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Samstag, 5. September 2015

Fall 46: Der dicke Finger: Juvenile Knochencyste

Das  Röntgenbild zeigt eine cystische Auftreibung im  Mittelglied mit einer Cortikalisunterbrechung i.S. einer symptomatischen Fraktur. Das Bild entspricht dem Befund einer "Juvenilen Knochencyste".

Diagnose: Juvenile Knochencyste des Fingers



Knochenzysten sind gutartige tumorähnliche Knochenläsionen, welche einen flüssigkeitsgefüllten und z.T. zellgefüllten Hohlraum im Knochen darstellen. Man unterscheidet in einfache (juvenile) Knochenzysten (EKZ) und aneurysmatische Knochenzysten (AKZ). Die Zysten können nach dem konventionell radiologischen (präoperativen) Befund bzw. dem Ergebnis einer Therapie eingeteilt werden. Die radiologische Einteilung der Knochenzysten erfolgt vor der Behandlung nach Enneking sowie im Verlauf einer Therapie bzw. nach dem Ende der Behandlung nach Capanna oder Neer.

Röntgenbefund vor der Behandlung (nach Enneking):
·         Stadium I: wenig aktiver / inaktiver Tumor von einer Kapsel umgeben („latent“)
·         Stadium II: aktive benigne Läsion mit ausgeprägtem Wachstum („active“)
·         Stadium III: aggressive benigne Läsion mit ausgeprägtem Wachstum („aggressive“).

Röntgenbefund im Verlauf der Therapie/ nach Ende der Behandlung (nach Capanna):
·         Grad I:  Zyste komplett geheilt, Corticalis verdickt
·         Grad II:            Heilung mit Residualzysten
·         Grad III: Rezidiv nach initialer Konsolidierung
·         Grad IV: kein Ansprechen auf die Therapie.

Röntgenbefund im Verlauf der Therapie/ nach Ende der Behandlung nach Neer:
·         Grad I:  100% Füllung der Zyste mit neuem Knochen
·         Grad II:            Partielle, verdickte Corticalis, osteolytische Herde < 3 cm
·         Grad III:  Rezidiv; kortikale Ausdünnung, osteolytische Herde > cm
·         Grad IV:  kein Ansprechen auf die Therapie.

Differentialdiagnostisch finden sich zystische Veränderungen bei:
·         Juvenile Knochenzyste

·         Aneurysmatische Knochenzyste

·         Fibröse Dysplasie

·         Osteosarkom

·         Chondroblastom

·         Riesenzelltumor oder braune Tumoren bei HPT

Bei der hier vorliegenden Form handelt es sich um  eine „juvenile Knochencyste“. Auffallend ist der Befall der Metaphyse eines langen Röhrenknochens. Bei dieser Csytenform handelt es sich um eine "einkammerige mehrere Zentimeter große osteolytische Knochenläsion, welche von einer Membran umgeben ist und zentral in den Metaphysen der großen Röhrenknochen" liegt. Im Inneren findet sich seröse oder nach Fraktur blutig-seröse Flüssigkeit. 65% der Zysten treten im ersten bzw. 20% im zweiten Lebensjahrzehnt auf, die jährliche Prävalenz liegt bei 0.3:100.000. Das Geschlechtsverhältnis m:w ist ca. 2:1

Bevorzugt werden die proximale Humerusmetaphyse (50%-70%) und die proximale Femurmetaphyse (25%) betroffen. Je nach Wachstum liegen die Zysten anfangs unmittelbar an der Wachstumsfuge („aktive Zyste“) und rücken mit dem Längenwachstum weiter in die Diaphyse („latente Zyste“). Bei älteren Patienten (> 20 Jahre) können auch die Patella, die Scapula und das Os ilium betroffen sein. Kalkaneuszysten sind morphologisch ähnlich, stellen allerdings eine eigene Entität dar. Die Beurteiliúng eines Frakturrisikos ist schwierig. Weder die Dicke der Kortikalis noch der Durchmesser der Zysten oder die radiologische Beurteilung der Zystenaktivität erlauben eine sichere Aussage über das Frakturrisiko. Bei größeren Zysten und bei Kleinkindern unter 5 Jahren wird von einem höheren Rezidivrisiko ausgegangen. 

Die Zysten können Zufallsbefund sein oder als (schmerzhafte) Schwellung bzw. Bewegungseinschränkung auffallen. 30-60% werden als pathologischen Fraktur symptomatisch.
Nach einer Fraktur heilen (nur) ca. 15% der Zysten spontan durch die Einblutung und das nachfolgende Remodelling. spontan unter konservativer Therapie aus, wobei Refraktur(en), Wachstumsstörungen und Deformitäten auftreten können. 

Es gibt verschiedene Therapieempfehlungen, jedoch keine verbindliche (siehe Leitlinien 006/029). Cürettagen werden als wichtiger Bestandteil einer Therapie angesehen, da sie im Vergleich zu Therapieoptionen ohne Cürretage die Chance auf Heilung erhöht.