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Montag, 2. Dezember 2013

Hypothetische Einwilligung schützt vor Schadensersatzansprüchen

Kein Schadenersatz: Hypothetische Einwilligung genügt

Bei einer Spritzentherapie wegen Plexusneuritis kam es zu Komplikationen - keine Haftung trotz inkompletter Aufklärung, urteilte das OLG Hamm. 
Kommt es bei einer fehler- und alternativlosen Behandlung zu Komplikationen, haben Patienten trotz eventuell fehlerhafter Aufklärung keinen Anspruch auf Schadenersatz.
Wenn von einer hypothetischen Einwilligung eines Patienten in eine fehlerfrei durchgeführte Behandlung ausgegangen werden kann, hat dieser dann auch bei nicht ordnungsgemäßer Aufklärung keinen Anspruch auf Schadenersatz. Das hat das Oberlandesgericht Hamm (OLG) entschieden.
Eine Frau litt an einer Plexusneuritis und war begleitend zu einer stationären Kortisontherapie mit Heparin behandelt worden, das injiziert wurde.

Weil sich im Verlauf der Behandlung Hämatome in der Rektusscheide und im Becken gebildet hatten, verklagte die Patientin das Krankenhaus auf 30.000 Euro Schmerzensgeld. Sowohl das Landgericht als auch das OLG wiesen die Klage zurück. Eine Haftung der Klinik liege nicht vor, weil die Klägerin der Heparinbehandlung wohl auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zugestimmt hätte, entschieden die OLG-Richter.

Zwar müsse der Arzt beweisen, dass die Voraussetzung der hypothetischen Einwilligung vorgelegen haben. Wenn eine Ablehnung der Behandlung medizinisch unvernünftig gewesen wäre, müssen allerdings die Patienten plausible Gründe für einen echten Entscheidungskonflikt vorlegen. Das sei der Klägerin hier nicht gelungen.

Keine Aufklärung für extrem seltenes Ereigniss
Nach Angaben des medizinischen Sachverständigen musste die Kortisontherapie mit einer Heparinbehandlung begleitet werden, um Thrombosen und Embolien entgegenzuwirken.
Da die Patientin infolge der Nervenentzündung unter erheblichen Beschwerden litt und drohende bleibende Nervenschäden vermieden werden sollten, sei ihre Motivation groß gewesen.
Demgegenüber seien die Risiken der Heparingabe relativ gering gewesen. Über das Risiko eines Rektusscheidenhämatoms sei nicht aufzuklären gewesen, da es extrem selten sei und in aller Regel folgenlos ausheile, urteilten die Richter.

Außerdem war die Frau bereits zuvor ohne erhebliche Komplikationen mit Heparin behandelt worden.
Ärztliche Fehler bei der Verabreichung des Heparins und der Behandlung der Komplikationen konnte das OLG nicht feststellen.
Az.: 3 U 54/12

Wer kennt "Einstein's sign"?

Albert Einstein (1879–1955) war nicht nur ein genialer Physiker, er ist auch in die Medizingeschichte eingegangen — zumindest im angloamerikanischen Sprachraum: Das „Einstein Sign“, ein kolikartiger rechtsseitiger Oberbauchschmerz, gilt dort als Schlüsselsymptom für den Verdacht auf ein Bauchaortenaneurysma.
Es ist immer wieder kolportiert worden, dass Albert Einsteins rupturiertes Bauchaortenaneurysma als Cholezystitis fehlgedeutet worden und er womöglich deswegen gestorben sei. Dies galt als einprägsame Warnung vor der häufig falsch interpretierten, äußerst heterogenen Symptomatik abdominaler Aortenaneurysmen, die bis heute mit ein Grund dafür ist, dass diese Situationen womöglich tödlich enden. Ob die Geschichte von der Fehldiagnose so stimmt, kann man allerdings bezweifeln.
Denn zunächst hatte der deutsche Chirurg Rudolph Nissen, bis heute bekannt für die von ihm entwickelte Antirefluxplastik bei Hiatushernien, im Dezember 1948 am Brooklyn Jewish Hospital bei Einstein eine explorative Laparatomie vorgenommen. Der Grund war dessen seit Jahren immer wieder auftretenden Bauchbeschwerden, teilweise mit Erbrechen.

Bauchaortenaneurysma von der Größe einer Männerfaust
Während der Op. entdeckte Nissen ein Bauchaortenaneurysma von der Größe einer Männerfaust. Die einzige effiziente zu dieser Zeit zur Verfügung stehende Behandlungsmethode war, die Aortenwand mit Cellophan zu umhüllen, um die unabwendbare Ruptur soweit als möglich hinauszuzögern. Die Folie sollte eine intensive Fremdkörperreaktion mit folgender Fibrosierung hervorrufen und so die Aortenwand stabilisieren.

Die Operationsmethode war gerade erst entwickelt und verschiedene Cellophan*-Kunststofffolien erfunden worden. Eine starke Gewebereaktion konnte man vor allem mit Polyethylen-Folie erreichen. Damit waren Mitte der 1940er-Jahre mehrfach thorakale Aortenaneurysmen erfolgreich stabilisiert worden. Mit der Polyethylen-Folie wurde der Aneurysma-Hals umwickelt und die Cellophan-Folien von vorn auf dem Aneurysma-Sack platziert. Einstein bescherte der Eingriff noch mehr als sechs produktive Jahre. Er erholte sich von der Op. schnell und hatte fortan zunächst nur geringe Beschwerden. Etwa 1954 traten gelegentlich Rückenschmerzen und Bauchschmerzen im oberen rechten Quadranten auf. Letztere wurden als „chronische Cholezystitis“ interpretiert.

Hinzugezogen wurde nun auch der Chef der Chirurgie am New York Hospital-Cornell Medical Center, Frank Glenn: „Die Untersuchung ergab, dass er ein sich vergrößerndes abdominales Aneurysma hatte. Eine Operation war dringend angezeigt.“ Glenn, der bereits Erfahrung mit einigen Aneurysma-Resektionen und Transplantation von aus Leichen entnommenen Gefäßen hatte, verbrachte den Tag mit Einstein. „Er sagte mir, dass er lange genug gelebt habe, immer viel beschäftigt gewesen sei und stets das Leben genossen habe. Warum er sich denn all die Umstände einer Operation antun solle.“ Einstein sagte nach Glenns Angaben: „Ich möchte gehen, wann ich will. Es ist geschmacklos, das Leben künstlich zu verlängern. Ich habe meinen Beitrag geleistet, nun ist es Zeit zu gehen. Ich werde dies auf elegante Art und Weise tun.“ Einstein starb in den frühen Morgenstunden des 18. April 1955 im Princeton Hospital, New Jersey. Die Autopsie bestätigte das Vorhandensein eines großen Bauchaortenaneurysmas. Die Gallenblase war durch die Blutung komprimiert worden, dies hatte die Cholecystitisartigen Schmerzen verursacht.

Abdominelles Aortenaneurysma — ein diagnostisches Chamäleon
Mehr als 90% aller Aortenaneurysmen finden sich unterhalb der Nierenarterien-Abgänge. Die Trias aus Bauch- und/oder Rückenschmerzen mit einem tastbaren pulsierenden Tumor im Abdomen und Hypotonie gilt als nahezu sicherer klinischer Hinweis auf das Vorliegen eines Bauchaortenaneurysmas. Allerdings weist nur eine Minderheit symptomatischer Patienten diese Trias auf. Und 80% der betroffenen Menschen sind asymptomatisch. Gibt es Symptome, landen die Patienten unter Umständen bei allen möglichen Fachärzten, nur nicht beim Gefäßchirurgen, zum Beispiel
  • beim Urologen wegen einer scheinbaren Ureterkolik oder Hämaturie,
  • beim Orthopäden wegen therapieresistenter Rückenschmerzen
  • beim Neurologen wegen femoraler Neuropathie,
  • beim Kardiologen wegen Herzinsuffizienz oder wegen des Verdachts auf Herzinfarkt,
  • beim Gastroenterologen wegen angeblicher Pankreatitis, akuter Divertikulitis oder wegen unerklärlicher gastrointestinaler Blutungen, oder
  • beim Viszeralchirurgen wegen des Verdachts auf eine akute Cholezystitis oder eine inkarzerierte Leistenhernie.
Ursache dafür können der Druck auf verschiedene Nerven, Gefäße und andere Organe sein, deren Auswirkungen zunächst an andere Krankheiten denken lassen. Rückenschmerzen und diffuse Bauchschmerzen, die in das Becken ausstrahlen, müssen an ein expandierendes Aneurysma denken lassen. Auf LWS-Röntgenaufnahmen sind prävertebrale Verkalkungsstrukturen verdächtig.

Tiefe abdominelle Schmerzen, ein akutes Abdomen oder therapieresistente Rückenschmerzen mit Schockzeichen infolge des Blutverlustes deuten auf eine Ruptur hin. Gesichert wird die Diagnose per Abdomen-Sonographie und/oder Computertomographie mit Kontrastmittel. 

 Da mit zunehmendem Durchmesser eines abdominellen Aortenaneurysmas das Rupturrisiko schnell ansteigt, wird im Allgemeinen ab 4,5 cm bei Frauen und ab 5 cm bei Männern operiert, unter anderem auch in Abhängigkeit von der Lokalisation des Aneurysmas, seiner Morphologie und der Geschwindigkeit der Querschnittszunahme. Die konventionelle Operation besteht in der Implantation einer Rohrprothese oder einer Y-Prothese, wenn die Beckenarterien ebenfalls involviert sind. Seit 1990 wird alternativ dazu die endovaskuläre Implantation von Stentprothesen praktiziert. Kurzfristig scheinen Patienten in der Tat von diesem weniger invasiven Vorgehen zu profitieren, etwa mit einer verringerten 30-Tage-Mortalität oder postoperativ verbesserter Lebensqualität. Langfristig sind bislang jedoch keine Vorteile des endovaskulären Vorgehens nachgewiesen worden, was die Mortalitäts- und Morbiditätsraten sowie Therapieversager angeht. Die 2004/2005 publizierte britische EVAR-I-Studie hatte langfristig sogar deutlich erhöhte Komplikationsraten nach endovaskulärer Therapie ergeben. Weitere Studien laufen.


Surg Gynecol Obstetr 1990, 170: 455-458; New Engl J Med 1984, 310: 1538; Medscape Surg 2002, 4 (1) online; Postgrad Med J 1993; 69: 6-11; Klinik für vaskuläre und endovaskuläre Chirurgie, TU München; Dt. Ärztebl 2002, 99 (17): A1160–A1167; www.webop.de

Montag, 18. November 2013

Fall 27: Blickdiagnose:: Der schmerzhafte Oberschenkel


Gegen 23.20 Uhr wird ein 51-jähriger Mann unter der Verdachtsdiagnose „Femurfraktur“ mit dem RTW eingeliefert.
Der Patient gibt an, zwei Treppenstufen verfehlt zu haben und auf das rechte Bein gefallen zu sein. Dabei habe er „Knacken“ im Oberschenkel verspürt. Anschließend konnte er das Bein nicht mehr belasten.

Eigenanamnese:
Bek. D. mellitus Typ I,  artrerieller Hypertonus, 2007 OP wegen Bicepssehnenruptur, 2012 partielle Nierenresektion wegen eines Nierenzellkarzinomes mit R0-Entfernung in-toto. Die Nachuntersuchungen waren bislang ohne Hinweis auf ein lokales Rezidiv.

Körperlicher Befund:
51-jähriger Pat in gutem AZ und adipösem EZ. Größe 185 cm, Gewicht 129 kg.
Das rechte Bein liegt normal ohne Rotationsstellung oder sichtbare Verkürzung. Keine Achsabweichung. Keine Weichteilschwellung. Kein Zug- oder Stauchschmerz. Kniegelenk ohne palpablen Erguß. Kein knöcherner Druckschmerz über den distalen Femurkondylen, Patella oder Tibia. Bewegungsprüfung des Kniegelenkes wurde als schmerzhaft angegeben. Der Patient kooperierte nicht bei der Bitte der Beugung und Streckung. Schmerzbedingt wurde das Gelenk geschont.
Es fand sich bei der seitlichen Ansicht dieser Befund:


Fall 27 Blickdiagnose: Quadricepssehnenruptur



Sie gehen auf Nummer sicher und veranlassen ein Röntgen des Oberschenkels mit Kniegelenk, um die Fraktur auszuschließen, auch wenn Sie bei der Untersuchung Zweifel haben sollten.

Das Röntgenbild ist blande ohne Hinweis für eine Fraktur oder einen metastatischen Knochenbefall.

Jetzt tasten Sie noch einmal das Knie nach. Hier findet sich nur in Beugung eine tastbare Delle am oberen Patellarand. Es besteht ein Unvermögen, das gestreckte oder selbst in bequemerer Beugehaltung das Knie zu halten, geschweige denn gegen Widerstand zu strecken.

Sie hegen den Verdacht einer Ruptur der Quadricepssehne.


Hiervon betroffen sind häufiger ältere Patienten mit degenerativen Veränderungen der Sehne. Mitverursachend sind gelegentlich Stoffwechsel- und Durchblutungsstörungen, wiederholte "Mikrotraumen" und -gelegentlich- wiederholte Injektionen in die Sehne.

Als nächstes könnten Sie sonografieren. Hierbei läßt sich einerseits die Ruptur und eine mögliche Dehiszenz darstellen Es fand sich eine Ruptur mit intaktem Peritendineum und einer Lücke von 3 cm.

Und nun?
Müssen Sie operieren?

Fall 27 Blickdiagnose Quadricepssehnenruptur (Therapie)



Durch den Muskelzug und die Diastase von 3+ cm erscheint eine konservative Behandlung nicht aussichtsreich.

Bei diesem Patienten macht die Spontanruptur der Bicepssehne bereits stutzig. Der Patient hat mit seinem Diabetes einen wesentlichen Risikofaktor für eine Sehnenaffektion. Er muss über eine erhöhtes Risiko für eine Re-Ruptur aufgeklärt werden. Eine kontraindikation leitet sich daraus jedoch nicht ab.

Intraoperativ stellte sich die Sehne als komplette Ruptur mit Zerreißung der Retinacula dar. Die Rupturstelle lag 1 cm über dem oberen Patellarand, so dass Substanz für eine End-zu-Endnaht vorlag. Alternativ können Fadenanker verwendet oder die Nähte ossäre durch den Patellarand geführt werden.

Die Nachbehandlung besteht in einer Immobilisierung des Kniegelenkes in einem Brace mit den initialen Bewegungsausmaßen 0-20° für 6 Wochen. Der Patient darf stehen und an UAG abrollen. Danach efolgt die 2-wochenweise Bewegungssteigerung bis 90° und ab der 10. Woche die Freigabe und Vollbelastung. Nach drei Monaten dürfen moderate Laufübungen begonnen werden. Die Sportfreigabe erfolgt nach 6 Monaten.

Dienstag, 12. November 2013

Tennisarm: Was bringt TENS?

Der Tennisellenbogen ist die häufigste Erkrankung des Ellenbogens. Die Patienten leiden unter lokalisierten Schmerzen im Bereich des Epicondylus lateralis sowie Funktionseinschränkungen. In den meisten Fällen ist die Erkrankung, von der 1–3% der Bevölkerung betroffen sind, selbstlimitierend innerhalb von 6–24 Monaten und heilt. Bei etwa jedem fünften Patienten persistieren die Beschwerden allerdings länger als ein Jahr, und Rezidive sind häufig. Mit Ruhe, Analgesie, NSAR, Kortikosteroidinjektionen und Physiotherapie versucht man üblicherweise gegen Schmerzen und Funktionseinschränkung anzugehen.

TENS bietet Patienten mit Tennisellenbogen, die die üblichen Behandlungen erhalten, keinen zusätzlichen Vorteil. In einer britischen Studie konnten die Schmerzen durch die täglichen Impulse nicht weiter reduziert werden.

Ob die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) bei der Behandlung des Tennisellenbogens einen zusätzlichen Nutzen bietet, wurde bei  241 Patienten untersucht, die von ihren Hausärzten in West Midlands, UK, die Diagnose „Tennisellenbogen“ erhalten hatten. Bei fast jedem zweiten dieser Patienten dauerten die Beschwerden bereits länger als drei Monate an. Die Probanden erhielten entweder die allgemein übliche ausschließlich allgemeinärztliche Behandlung, die eine Beratung mit Tipps für spezielle Übungen und Informationen zum Krankheitsbild beinhaltete, oder sie unterzogen sich zusätzlich einer TENS, die sie nach Instruktion (sechs Wochen, täglich für 45 Minuten) selbstständig durchführen sollten. Gleichzeitig konnten die Patienten bei Fragen und Beschwerden weiterhin ihren Hausarzt aufsuchen. 30% der Probanden mit TENS und 28% derer ohne Zusatzbehandlung benötigten während der ersten sechs Wochen ein Schmerzmittel. Auf einer Skala von 0–10 gaben die Patienten zu Studienbeginn, nach sechs Wochen sowie nach sechs und zwölf Monaten die Schmerzstärke zu Protokoll.

Nach sechs Wochen war in beiden Gruppen der Schmerz deutlich reduziert (> 25%). Auch die Patienten selbst beurteilten Schmerz und Funktion sowohl mit als auch ohne TENS als verbessert, und auch hier zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Zu keinem Zeitpunkt im Studienverlauf ergaben sich Vorteile durch die TENS-Behandlung.
Allerdings signalisierte die Befragung, dass die Ratschläge der Ärzte nur spärlich umgesetzt worden waren. Nur 42 Probanden der TENS-Gruppe und 29 der Teilnehmer ohne TENS gaben an, sich bei ihren Übungen und der Strom-Applikation strikt an die Vorgaben gehalten zu haben. Aber auch wenn nur die Probanden berücksichtigt wurden, die den Anweisungen der Ärzte gefolgt waren, traten keine klaren Unterschiede zutage. Lediglich nach zwölf Monaten zeichnete sich ein unerwarteter Vorteil in der TENS-Gruppe bei Schmerzreduktion und Funktion ab, der aber nicht zu erklären ist.

Die Autoren halten die geringe Compliance der Patienten für einen bemerkenswerten Hinweis darauf, dass das Prinzip „Motivation zum Selbstmanagement“ bei der Behandlung des Tennisellenbogens nicht gut funktioniert. Andererseits bestätige die Tatsache, dass sich die Beschwerden in beiden Gruppen deutlich verbessert haben, die derzeit gängige Behandlungspraxis.



Freitag, 1. November 2013

Fall 23: Die Distorsion des Sprunggelenkes (Befunde)

Natürlich!

Sie denken an eine Jones Fraktur und lassen den Mittelfuß röntgen:





Beschreiben Sie den Befund!

Fall 26 Der komplizierte Rückenschmerz Lösung

Im Vergleich der Röntgenbefunde stellt sich eine frische Höhenminderung von BWK-12 dar.

Doch erklärt das das Beschwerdebild und die hohen D-Dimere? Was stellen Sie mit der 25mm großen Aorta an?

Zugegeben, der Fall wirft Fragen auf, daher schloss sich noch ein Abdomen CT an:





Es kann eine Aortendissektion ausgeschlossen werden. Schön sieht man jedoch den 12. BWK höhengemindert und leuchten i.S. einer akuten Sinterung, am ehesten als Folge einer osteoprotischen Spontansinterung. Eine Umgebungssuche wurde ja bei den ersten stationären Aufenthalt durchgeführt.


Therapie:
Bei diesem Patienten erfolgte die symptomatische Analgesie und die Mobilisierung. Es stehen heute auch die Vertebro- oder Kyphoplastie zur Verfügung. Beide sind dann zu erwägen, wenn die Sinterung schmerztherapeutisch nicht zu beherrschen ist. Nach einem Jahr nähern sich funktionelle und klinisches Auskommen an, sodass die operative Therapie einen kurzfristigen Vorteil bieten kann. Sie verhindert jedoch auch nicht das Problem der Anschlussfrakturen und der weiteren Sinterung.


Fazit: 
Rückenschmerzen im Alter bedürfen immer einer Abklärung. Zwischen dem 20. und 55. Lebensjahr ist die Inzidenz für Rückenschmerzen sehr hoch. Außerhalb dieser Altersgrenzen lohnt jedoch ein Blick auf maligne Ursachen oder eine Osteoporose.

Mittwoch, 30. Oktober 2013

Fall 26 Der komplizierte Rückenschmerz (Befunde)

Der Patient führte eine CD mit Röntgenbefunden des letzten Aufenthaltes mit sich. Damals sah die seitliche LWS wie folgt aus:


Ergänzend wurde noch ein Lactat bestimmt. Der Wert lag im Normbereich.

Was nun?

Montag, 28. Oktober 2013

Fall 26: Der komplizierte Rückenschmerz

Um 4.30 morgens wird ein 78-jähriger Patient mit dem RTW vorgestellt. Er klagt über tiefe Rückenschmerzen. Diese würden in Intervallen auftreten und mit einem vernichtenden stechenden Schmerz einhergehen. Die Schmerzen wären auf die Mittellinie beschränkt. Keine Ausstrahlung. Sensible Ausfälle oder Beinschwäche werden verneint. Stuhlgang und Miktio wären bislang regelrecht gewesen.

Eigenanamnese:
Der Pat gab an, vor 3 Wochen mit den gleichen Beschwerden 5 Tage lang stationär behandelt worden zu sein. Röntgenbilder wären unauffällig gewesen sowie die Umgebungsuntersuchungen. Nach der Entlassung wären ähnliche, aber abgemilderte Beschwerden noch 2 mal aufgetreten. Ein Unfall wird verneint.

Darüberhinaus besteht ein Metformin behandelter D. mellitus, ASS Dauermedikation wegen Arrhythmien, ein Hypertonus und eine Cortisontherapie mit 7.5 mg tgl wegen Asthmas.

Befund:
Es findet sich ein unruhig auf der Trage liegender Pat in altersgerechtem AZ und normalem EZ. Intermittierend schreit er vor Schmerzen in ca 5 minütigen Abständen. Dabei wälzt er sich auf die linke Seite und zieht die Beine an.
Der Bauch ist weich, gut palpabel und ohne Druckschmerz. Darmgeräusche regelrecht. Nirenlager frei, Leistenbruchpforten geschlossen. Wirbelsäule ohne Klopfschmerz, passive Mobilität erhalten.

Sonografie:
Oberbauchorgane regelrecht, Nierenlager ohne Aufstau. Keine Kokaden. Aorta 25mm. Keine freie Flüssigkeit.

Labor:
Im Normbereich lagen Rotes und weißes Blutbild, Lberer- und Nierenwerte. CRP 5. D-Dimere >2000 (<5oo), Urinsediment unauffällig.

Röntgen:





Was nun?
Wer hat eine Idee??

Freitag, 25. Oktober 2013

Die distale Radiusfraktur: Plattenosteosynthese gegenüber K-Drähten überlegen?

Bei distalen Radiusfrakturen führt die palmare Plattenosteosynthese mittel- bis langfristig nicht zu besseren funktionellen Ergebnissen als die perkutane Stabilisierung mit Kirschnerdraht. Das legt eine randomisierte Studie aus Großbritannien nahe.

Dislozierte Frakturen am distalen Radius werden in letzter Zeit immer öfter mit einer beugeseitigen Platte versorgt. Damit will man Probleme wie z. B. Sehnenreizungen, die nach perkutanen Verfahren gelegentlich auftreten, vermeiden. Das britische Team um Alexia Karantana vom Queens Medical Center in Nottingham hat nun die funktionellen Ergebnisse dieser Methode – der offenen Plattenosteosynthese von palmar – mit der perkutanen Versorgung mittels Kirschnerdraht bei insgesamt 128 Patienten mit dislozierter distaler Unterarmfraktur verglichen, und zwar nach sechs Wochen, nach drei Monaten und nach einem Jahr. Die Patienten beider Gruppen waren zwischen 18 und 73 Jahre alt. Alle Patienten erhielten postoperativ einen Gipsverband und wurden angeleitet, Fingerübungen durchzuführen. Bei den mit Bohrdraht versorgten Patienten stand es im Ermessen des Operateurs, bei unzureichender Stabilität zusätzlich einen Fixateur externe anzubringen. Letzteres war bei elf von 64 Patienten (17%) der Fall.

Nach drei Monaten kein Unterschied mehr
Während die Plattenosteosynthese dem perkutanen Verfahren kurzfristig funktionell überlegen war, hatte sich dieser Unterschied bereits nach zwölf Wochen verflüchtigt. Die Funktion des Handgelenks hatten die Autoren mit dem PEM-Score (Patient Evaluation Measure) gemessen. Dieser erfasst Parameter wie Gefühl, Kälteintoleranz, Schmerz, Beweglichkeit, subjektive Griffkraft und Alltagsaktivitäten und reicht von 0 (optimales Ergebnis) bis 100 Punkte (vollständige Behinderung).
Die Werte in der Platten-Gruppe hatten sich im Beobachtungszeitraum von 34 Punkten nach Woche sechs auf 24 Punkte nach drei Monaten und 17 Punkte nach einem Jahr verbessert. In der Vergleichsgruppe verlief die Entwicklung von 45 über 27 bis hin zu 18 Punkten. Das heißt, nur in den ersten sechs Wochen nach der Op. hatten die Patienten signifikant von der Plattenosteosynthese profitiert (p < 0,001).

Auch im QuickDASH-Score, einem Selbstauskunftsbogen zu körperlichen Symptomen und Funktion, war die Plattenosteosynthese der perkutanen Versorgung nur anfänglich überlegen. Nach einem Jahr war der Unterschied nahezu ausgeglichen (p = 0,313).

Zwar hatten sich deutlich mehr Patienten in der offen versorgten Gruppe bereits nach sechs Wochen wieder ans Steuer eines Autos gesetzt, aber auch hier zogen die Patienten der Vergleichsgruppe bald nach: Zur Visite in Woche zwölf war kein signifikanter Unterschied mehr erkennbar (p = 0,598). Auf die Dauer der Krankschreibung hatte die Wahl der Methode fast keinen Effekt.

Röntgenbefund ohne funktionelle Entsprechung
Bei der Griffkraft und beim Bewegungsausmaß (Flexion) waren die Patienten mit Platte im Arm zu allen Beobachtungszeitpunkten den „gedrahteten“ Patienten überlegen. Die verbesserte anatomische Reposition hatte sich jedoch offenbar nicht in den funktionellen Scores niedergeschlagen, betonen die Autoren. Insgesamt waren alle Frakturen in beiden Gruppen verheilt, die Komplikationsrate war in der Kontrollgruppe leicht, aber nicht signifikant erhöht.

Für die Kommentatoren um Dr. Charles S. Day von der Harvard Medical School in Boston zeigt die Studie ein erhebliches Einsparpotenzial auf: „Wenn Patienten tatsächlich nicht länger als sechs bis zwölf Wochen von der volaren Plattenosteosynthese profitieren – ganz zu schweigen von der Komplikationsrate, die bei bis zu 27% liegt – müssen wir uns fragen, ob dieses Ergebnis die zusätzlichen Kosten gegenüber einer Versorgung mit Kirschner-Draht rechtfertigt“, so die Experten.


Lesen Sie dazu auch den folgenden Fall:

http://www.blogger.com/blogger.g?blogID=1713222409190798349#editor/target=post;postID=8765422729909729816;onPublishedMenu=posts;onClosedMenu=posts;postNum=7;src=postname


 Karantana A et al. Surgical Treatment of Distal Radial Fractures with a Volar Locking Plate Versus Conventional Percutaneous Methods. J Bone Joint Surg Am 2013; 95: 1737–44; doi: 10.2106/JBJS.L.00232

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Fall 25 Die distale Radiusfraktur (Therapie)

Für die Klassifikation wird die AO-Klassifikation verwendet. Je nach Dislokationsrichtung oder Unfallmechanismus beschreibt man eine Flexions- (Colles) oder Extensionsfraktur (Smith). Die AO-Klassifikation ist für die Beschreibung jedoch detaillierter und präziser. Bei Betrachtung kann man die Fraktur als 23-C1 einteilen.

Therapie:

Zunächst wird die Fraktur reponiert. Bild unten.




Hier fällt dann auch die dorsale metaphysäre Trümmerzone auf, die eines der Instabilitätskriterien darstellt.

Die Empfehlungen für die optimale Versorgung variieren je nach Klinik und Vorlieben des Operateurs. Es gibt kaum eine andere Fraktur, bei der grundsätzlich alle Therapiemöglichkeiten bemüht werden. Prinzipiell kann eine konservative Therapie versucht werden. 

Konservative Therapie:

Die Gipsanlage erfolgt dabei nch erfolgeter Reposition in Neutralstellung des Handgelenkes. Dazu wird eine dorsale Unterarmschiene bis zu den Knöcheln angelegt. Sollte ein cirulärer Gips angelegt werden, muss der Gips bis zur letzten Faser gespalten werden. Die Flexion der Finger und des Ellenbogens darf nicht eingeschränkt sein. Der Handrückengips sollte plan geformt sein. 

Am nächsten Tag wird die Durchblutung, Motorik und Sensibilität kontrolliert. Der Gips kann verschlossen werden.  In der Literatur werden am 7., 14. und 21. Tag Gips- und bei einer Gipserneuerung auch eine Röntgenkontrolle empfohlen. Klinische und radiologische Kontrollen sollten demnach am 2., 7., 14. und 30. Tag nach Gipsanlage erfolgen. Ab dem 30. Tag kann der Gips abgenommen werden. Eine klinische und radiologische Stellungskontrolle ist erforderlich. Über den Sinn von Röntgenkontrollen nach der ersten Woche entscheidet jedoch der Frakturtyp und der behandelnde Arzt.

Beschriebene Risiken und Komplikationen einer konservativen Behandlung können sein:

  1. Redislokationen,
  2. Reflexdystrophie-Syndrom (M. Sudeck),
  3. Nervenkompression (z.B. N. medianus),
  4. Allergie,
  5. Druckstellen durch den Hartverband,
  6. Funktionsbehinderung durch Bewegungseinschränkung und Kraftminderung,
  7. Verzögerte Heilung oder Entstehung einer Pseudarthrose,
  8. Refraktur bei erneuter Gewalteinwirkung innerhalb der ersten 3 Monate,
  9. Arthrose,
  10. Verschlimmerung einer vorbestehenden Arthrose,
  11. Schulterschmerzen infolge einer Fehlhaltung.

Bei unserer Fraktur sind mehrere Instabilitätskriterien nach JUPITER erüllt. Zu diesen gehören:

  1. Dorsalkippung des peripheren Fragmentes bei schrägem Frakturverlauf, 
  2. Dorsalkippung des peripheren Fragmentes über 20°,
  3. Abbruch einer beugeseitigen Gelenklippe,
  4. dorsale und/oder palmare dislozierte Kantenfragmente,
  5. Trümmerzonen mit Verkürzung des Radius um mehr als 2mm,
  6. basisnaher Abbruch des Ellengriffelfortsatzes und/oder dislozierte Trümmerfrakturen,
  7. Radio-ulnare Separation/Instabilität,
  8. Begleitende Ulnafraktur.
Wenn zwei der genannten pathologischen Veränderungen vorliegen, wird eine operative Therapie empfohlen. Auch nach erfolgloser konservativer Therapie ist ein sekundärer Wechsel zu einem operativen Verfahren möglich.

Operative Therapie:

Die K-Draht-Spickung stellt den Mittelweg zwischen der konservativen Behandlung mit Hartverbänden und den operativen Verfahren, wie der Platten- und Fixateur-externe-Osteosynthese, dar. Diese Methode ist minimalinvasiv, weichteilschonend und wenig materialaufwendig. Wichtig für das postoperative Ergebnis sind eine sorgfältige Eingriffsplanung, eine gute Operationstechnik und eine korrekte Nachbehandlung. Das Prinzip der K-Draht-Spickung besteht darin, die dislozierte Fraktur nach ihrer Reposition in einer korrekten oder wenig dislozierten Stellung, durch Fragmentabstützung oder -fixierung zu retinieren. Die Indikation zur K-Draht-Spickung besteht bei:
  1. jungen Pateinten (<15 LJ),
  2. alten Patienten (>65 LJ),
  3. Dislokationen nach dorsal,
  4. extraartikulären Frakturen,
  5. intraartikulären Frakturen mit nur eine Frakturlinie,
  6. problematischer Weichteilsituation (Fixateur externe).
Die operative Versorgung von distalen Radiusfrakturen mittels K-Draht-Spickung sollte jedoch der Behandlung der Frakturtypen AO 23 A2, A3 und C1 vorbehalten sein, wenn eine geschlossene Reposition möglich ist.

Der Rest der Frakturen wird i.d.R. durch eine palmare Platte versorgt. Auch Sandwichverfahren, z.B. zur Stabilisierung eines dorsoulnaren distalen Kantenfragmentes sind möglich.

Komplexe offene Frakturen oder Frakturen mit komplexer Zertrümmerung und kleinen Fragmenten können nach wie vor mit einem Fixateur externe versorgt.

GANZ AKTUELL: Eine Umfrage an deutschen Klinik identifiziert die Häufigkeit der Osteosyntheseverfahren am Hangelenk wie folgt:
K-Drähte                  1,5%
Fixateur externe         0,5%
Plattenosteosynthese: 98%

Unser Patient entschied sich für das weitere konservative Vorgehen! In diesem Fall wurde er ausführlich über das konservative Vorgehen aufgeklärt, auch über die vermehrten Röntgenkontrollen und die Möglichkeit einer OP bei Repositionsverlust.

Samstag, 19. Oktober 2013

Fall 25: Die distale Radiusfraktur (Röntgen)

Sie vermuten eine distale Radiusfraktur!

Das Röntgen zeigt folgenden Befund:


                                                                                                        




Beschreiben Sie die Fraktur!
Was würden Sie veranlassen?

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Fall 25 Blickdiagnose: Das schiefe Handgelenk

Samstag nachmittag um 18.00 wird ein 21-jähriger Fußballer vorstellig. Er hält die linke Hand mit seiner rechten. Der Patient gibt an, bei einem Zweikampf ausgerutscht und auf das Handgelenk gefallen zu sein.

Es findet sich folgender klinischer Befund:




Was vermuten Sie?

Auflösung nach Ihren Kommentaren...

Freitag, 11. Oktober 2013

Neue EULAR-Empfehlungen zur Hüft- und Kniearthrose

Die EULAR-Task-Force hat neue Empfehlungen zur nicht-medikamentösen Therapie der Knie- und Hüftarthrose herausgegeben. Die Betonung liegt vor allem auf der Patientenedukation und auf Maßnahmen zur Gewichtsreduktion.

An der Entwicklung der EULAR-Empfehlungen für Patienten mit Arthrose des Hüft- oder Kniegelenks waren 21 Experten aus zehn europäischen Ländern beteiligt. Neben orthopädischen Chirurgen und Rheumatologen haben auch Physiotherapeuten, Ernährungsexperten, Allgemeinärzte und Krankenschwestern an dem Regelwerk mitgearbeitet. Von ursprünglich 168 Vorschlägen zu nicht-medikamentösen Maßnahmen blieben letztlich elf Empfehlungen mit unterschiedlichen Evidenzgraden, die allgemeinen Konsens fanden.

Patienten über Ursachen und Folgen aufklären
Den höchsten Evidenzgrad (Ia) tragen nur zwei der Empfehlungen: Angemessene Information und Patientenedukation mit Unterstützung des Selbst-Managements sowie Programme zur Gewichtsreduktion. Speziell für Patienten mit Hüftarthrose ist die Datenlage allerdings generell dünn.
Bei der Beratung sind die Wahrnehmung des Patienten und dessen Aufnahmefähigkeit zu berücksichtigen. Insbesondere soll auch auf die Ursachen und möglichen Folgen der Arthrose sowie auf die Prognose eingegangen werden. Das Einbeziehen des Ehepartners wird von der allgemeinen Studienlage nicht gestützt, kann aber im Einzelfall erwogen werden.

Übergewichtigen und adipösen Patienten empfiehlt die Task-Force eine gesunde Ernährung mit wenig Fett und Salz, mindestens fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag und täglich mindestens eine halbe Stunde körperliche Aktivität. Beim Abnehmen sind konkrete Ziele wichtig, ebenso wie ein regelmäßiges Follow-up über vier Jahre, um das Zielgewicht zu halten.

Individuelles Management entscheidend
Das individuelle Management ist entscheidend, sowohl bei der Hüft- als auch bei der Kniegelenksarthrose. Der Patient soll nach entsprechender Information in die Therapieplanung einbezogen werden, seine Wünsche sollen Berücksichtigung finden. Neben Begleiterkrankungen und anderen Risikofaktoren wie Adipositas ist auf entzündliche Prozesse und strukturelle Veränderungen zu achten, ferner auf Schmerzen und darauf, inwieweit der Patient in seinen Alltagsaktivitäten eingeschränkt ist.

Ein Behandlungspaket ist wirksamer als Einzelmaßnahmen. Die Patienten sollten einen Behandlungsplan erhalten, der ihnen gezielte Informationen zu ihrer Erkrankung und zu den einzelnen Maßnahmen mitgibt. Insbesondere die Kombination aus Patientenedukation, Selbstmanagement, sportlicher Aktivität und Ernährungsberatung hat sich in mehreren Studien als vorteilhaft erwiesen.

Bei der Änderung des Lebensstils stehen körperliche Aktivität und Gewichtsreduktion im Vordergrund. Die Patienten sollen sich Ziele setzen, die sie einhalten können. Folgende Faktoren tragen dazu bei, dass die Patienten bei der Stange bleiben: individuelle Übungen, die sich graduell steigern, individuelle Ziele, Feedback zu Fortschritten, Übungspläne und Logbücher, Merkblätter, Audio- und Videomaterial sowie sogenannte „Booster-Sessions“, in denen die Motivation verstärkt wird.

In welchem Maß die Patienten sportlich aktiv sein sollen, ist individuell sehr unterschiedlich, einheitliche Empfehlungen gibt es nicht. Ob man individuell oder in Gruppen trainiert, ob zu Hause oder in einem Sportzentrum, spielt offenbar keine Rolle. Übungen im Wasser scheinen Schmerzen besonders effektiv zu lindern und können die Gelenkfunktion verbessern.

Speziell älteren und chronisch kranken Patienten raten die Experten zu einem täglichen, mindestens halbstündigen aeroben Training von mittlerer Intensität. Auch ein progressives moderates Krafttraining an mindestens zwei Tagen pro Woche, das die Hauptmuskelgruppen beansprucht, wird empfohlen. Und auch für den Nutzen von Yoga und Tai Chi gibt es zunehmend Belege.

Auf das richtige Schuhwerk kommt's an!
Übereinstimmend empfiehlt die Task-Force angemessenes Schuhwerk möglichst ohne erhöhte Absätze und mit dicker Sohle, das Stöße absorbiert und die Pronation des Fußes kontrolliert. Der Schuh sollte die Fußform unterstützen und den Zehen genug Platz lassen. Kein Unterschied ergibt sich zwischen Spezialschuhen und konventionellen Turn- oder Laufschuhen, beide führen langfristig zur Schmerzlinderung. Auf spezielle Einlagen kann man den Experten zufolge allerdings verzichten.
Ein Gehstock – einzusetzen auf der Gegenseite des erkrankten Gelenks – wird befürwortet, ebenso Sitzerhöhungen auf Stühlen und auf der Toilette. Autofahrern wird der Umstieg auf Automatikschaltung empfohlen.

In arbeitsmedizinischer Hinsicht mangelt es an Daten. Belegt ist vor allem, dass schwere körperliche Arbeit, häufiges Hinhocken, Knien, Bücken oder Heben sowohl die Entstehung als auch das Fortschreiten einer Arthrose im Kniegelenk begünstigen.



Fernandes L et al. EULAR recommendations for the non-pharmacological core management of hip and knee osteoarthritis. Ann Rheum Dis 2013; 72: 1125–1135; doi: 10.1136/annrheumdis-2012-202745

Chronische Schmerzen verstehen und erfolgreich behandeln

Die Chronifizierung von Schmerzen ist ein Problem von zunehmender klinischer, aber auch wirtschaftlicher Relevanz. Doch gefährdete Patienten können anhand ihres Risikoprofils identifiziert werden. Sie bedürfen auch bei Routineeingriffen der besonderen Aufmerksamkeit durch die Anästhesie.

Die Pathophysiologie der Schmerzchronifizierung ist weiter unklar. Mehrere Erklärungsmuster konkurrieren derzeit. So scheint der "reduzierten deszendenten Hemmung" eine besondere Bedeutung zu zukommen. Ein serotoninvermittelter Mechanismus, über den auch trizyklische Antidepressiva wirken. Bei chronischen Schmerzen (z. B. Fibromyalgie) lässt sich in 60-80 % der Fälle eine solche Hemmung elektrophysiologisch nachweisen. Ein weiteres Konzept geht von morphologischen Veränderungen im Kortex aus, die kausal mit der Chronifizierung zusammenhängen.

Das Schmerzgedächtnis einfach löschen?
Besonders spektakuläre Konsequenzen hat die Hypothese, dass das Schmerzgedächtnis synaptisch verankert ist Zum Tragen kommt hier das Konzept der synaptischen Langzeitpotenziale (synaptic longterm potentiation - LTP). Therapeutisch wird bereits über erste Versuche berichtet durch eine kurzzeitige, extrem hoch dosierte Opiatgabe dieses synaptische Schmerzgedächtnis zu löschen. Die Chancen dieser sehr invasiven Therapie (Beatmung, Intensivstation) bewertet Prof. Dr. Hans-Georg Schaible (Friedrich-Schiller-Universität Jena) allerdings mit großer Skepsis.

Präventiv statt präemptiv
 Lange Zeit galt in der Anästhesie das Prinzip der präemptiven Analgesie auch als Schutz vor einer Chronifizierung. Die Opiatgabe bereits vor dem Schmerzereignis sollte die Schmerzentstehung quasi unterdrücken. Diese Idee hält aber leider einer empirischen Überprüfung nicht Stand [4]. "Das Fentanyl vor dem Schnitt kann die spätere Schmerzbelastung und auch den Opiatverbrauch nicht nachweisbar beeinflussen", konstatiert Frau Professor Esther Pogatzki-Zahn (Westfälische Wilhelms-Universität Münster).

Die Schmerzexpertin schlägt einen Paradigmenwechsel vor: Statt präemptiv sollte die Anästhesie präventiv vorgehen. Eine geeignete medikamentöse Prämedikation könnte in Zukunft den späteren Opiatverbrauch vermindern und damit vielleicht auch die Chronifizierung. Für Ketamin, Gabapentin und Pregabalin werden solche präventiven Effekte diskutiert. Doch die bisherigen Studienresultate enttäuschen noch. "Die Ketaminstudien waren nur für die Abdominalchirurgie positiv. Die Gabapentinstudien sind alle zusammengenommen negativ. Auch die Pregabalinstudien sind fast alle negativ ausgefallen.", fasst die Münsteraner Anästhesistin die bisherigen Resultate zusammen.

Psychische Faktoren entscheiden
Zudem wird immer deutlicher, dass auch psychologische Faktoren mit dem Chronifizierungsrisiko korrelieren. Eine aktuelle dänische Studie zeigt, dass bei der Brustchirurgie psychologische Faktoren entscheidend sind. Patientinnen waren besonders für chronische Schmerzen gefährdet, wenn bereits präoperativ eine Schmerzchronifizierung oder eine hohe Schmerzbelastung bestand. Außerdem potenzierten Depressionen und Angstbelastungen das Risiko. Auch eine vermehrte Aufmerksamkeit für drohende Schmerzen (Hypervigilanz) scheint ein relevantes Risiko darzustellen.

Screening für die PM-Sprechstunde
 Solche Erkenntnisse haben OA Dr. med. Reinhard Sittl am Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg veranlasst einen Screeningtest auf Chronifizierungsgefahr für die Prämedikationssprechstunde zu entwickeln. Kurze psychologische Tests können die Patienten mit dem entsprechenden Risikoprofil identifizieren. Diese Patienten werden aktiv beraten und mit Entspannungsübungen vertraut gemacht. "Durchgeführt wurde das bei 24 Patienten. Der prophylaktische Effekt ist bei den Risikopatienten mit Hypervigilanz deutlich nachweisbar und hält bis zu drei Monaten an", berichtet der Erlanger Schmerzmediziner.

Regionalanästhesie bleibt das Beste
Auf eine medikamentöse Prophylaxe der Chronifizierung werden wir allerdings noch länger warten müssen. Das Fazit von Frau Prof. Pogatzki-Zahn fällt entsprechend verhalten aus: "Ich kann Ihnen da noch nicht einmal etwas an die Hand geben, was Sie präventiv einsetzen können. Aus meiner Sicht ist alles was wir haben noch nicht gut genug. Wenn Sie den Patienten etwas Gutes tun wollen, dann ist es eine Regionalanästhesie."

Vom akuten zum chronischen Schmerz - Schicksal oder beeinflussbar? HAI 2013 - Der Hauptstadtkongress der DGAI für Anästhesiologie und Intensivtherapie