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Samstag, 29. März 2014

Sind Antihypertensiva im Alter Sturzverursacher?

Wenn betagte Patienten antihypertensiv behandelt werden, ziehen sie sich häufiger Sturzverletzungen zu. Besonders hoch ist diese Gefahr bei Patienten, die früher bereits gestürzt sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Kohortenstudie der Yale School of Medicine in New Haven. 

Laut Mary E. Tinetti et al sind die Auswirkungen von schweren Traumen wie Hüftfrakturen und Kopfverletzungen auf Mortalität und Funktion vergleichbar mit denen von Schlaganfall und Herzinfarkt. Die Mediziner fordern deswegen, bei älteren Menschen mit mehreren chronischen Erkrankungen den Nutzen eine Hochdrucktherapie sorgfältig gegen die potenziellen Risiken abzuwägen.

Die Studienergebnisse basieren auf einer repräsentativen Stichprobe von 4961 über 70-jährigen Hochdruckpatienten, die nicht in einem Pflegeheim untergebracht waren. Von den Studienteilnehmern wurden 14,1% nicht blutdrucksenkend behandelt; 54,6% bzw. 31,3% der Patienten erhielten eine Hochdrucktherapie mit mittlerer bzw. hoher Wirkungsstärke (maximal bzw. mehr als 2,5 definierte Tagesdosen).

Innerhalb von drei Jahren kam es bei 446 Patienten (9,0%) zu schweren sturzbedingten Verletzungen wie Frakturen, Kopfverletzungen und Luxationen. 24,9% von ihnen starben, im Vergleich zu 16,1% der Teilnehmer ohne derartige Traumen. Von den Patienten ohne Antihypertensiva verletzten sich 7,5% bei einem Sturz, von den Patienten mit mittel- und sehr intensiver Hochdrucktherapie waren es 9,8% und 8,2%. Damit hatten sie, nach Abzug  anderer Einflüsse, ein um 40% bzw. um 28% höheres Risiko als unbehandelte Hypertoniker. Diese Risikosteigerung verfehlte allerdings die statistische Signifikanz. Für die Validität der Assoziation spricht aber eine Propensitätsanalyse, in der jedem unbehandelten Patienten mindestens ein vergleichbarer Patient aus den beiden anderen Gruppen zugesellt wurde. Hier lagen die 3-Jahres-Inzidenzen gravierender Sturzverletzungen bei 9,0% ohne Hochdruckmittel und bei 11,6% und 10,9% in den beiden Therapiegruppen.

Besonders risikobehaftet war eine antihypertensive Therapie für Patienten, die im Vorjahr gestürzt waren: Eine gravierende Sturzverletzung ereignete sich bei ihnen mehr als doppelt so häufig wie bei den unbehandelten Hypertonikern.

Alter und Geschlecht hatten dagegen keinen Einfluss auf das therapieabhängige Sturzrisiko. Ebenso wenig konnte eine einzelne Substanzklasse damit in Zusammenhang gebracht werden. Inwieweit die Höhe des Blutdrucks mit der Rate sturzbedingter Traumen korrelierte, ließ sich anhand der Studiendaten nicht feststellen.

Auch wenn ihre Studie keine definitiven Schlüsse über die Kausalität der beobachteten Assoziation zulässt, sehen Tinetti und Kollegen klinische Implikationen:  Wegen der potenziellen gegenläufigen Abhängigkeit zwischen schweren Sturzverletzungen und kardiovaskulären Ereignissen sollte die Entscheidung über eine Hochdrucktherapie bei alten Menschen – solange dazu keine randomisierten Studien vorliegen – an der „Präventionspriorität“ ausgerichtet werden.