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Montag, 16. September 2013

Chirurgie: Nur mit Drogen zu ertragen?

"Focus" meldet:
Jeder fünfte Chirurg nahm in seinem Leben schon einmal Aufputschmittel. Wie gefährlich ist es für die Patienten, wenn sich Ärzte mit Pillen fit machen für den Operationssaal?
Überforderung, Leistungsdruck, ständige Erreichbarkeit und Stress – viele Arbeitnehmer in Deutschland fühlen sich mental und körperlich ausgelaugt. Um dem entgegenzuwirken greifen etliche von ihnen offenbar in den Medikamentenschrank. Sogar in der Berufsgruppe der Chirurgen hat jeder Fünfte in seiner Laufbahn schon einmal zu einem verschreibungspflichtigen Medikament oder einer illegalen Droge gegriffen, um seine Leistung zu verbessern. Das besagt eine Studie der Universität Mainz, in der die Wissenschaftler 1105 deutschsprachige Chirurgen befragten.

Darum nehmen Ärzte Pillen

Chirurgen arbeiten oft im Schichtdienst und stehen lange in OP-Sälen, um Menschenleben zu retten. Es ist ein ungeheurer Druck, der auf den Ärzten lastet. Doch Aufputschmittel sind gerade für sie besonders attraktiv, nehmen die Mainzer Studienautoren um Klaus Lieb, dem Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, an. Denn andere Strategien, mit Schlafmangel oder Konzentrationsstörungen umzugehen – wie etwa Schlaf nachzuholen oder Entspannungstechniken anzuwenden – kosten mehr Zeit als eine Pille einzuwerfen.

„Ob dadurch ein Risiko für die Patienten entsteht ist, wissen wir nicht“, sagt Lieb. „Aus unserer Studie geht nicht hervor, dass die Chirurgen gedopt sind, wenn sie im OP-Saal stehen.“ Aufhellende Substanzen müssen sich laut Lieb zudem nicht zwangsläufig schlecht auf die Behandlung des Patienten auswirken. Auf der anderen Seite sei eine Gefährdung aber auch nicht ausgeschlossen: Stimulanzien könnten dazu führen, dass derjenige, der sie einnimmt, seine eigenen Kapazitäten überschätzt, schreiben die Studienautoren.

Nicht nur Ärzte dopen

Im Rahmen des „Fehlzeiten Reports 2013“ berichtete die AOK, dass immer mehr Deutsche erkranken, weil sie zu Suchtmitteln wie Nikotin, Alkohol und Kokain greifen. Dazu befragte die Krankenkasse 2000 Erwerbstätige zwischen 16 und 65 Jahren. Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage, die durch die Einnahme von Suchtmitteln verursacht werde, ist laut AOK-Studie in den letzten zehn Jahren um fast ein Fünftel gestiegen (17 Prozent). Hauptschuldig daran sind weiterhin der Alkoholkonsum und das Rauchen. Doch neue Suchtmittel, wie das „Gehirndoping“ seien auf dem Vormarsch.
Immerhin fünf Prozent der deutschen Arbeitnehmer haben laut AOK-Studie in den letzten zwölf Monaten Psychopharmaka oder Amphetamine eingenommen, um ihre Arbeitsleistung zu verbessern. Darunter griffen etwas mehr Frauen zu den Aufputschmitteln als Männer. Bei den unter 30-Jährigen war es sogar jeder zwölfte. Der stellvertretende Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Institutes der AOK Helmut Schröder vermutet, dass die Dunkelziffer noch erheblich höher sein dürfte.
 „Berufsgruppen mit starker Belastung durch Stress oder Leistungsdruck sind besonders gefährdet“, sagt Klaus Lieb von der Universität Mainz. Zu diesem Schluss kommt auch die Studie der AOK: Wen die Arbeit stark unter Druck setzt, der ist eher gefährdet. Kommt eine geringe Motivation hinzu, macht es den Griff zu Aufputschmitteln noch wahrscheinlicher. Immerhin 14,6 Prozent der Arbeitnehmer mit „starker Getriebenheit“ und „geringem Arbeitseifer“ griffen laut AOK-Studie in den vergangenen zwölf Monaten zu leistungssteigernden Mitteln.

Und sogar schon Studenten dopen: Der Mainzer Sportwissenschaftler Pavel Dietz und seine Kollegen haben mehr als 2 000 Mainzer Studenten befragten, ob sie im letzten Jahr verschreibungspflichtige oder illegale Mittel wie Amphetamine, Koffeintabletten oder Kokain eingenommen haben, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Etwa jeder Fünfte unter ihnen hatte zu solchen Mitteln gegriffen, darunter etwas mehr Männer als Frauen, Erstsemester häufiger als höhere Semester.

Bekannter Trend

Bereits vor vier Jahren kam die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) in einer repräsentativen Untersuchung zu ähnlich dramatischen Ergebnissen: Sie fand heraus, dass „jeder fünfte Arbeitnehmer die Einnahme von Medikamenten ohne medizinische Erfordernis für vertretbar hält, um die Leistung im Job zu steigern.“ Fast 20 Prozent der Befragten akzeptierten demnach Stimmungsaufheller, um mit Stress und Konflikten am Arbeitsplatz besser zurechtzukommen.
Wie ist Ihre Erfahrung mit der Belastung im Alltag?


http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/sucht/tid-33406/medikamentenmissbrauch-warum-so-viele-chirurgen-unter-drogen-stehen-sogar-studenten-dopen_aid_1095599.html