierte Humerusfraktur: Warum operieren?

Bei geschlossener dislozierter Humerusschaftfraktur führt die konservative Behandlung zu ähnlich guten funktionellen Ergebnissen wie die Operation. Beide Verfahren haben jedoch Vor- und Nachteile, die man mit dem Patienten besprechen sollte.

In der Behandlung der dislozierten Oberarmschaftfrakturen besteht derzeit die Empfehlung zur operativen Versorgung. Damit lassen sich Pseudarthrosen weitgehend vermeiden. Andererseits ist es ein invasives Verfahren, bei dem operationstypische Komplikationen im Vordergrund stehen wie z.B. die iatrogene Radialisläsion oder die Infektion. Es muss daher im Einzelfall kritisch erwogen werden, welcher Patient von einer operativen Versorgung profitiert. Die Alternative stellt die konservative Frakturbehandlung durch eine Oberarmorthese dar. Ein Vergleich beider Verfahren i.B. auf ihre Wertigkeit haben nun Rämö et al vorgelegt.

In ihrer randomisierten Studie wurden beide Verfahren bei Patienten mit geschlossener dislozierter Humerusschaftfraktur miteinander verglichen. Dazu wurden 44 Patienten der Orthese-Gruppe zugelost, 38 der Op.-Gruppe. Das mittlere Alter lag in den beiden Gruppen bei 48 bzw. 50 Jahren bei vergleichbaren Frakturtypen, überwiegend AO/OTA-Typ A und nur geschlossene, isolierte Oberarmschaftfrakturen.

Das Ergebnis überraschte, denn beide Verfahren zeigten im Hinblick auf den primären Endpunkt im DASH-Score (Disabilities of Arm, Shoulder and Hand Score) keine signifikanten Unterschiede. Bei offener Reposition und Plattenosteosynthese lag der DASH nach einem Jahr bei 8,9 Punkten, in der Gruppe mit funktioneller Orthese bei 12 Punkten.

Die konservative Behandlung sah neben der Orthese eine Übungsbehandlung mit nicht belastender geführter Bewegungen von Ellbogen und Hand sowie Pendelbewegungen der Schulter vor. Nach drei Wochen wurden Schulterübungen durchgeführt, nach sechs Wochen die schrittweise Belastung.

Bei jedem vierten Patienten mit konservativer Therapie bildete sich innerhalb von zwölf Monaten eine Pseudarthrose. Bei den Patienten in der Op-Gruppe dagegen verlief die Heilung in allen Fällen "zufriedenstellend". Sie konnten den Arm postoperativ bewegen, sollten ihn aber sechs Wochen lang nicht belasten.

In jeweils einem Fall traten postoperativ schwerwiegende Ereignisse auf: ein Patient in der operierten Gruppe bildete eine Arrhythmie, bei einem Patienten in der Orthese-Gruppe trat eine Lungenembolie auf. Beide Patienten waren über 70 Jahre alt mit Begleiterkrankungen.

In drei Fällen der operierten Gruppe entwickelte sich eine N.-radialis-Lähmung, die sich innerhalb von 12 Monaten zurückbildete. Auch kam es zu 2 Wundinfekten, die antibiotisch behandelt werden mussten.

Auffallend im Verlauf der Studie war, dass sich 30% der Patienten aus der konservativen Gruppe in den zwölf Studienmonaten für einen operativen Eingriff entschlossen. Bei ihnen zeigten sich schlechtere Funktionswerte als bei den operierten. 

Die Autoren folgerten, dass der Heilungsverlauf nach initialer Op schneller vonstattengeht und besser vorhersagbar ist als nach Behandlung mit funktioneller Orthese. Im Constant-Murley-Score für Schulterschmerzen, Alltagsaktivitäten, Range of Motion (ROM) und Kraft betrug die Differenz auf der 100-Punkte-Skala nach sechs Wochen knapp 31 Punkte. Dies ist ein signifikanter Unterschied zugunsten der Op-Gruppe. Nach drei Monaten betrug die Differenz nur noch 15 Punkte, nach einem halben Jahr dagegen kaum noch 9 Punkte. Sie war damit nicht mehr signifikant.

Bei den operierten Patienten würden 97% wieder das gleiche Therapieverfahren wählen, während sich in der konservativ behandelten Gruppe lediglich 71% erneut ohne Operation behandeln lassen würden.

Daher empfehlen Rämö und Kollegen, die Entscheidung im Einzelfall zu treffen. Der Patient muss in der Lage sein, Vor- und Nachteile der beiden Vorgehensweisen zu kennen und gegeneinander abzuwägen.

 

Literatur: Rämö L et al. Effect of Surgery vs Functional Bracing on Functional Outcome Among Patients With Closed Displaced Humeral Shaft Fractures The FISH Randomized Clinical Trial. JAMA 2020; 323 (18): 1792‒180


Montag, 30. November 2020

Fall 70: Eine einfache Weber C Fraktur? Auflösung

 

Die klinischen Zeichen mit einem bimalleolären Druckschmerz bei der Untersuchung veranlassten die Durchführung eines CTs.






Hier fallen 3 Dinge auf:

1. Fibulafraktur Typ Weber C

2. Fraktur des hinteren Volkmann Dreiecks i.S. einer hinteren Syndesmosenverletzung

3. knöcherner Ausriss der vorderen Syndesmose


Fazit: 

Weber C Frakturen gehen in 100% mit einer Beteiligung der Syndesmose einher. Diese kann rein ligamentär reißen. Häufiger dagegen sieht man knöcherne Ausrisse des LFTA, seltener eine Beteiligung des hinteren Volkmann Dreiecks, das als knöcherner Syndesmosenausriss interpretiert werden muss. Oftmals ist die Evaluation am Röntgenbild nicht ausreichend. Wie in diesem Falle sellt sich nur die undislozierte Fibulafraktur dar und erst in der erweiterten Diagnostik die Begleitverletzung.

Es lohnt daher eine sorgfältige klinisch Untersuchung. Schmerzen bei der Palpation der proximalen Fibula lassen an eine Maisonneuve Verletzung denken, ein positiver Squeeze Test oder Frick Test an eine Syndesmosenbeteiligung. Druckschmerzen über dem Innenknöchel oder dem Deltaband lassen an eine komplexere Verletzung denken und an die Notwendigkeit einer erweiterten Dignostik. Gelegentlich finden sich kleine knöcherne Fragmente distal der Knöchelspitze, die an einen knöchernen Bandausriss denken lassen sollten. 

In der AP Übersicht des Sprunggelenkes gibt es 2 Landmarken: der mediale "clear space (MCS)" und der distale tibiofibulare overlap. Der MCS wird zwischen der medialen Talusschulter und dem Innenknöchel gemessen. Er sollte nicht weiter als 2,5mm sein. Eine Erweiterung ist verdächtig für eine Deltabandläsion. Bis 5mm besteht begründeter Verdacht, bei mehr als 5mm kann man von einer Ruptur ausgehen. Beim "overlap" gelten Erweiterungen ab 4 mm als verdächtig für eine Syndesmosenverletzung. In beiden Fällen gilt es die Gelenkkongruenz zu beachten. Kippt der Talus, sind Bandläsionen auszuschließen.


Fall 70: Eine einfache Weber C Fraktur?

 Ein 67-jähriger Patient stellt sich an seiner Frau gestützt humpelnd in der ZNA vor. Er wäre über einen Kantstein gestolpert und habe sich den Knöchel verletzt. Dieser wäre sofort dick geworden, schmerzhaft und lasse keine Belastung mehr zu.

Eigenanamnese:

Es bestehen keine Vorerkrankungen. Keine Medikamenteneinnahme

Befund:

Das linke Sprunggelenk ist fusiform geschwollen. Es besteht kein Druckschmerz über der proximalen Fibula, MFK 5 Basis, Calcaneus oder Mittelfuß. Ein Druckschmerz ist auslösbar über beiden Knöcheln. Die Achillessehen ist intakt. Es besteht eine functio laesa. Squeeze Test wird als schmerzhaft angegeben.

Diagnostik

Es werden Röntgenbilder vom li OSG angefertigt.





Diagnose?

Radiologisch stellt sich ein Frakturspalt oberhalb der Syndesmose dar. Damit kann die Fraktur als Weber C Fraktur klassifiziert werden. Weitere Auffälligkeiten bestehen nicht, oder?




Freitag, 25. September 2020

Fall 69: Geringer Sturz mit großen Folgen (Vorgehen)


CT: Es fällt eine "stumme Niere" links auf sowie eine inhomogene Milz mit Zeichen einer Ruptur bis zum Hilus. Es besteht der Verdacht eines Intimarisses der A. renalis.

Vorgehen
Aufgrund der beiden Befunde wird Kontakt mit der angiologischen Abteilung aufgenommen. Noch während der Planung wird der Patient instabil. In der BGA  fällt ein HB Abfall i. Vergl. zur Aufnahme um 4 g/dl auf. Es erfolgt die notfallmäßige Laparotomie mit der Milzexstirpation. Der Eingriff bestätigt eine komplexe Parenchymschädigung. Anschließend wird der Patient den Angiologen übergeben, die die A. renalis mit einem Stent überbrücken können. Der Patient erhält eine Antikoagulation für 8 Wochen mit ASS und Clopidrogel.

Als Folge der Splenektomie wurde entsprechend eine Impfung gegen Pneumokokken, Haemophilus influenzae Typ b und Meningokokken durchgeführt. Zusätzlich wird die jährliche Grippe-Impfung empfohlen, da durch eine Influenza-Infektion das Risiko von bakteriellen Sekundärinfektionen, insbesondere mit Pneumokokken, erhöht ist.

Fazit:
Die Kombination aus einer Milzläsion und einer Dissektion der A. renalis ist selten. Sie wird gelegentlich bei Hochrasanzverletzungen gesehen. In diesem Fall besteht die Verletzung mehr in einer seitlichen Dehnungsverletzung aus geringer Höhe. Prädisponiert hierbei ist die linke A. renalis, die über die Wirbelsäule zieht. Diese wirkt als Hypomochlion, wobei die Arterie einreißen kann. Bei unserem Patienten erfolgte dies als Dissektion. Die Therapie der Wahl ist heute das Einbringen eines Stents, die idealerweise innerhalb von 3 Stunden nach Trauma erfolge sollte. Die Prognose ist dann gut mit geringen Komplikationen, z.B. Thrombose, Niereninsuffizienz oder renale Hypertonie