Translate this page

Sonntag, 27. März 2016

Sport mit Endoprothese - Was geht?




Jährlich werden allein in der BRD ca. 300.000 Endoprothesen implantiert. Der größte Anteil entfällt auf Hüftendoprothesen, gefolgt von Knieendoprothesen und Endoprothesen an Schulter, Sprunggelenk und Wirbelsäule. 

Mit einer erhöhten Lebenswahrscheinlichkeit ist auch der Anspruch des Patienten an die OP gestiegen. Neben der Schmerzreduktion wird auch eine verbesserte Lebensqualität erreicht, die es dem Patienten ermöglicht, auch wieder Sport zu treiben. Mittlerweile sind die Empfehlungen zur Sportfähigkeit in Leitlinien verankert. Belastungen nach Endoprothesen wird sogar gewünscht, da sie über eine Verbesserung der Knochenqualität im Prothesenlager und der muskulären Gelenkstabilisierung einen positiven Einfluss auf das Knochenlager nimmt. Dennoch beruhen die Empfehlungen zur Sportfähigkeit derzeit eher auf persönlichen Erfahrungen als auf Evidenz basierten Studien. EBM Aussagen bestehen derzeit nur für Golf, Ski und Tennis. 

Vergleicht man Studien zur Sportfähigkeit nach einer Operation, so fällt der hohe Anteil von Patienten nach Hüft-TEP auf. Fast 83% der Daten fallen bei Patienten nach Hüft-TEP an, nur 14% bei Knie-TEP und 3% bei Schulter-TEP. Bei den allgemeinen Vergleichen fällt auf, dass sich Patienten nach einer TEP tendenziell für sogenannte Low-impact Sportarten entscheiden. Dies wird dadurch deutlich, dass die Vielzahl der präoperativen Sportarten abnimmt und Sportarten mit moderater Belastung häufiger genannt werden. Am beliebtesten erscheinen Radfahren, Wandern, Schwimmen und Gymnastik. 

Bei den Patienten mit einer Hüftendoprothese kommt es nach einer Operation zu einer Zunahme der sportlichen Aktivität. Auch hier werden Low-impact Sportarten bevorzugt angegeben, was sicherlich den ärztlichen Empfehlungen entspricht.

Erfreulicherweise finden sich keine Unterschiede bei Teil- und Totalendoprothesen am Kniegelenk. Die sportliche Aktivität nach einer Knieoperation stieg bei 70% der Patienten. Bevorzugt werden empfohlene Sportarten wie Wandern, Schwimmen, Gymnastik oder Radfahren. Es gibt vor allem Aussteiger aus den gewohnten Sportarten, z.B. Laufen, Tanzen, Kontaktsportarten, Ski oder Joggen, die in moderatere Bewegungsformen finden. Patienten, die ihre gewohnte Sportart jedoch weiterführen, verzeichnen i.d.R. einen Aktivitätszuwachs.

Erstaunliche Ergebnisse finden sich bei Schulterendoprothesen. Bei Schultersportarten wie Tennis, Squash oder Golf finden mehr als 70% der Operierten wieder in ihren Sport zurück. Grund für das gute Abschneiden liegt darin begründet, dass 64% der Patienten präoperativ den Wunsch geäußert hatten, die OP zur Erlangung ihrer Sportfähigkeit durchführen zu lassen.

Es leiten sich daraus Empfehlungen ab, Bewegungen mit hohen Rotationsmomenten und Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko zu vermeiden. Grundsätzlich sind die Empfehlungen in ständigem Fluss. Dem Patienten muss keine neu zu erlernende Sportart empfohlen werden. Vielmehr sollte er seinen Bewegungsablauf der jeweiligen Endoprothese und Sportart anpassen Golfspieler sollten daher ihren Schwung verkürzen, Spikes vermeiden und lieber den Caddy nutzen als das schwere Bag zu ziehen. Der Skifahrer sollte auf gute Wetterbedingungen achten, große Schwünge und flache Pisten vorziehen. Dies hilft, mechanische Belastungen zu minimieren und Luxationen zu vermeiden. 

Voraussetzungen an die Endoprothese sind eine stabile Verankerung und eine stabile muskuläre und ligamentäre Führung. Die Bewegungsabläufe sollten sicher sein und die Implantation länger als 6 Monate zurück liegen. Ein Sportverbot dagegen wird bei Infekt und die Stabilität ausgesprochen. Eine relative Kontraindikation besteht bei einem BMI>30 gesehen. Eine Revisionsendoprothese galt lange als absolute Kontraindikation, muss nun jedoch mit verbesserten Implantaten und OP-Techniken im Einzelfall erwogen werden.


Welche Sportarten sind geeignet?

Geeignet
Eingeschränkt geeignet
Nicht geeignet
Wandern
Aerobics(Sprünge)
Basketball
Walking / Nordic Walking
Alpiner Skilauf
Eisschnellauf
Radfahren (Cave! Sattelhöhe)
Kegeln / Bowling
Fussball
Individuelle Gymnastik
Krafttraining (Geräte)
Geräteturnen
Rudern / Paddeln
Laufsport
Squash
Tanzen
Reiten
Leichtathletik
Gymnastik
Tennis
Viele Ballsportarten
Schwimmen (Kraulbeinschlag)
Schießen
Tischtennis
Skilanglauf
Eislaufen
Hockey

Mittwoch, 23. März 2016

Kreuzbandriss - je eher die OP desto besser

 
Eine aktuelle Studie zeigt die Überlegenheit einer frühern Rekonstruktion einer Kreuzbandläsion gegenüber der konservativen oder konservativen Therapie. Ein stabiles Knie scheint zu weniger Spätschäden zu neigen als verzögert operierte oder konservativ behandelte.

Die Rekonstruktion gerissener vorderer Kreuzbänder hat offenbar einen protektiven Effekt für die betroffenen Knie, wenn man das konservative Vorgehen als Vergleich heranzieht. Dies geht aus Studienergebnissen hervor, die Thomas Sanders von der Mayo Clinic in Rochester zusammen mit Kollegen erarbeitet hat. In die retrospektive Untersuchung wurden 964 Patienten mit gerissenen und 964 gematchte Kontrollpersonen mit intakten vorderen Kreuzbändern einbezogen. Die Studienteilnehmer waren im Mittel 28 Jahre alt.

Bei 509 Patienten wurden die rupturierten Kreuzbänder relativ früh und bei 91 verzögert (nach einem Jahr oder später) rekonstruiert, 364 Patienten wurden konservativ behandelt. Die Nachbeobachtung dauerte knapp 14 Jahre. In dieser Zeit erlitten 37,4 % der nach einem Kreuzbandriss nicht operierten und 8,2 % der operierten Patienten eine sekundäre Meniskusverletzung. Das Risiko nach Verzicht auf einen Rekonstruktionseingriff war damit – unter Einbezug von Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht und initialem Meniskusschaden – im Vergleich 5,4-fach erhöht (Hazard Ratio [HR] 5,4). Eine symptomatische Arthrose entwickelten 31,6 % der Nichtoperierten und 8,5 % der Operierten (HR 6,0). Mit Blick auf die Notwendigkeit eines totalen endoprothetischen Kniegelenkersatzes betrugen die Quoten 6,9 % und 0,5 % (HR 16,7).

Je eher desto besser
Die Ergebnisse nach früher Rekonstruktion fielen zudem günstiger aus als nach verzögerter Operation. Meniskusschäden traten nach Letzteren rund viermal, Arthrosen rund sechsmal häufiger auf. Die Raten betrugen 19,8 % vs. 6,1 % (Meniskusläsionen) und 22,0 % vs. 4,5 % (Arthrose).

Dennoch verhinderte auch die frühe Rekonstruktion gerissener vorderer Kreuzbänder nicht alle Folgen, wie der Vergleich mit den Kontrollen ohne Kreuzbandriss zeigte. Das Risiko, bis zum Ende der Nachbeobachtungszeit eine Diagnose arthrotischer Knieveränderungen gestellt zu bekommen, war trotz früher Operation 4,9-fach gesteigert; die Quoten lagen bei 4,5 % vs. 1,2 %. Hinweise auf spätere Arthrose nach einem Riss des vorderen Kreuzbandes gaben ein Alter von über 21 Jahren zum Zeitpunkt der Verletzung, bestehende Knorpelschäden und mediale oder laterale Meniskusrisse.







 Sanders TL et al. Is Anterior Cruciate Ligament Reconstruction Effective in Preventing Secondary Meniscal Tears and Osteoarthritis? Am J Sports Med 2016; online 8. März; doi: 10.1177/0363546516634325

Freitag, 19. Februar 2016

Politiker schlafen zu wenig - und Ärzte?

Ein interessanter Artikel im Focus beschäftigt sich mit Schlafmangel und der Entscheidungsfähigkeit von Politikern. Müssen wir uns Sorgen machen? Und - warum gilt es nicht auch für Ärzte. Tauschen wir doch einfach mal den Begriff Politiker durch Ärzte aus: 


Ärzte schlafen zu wenig, Ärzte treffen Entscheidungen oft übermüdet. Das kann dramatische Folgen haben, sagt der Schlafmediziner Hans-Günter Weeß. Übermüdet tendiere der Mensch dazu, von seinen ethisch-moralischen Grundsätzen abzurücken und risikofreudiger zu werden – weil er einfach nur ins Bett will.
In Diensten (Original "Große Konferenzen)spielt Schlaf eine große Rolle - gerade, weil er dort viel zu kurz kommt. Durch mehrstündiges Arbeiten (Verhandlungen) wird teilweise völlig auf Schlaf verzichtet.Das hat nicht nur gesundheitliche Folgen, sondern kann auch als taktische Waffe eingesetzt werden, wie uns Dr. Hans-Günter Weeß, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, bestätigt.
Frage: Herr Weeß, SpitzenÄrzte schlafen oft nur vier bis sechs Stunden. In Diensten (Original: Auf Gipfeltreffen wie aktuell in Brüssel) werden Beschlüsse oft in nächtlichen Sitzungen gefasst. Werden wir schlechter behandelt, weil der Arzt (Orginal: die Bundeskanzlerin) zu wenig schläft?
Dr. Hans-Günter Weeß: Entscheidungen, die übermüdet getroffen werden, sind zumindest kritisch zu hinterfragen. Gerade in Dienten (auf Gipfeln) neigen Ärzte zu wenig Schlaf. Manchmal sieht man (im Fernsehen), wie sie dösen oder mal kurz wegnicken. Das ist insofern bedenklich, weil in einer Umfrage unter Spitzenkräften in Politik und Wirtschaft 57 Prozent zugegeben haben, dass sie schon einmal bedeutende Zugeständnisse gemacht haben – nur weil sie übermüdet waren.
Was passiert mit dem Körper, wenn er zu wenig Schlaf bekommt?
Das ist dauerhaft schädlich für das Herz-Kreislauf-System, das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes und Schlaganfälle steigt. Auch die Gefahr für psychische Erkrankungen wie Depressionen nimmt zu. Schließlich können sich Schlafstörungen entwickeln.

Und wie wirkt sich eine nächtliche Marathonsitzung aus?
Das ist purer Stress. Wenn Sie 17 Stunden am Stück wach sind, entspricht ihr Reaktionsvermögen einem Menschen mit 0,5 Promille Blutalkohol. Nach 22 Stunden ununterbrochenem Wachsein ist es schon ein Promille. Die Fehlerquote nimmt ab mehr als neun Stunden Arbeit am Stück enorm zu, auch die Entscheidungsfähigkeit wird beeinflusst: Übermüdet verlassen wir unsere ethisch-moralischen Grundsätze, weil der Körper einfach nur ins Bett will. Gerade im Dienst (in der Politik) ist das natürlich höchst bedenklich.

Wenn Sie hören, dass eine wichtige Entscheidung in einer nächtlichen Sitzung getroffen wurde, was denken Sie dann?
Dass sich derjenige durchgesetzt hat, der am längsten wach bleiben konnte. Und das muss nicht unbedingt derjenige mit den besseren Argumenten sein.

Sollte uns diese Erkenntnis nicht beunruhigen?
Zu mehr Vertrauen in Ärzte (die Politik) führt sie ganz bestimmt nicht.

Stimmt es, dass wichtige medizinische Entscheidungen oft aus strategischen Gründen an das Ende des Tagesablaufs gesetzt werden?
Ja. Manche Ärzte nutzen angeblich das Wissen um den Schlaf. Sie setzen wichtige Punkte an das Ende einer langen Sitzung. In der Hoffnung, dass sie ihre Positionen dann besser durchsetzen können.
Wäre die Welt besser (oder friedlicher), wenn die Ärzte mehr schlafen würden?
Das ist eine interessante Frage. Ich vermute, dass medizinische Entscheidungen manchmal profunder wären. Studien zeigen: Je schläfriger der Mensch ist, umso risikofreudiger wird er auch. Ausgeschlafen wäre so manche riskante Entscheidung womöglich nicht getroffen worden.

Sie plädieren für mehr Mittagsschlaf. Sollten wir uns an Südeuropa orientieren, wo schon mal eine Siesta gehalten wird?
Der asiatische Raum könnte uns da ein Vorbild sein. Dort gilt Schlaf im Alltag und Berufsleben als normal, bei uns wird er dagegen geächtet. Dabei kann ein kurzes Nickerchen zwischendurch Wunder wirken. Wir werden leistungsfähiger, kreativer, die Aufmerksamkeit steigt und wir machen weniger Fehler. Ich plädiere dafür, dass deutsche Unternehmen für ihre Angestellten mehr Ruheräume einrichten.

Gibt es ein Land, dessen Schlafkultur Ihrer Vorstellung entspricht?
Das wären schon Japan und China, wo sich niemand für Schlaf am Arbeitsplatz schämt. Allerdings wird dort im internationalen Vergleich auch überdurchschnittlich viel gearbeitet und weniger Wert auf Freizeit gelegt.

So geht es meist auch SpitzenÄrzten hierzulande. Was würden Sie einer Bundesministerin oder einem Bundesminister entgegnen, der Ihnen sagt: "Ich schaffe meine Arbeit nicht, wenn ich acht Stunden schlafe"?
Ich hätte durchaus Verständnis dafür, weil man in diese Positionen offenbar nur gelangen kann, wenn man sein Schlafbedürfnis zurückstellt. Allerdings habe ich grundsätzlich mehr Vertrauen in Ärzte, die ausreichend schlafen. Weil sie auch in nächtlichen Sitzungen weniger Fehler machen und auf ihren ethisch-moralischen Grundsätzen beharren.

Montag, 15. Februar 2016

Der akute Notfall nach fast food nuggets

Fast Food Chicken Nugget läßt Speiseröhre reißen

 
Immerhin entsteht ein knochenfreies Stück Klebefleisch, das beim Schlucken keine Probleme verursaachen sollte.

Jetzt wird jedoch von einem 25-jährigen Kanadier berichtet, dem sein Nugget buchstäblich im Hals stecken blieb. Blass, kurzatmig und mit epigastrischen Schmerzen wurde der junge Mann in der Notaufnahme des Toronto General Hospital vorgestellt. Ene Stunde zuvor hatte er eine Portion Chicken Nugget gegessen. Dabei habe er einen scharfen, kratzenden Schmerz empfunden. Erbrochen habe er nicht.
Bei der körperlichen Untersuchung fiel ein peritonistischer Druckschmerz im Epigastrium auf. Die Atemgeräusche waren regelrecht, die Laborwerte weitgehend unauffällig, abgesehen von einer leichten Erhöhung der Leukozyten, des Bilirubins und der Amylase.
Aufschlussreicher war das Röntgenbild des Thorax mit freier mediastinaler Luft und einen linksseitigen Pleuraerguss. Fremdkörper im Ösophagus oder freie Luft im Abdomen waren nicht festzustellen. Die Computertomografie zeigte dann aber eine Ruptur des distalen Ösophagus mit Kontrastmittelaustritt, ein Pneumomediastinum und einen Plauraerguss links.
Nach der Verordnung von Nahrungskarenz, Flüssigkeit i.v. und Breitspektrumantibiotika erfolgte die Ösophagoskopie. Die Diagnose einer nichtiatrogenen distalen Ösophagusruptur, eines Boerhaave-Syndroms, konnte dabei bestätigt werden. Der Patient erhielt einem Ösophagusstent zur Abdeckung der Perforation und eine Drainage des Mediastinums.
Nach fünf Tagen traten Fieber und Leukozytose mit und zunehmenden Brustschmerzen auf. Das CT zeigte diesmal einen Mediastinalabszess und einen rechtsseitigen Erguss. Den Abszess drainierten die Thorachirurgen, zugleich dekortizierten sie den rechtsseitigen Pleuraraum. Drei Wochen später konnte der Stent entfernt werden, die Ruptur des Ösophagus war verheilt.
Das Boerhaave-Syndrom hat eine hohe Letalität. Sie können sich ereignen, ohne dass Erbrechen, Anfälle oder chronischer Husten in der Anamnese auftauchen. Auch ohne einschlägige Anamnese kann sich ein Boerhaave-Syndrom entwickeln und in 20% und 75% tödlich verlaufen. Der Verdacht besteht bei Kurzatmigkeit und epigastrischen Schmerzen.

Offenbar können aber auch knochen- und schalenfreie weiche Nahrung wie etwa ein Chicken Nugget den intraösophagealen Druck derart erhöhen, dass es für eine Ruptur ausreicht.
Vom Nugget-Erfinder Robert Baker übrigens wird kolportiert, er habe zunächst wenig darauf gegeben, ob Menschen seine Kreationen bekömmlich fanden. Nur wenn der Hund sie nicht fraß, sei er zur Überarbeitung nochmals zurück in sein Labor gegangen.





Aga Z et al. An unusual case of spontaneous esophageal rupture after swallowing a boneless chicken nugget. Case Rep Emerg Med 2016, online 10. Januar

Donnerstag, 7. Januar 2016

Fall 51: Blickdiagnose: Hodenschwellung

Ein 73-jähriger rüstiger Rentner wird durch den Rettungsdienst vorgestellt. Am Morgen habe er beim Aufstehen einen stechenden Schmerz im rechten Hoden gespürt. Die Bewegungen fallen nun schwer.

Eigenanamnese:
Es werden keine Allgemeinsymptome geklagt. Keine Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Stuhl- oder Miktionsunregelmäßigkeiten. Kein Gewichtsverlust.
An Vorerkrankungen wird ein Hypertonus mit entsprechender Medikation angegeben. Es wird Xarelto "bei Bedarf" eingenommen.

Untersuchung:
Es findet sich dieses Bild!


Palpatorisch fällt eine derbe und schmerzhafte Schwellung im linken Skrotalfach auf. Keine Rötung oder Überwärmung. Der Befund ist nicht reponibel.

Sonografisch finden sich diese Bilder:






Ihre Diagnose?

Sonntag, 13. Dezember 2015

Fall 50:Wadenschmerz - Nicht immer Durchblutungsstörungen Teil I

Als Notfall wurde der78-jährige Arno K. in der Ambulanz vorgestellt. Der rüstige Rentner gab an, seit 6 Monaten zunehmend schlechter laufen zu können. Seine Gehstrecke hätte sich auf  300 Meter reduziert. Er bekomme Schmerzen in den Waden, die erst nach einer längeren Pause wieder nachließen. Seine Beine fühlten sich dann schwer an und würden brennen.

Eigenanamnese:
Es besteht ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus seit 8 Jahren. Bekannter Hypertonus. Z.n. Leistenbruch OP vor 5 Jahre, Appendektomie als Kind. Kein Kontrollverlust über Blasen- und Mastdarmfunktion. An den Armen wären vor zwei Wochen Kribbelparästhesien aufgetreten. Keine periphere Schwäche, Gewichtsverlust oder B-Symptomatik.

Befund:
Bei der körperlichen Untersuchung fanden sich an den oberen Extremitäten keinerlei sensiblen oder motorischen Einschränkungen. Keine Varicosis, keine tophischen Störungen. Die Muskeleigenreflexe waren normal. Peripherer Pulsstatus mit gut palpaben Fußpulsen. An den unteren Extremitäten unerschöpflicher Klonus des Achillessehnenreflexes bei passiver Dorsiflexion im OSG. Sensibilität und Kraft waren erhalten.

Dopplersonografisch sind die peripheren und Leistenpulse gut darstellbar.



Was vermuten Sie?

Fall 50: Wadenschmerzen - Nicht immer Durchblutungsstörungen II

Cave! Wegen der Dysäthesien in den Armen denken Sie auch an eine cervicale Myelopathie:



Radiologisch fanden sich degenerative Veränderungen der HWS. Das Labor mit Entzündungszeichen und die übrigen Parameterlagen im Normbereich. Wegen der auffallenden neurologischen Störung wurde ein MRT der ganzen Wirbelsäule angeschlossen.


Der Befund war überraschend. Es zeigte sich eine cystische und umschriebene Raumforderung in Höhe des 4.Halswirbels. In den axialen Aufnahmen projizierte sie sich in den posterolaterlen Spinalkanal. Sie hatte Bezug zu den Facettengelenken, so dass von einer Gelenkcyste ausgegangen werden konnte.

Die Kompression des Rückenmarks im zervikalen Spinalkanal ist die häufigste Myelopathie des höheren Lebensalters. Sie ist durch eine Einengung des Halsmarks im Spinalkanal gekennzeichnet. Typischerweise besteht eine konstitutionelle Prädisposition in Form eines engen Spinalkanals. Erworbene Faktoren können hinzutreten und das Auftreten einer Myelopathie fördern. Am häufigsten sind degenerative spondylotische Veränderungen, die bereits ab der 2.Lebendekade beginnen.

Leitsymptom ist eine langsam zunehmende spastische Gangstörung, kombiniert mit sensiblen Störungen an den Beinen. Die Symptome sind häufig auch mit Nervenwurzelkompressions-syndromen kombiniert. Dann finden sich auch Sensibilitätsstörungen oder motorische Beeinträchtigungen der Arme.

Die Diagnostik beginnt mit einem nativen Röntgenbild der HWS. Hier können bereits degenerative Veränderungen deutlich werden und die Weite des Spinalkanales abgeschätzt werden. Veränderungen und klinische Symptome korrelieren jedoch nicht.

Zur Beurteilung des Spinalkanales, insbesondere in der unteren HWS, ist das MRT vorteilhaft. Einengende bindegewebige oder knöcherne Umgebungsstrukturen oder die Atrophie des Rückenmarkes lassen sich zuverlässig darstellen. Weitere Untersuchungen können ein Myelo-CT oder ein EMG in Kombination mit somatosensibel evozierten Potenzialen sein.

Das alleinige Vorhandensein eines engen Spinalkanales ohne neurologische Symptome bedeutet noch nicht die Diagnose der Myelopathie und erfordert keine weiteren Interventionen. Erst bei Beschwerden ist Vorsicht geboten. Der Verlauf ist dann chronisch und selten akut. Das Tempo und Ausmaß sind von der jeweiligen Grunderkrankung abhängig und sehr variabel. Dies beeinflusst auch neben dem Alter des Patienten und dem Allgemeinzustand die Prognose und die Indikation für das jeweilige Vorgehen.

Treten neurologische Ausfälle auf, die rasch progredient sind, ist die OP indiziert. Als Operationsmethode stehen je nach Ausdehnung der spinalen Stenose verschiedene operative Verfahren zur Verfügung. Bei kurzen Stenosen, die sich über ein oder zwei Segmente erstrecken, bietet sich ein anteriorer Zugang an. Längerstreckige Veränderungen werden von posterior angegangen. Sie bieten den Vorteil der zusätzlichen Erweiterungsmöglichkeiten.

Die postoperative Erfolgsrate in den ersten 6 Monaten beträgt 50 bis 75%. Langfristig treten bei jeweils einem Drittel eine Verbesserung, eine Stabilisierung auf präoperativem Niveau oder keine Verbesserung ein. Für die Prognose entscheidend ist die Dauer und das Ausmaß der Halsmarkschädigung. Die Komplikationsrate beträgt 2 bis 7%.