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Mittwoch, 12. November 2014

17 Krebsarten sind gewichtsabhängig

Bei 17 der 22 häufigsten Krebsarten haben britische Epidemiologen Zusammenhänge mit dem Body-Mass-Index gefunden. Besteht tatsächlich eine Kausalität, könnten Hüft- und Bauchspeck beinahe für jedes zweite Uteruskarzinom und jeden zehnten Gallenblasen-, Nieren-, Leber- oder Darmkrebs mitverantwortlich gemacht werden.

Immer wieder werden mögliche Verbindungen zwischen Krebs und Leibesfülle diskutiert. Inwieweit ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI) mit den 22 häufigsten Tumorentitäten in Zusammenhang steht, haben Krishnan Bhaskaran und Kollegen von der London School of Hygiene and Tropical Medicine sowie vom Farr Institute of Health Informatics Research in London jetzt in einer populationsbasierten Kohortenstudie untersucht. In ihre Modellrechnungen schlossen Bhaskaran und Kollegen die Daten von 5,24 Mio. Patienten der Primärversorgung ein. 166.955 Personen entwickelten in der mittleren Beobachtungszeit von 7,5 Jahren eine der untersuchten Krebsarten. Bei 17 der 22 Tumorentitiäten konnten Zusammenhänge mit dem BMI festgestellt werden. Keine Effekte zeigten sich bei Tumoren des Rektums, der Blase, des Gehirns, des ZNS sowie beim Non-Hodgkin-Lymphom und beim multiplen Myelom.

Die deutlichster Zusammenhang bestand beim Uteruskarzinom!
Der mit Abstand größte Effekt wurde beim Uteruskarzinom sichtbar. Mit jeder Zunahme des BMI um 5 kg/m2 stieg das adjustierte Risiko annähernd linear um 62%. Weitere lineare Risikosteigerungen für eine Krebserkrankung fanden sich für die Gallenblase (31%), Niere (25%), Zervix (10%), Schilddrüse (9%) sowie bei der Leukämie (9%).
 
Bei einigen Krebsarten variierten die Zusammenhänge mit den individuellen Eigenschaften der Probanden. Hierzu zählten Tumoren der Leber, bei denen sich pro 5-kg/m2-Schritt das Gesamtrisiko um 19% erhöhte, des Kolons (10%) und des Ovars (9%) sowie der postmenopausale Brustkrebs (5%). Beim Kolon- und Leberkarzinom war der BMI-Effekt bei Männern deutlicher ausgeprägt als bei Frauen. Die Risikosteigerung für ein Ovarialkarzinom war bei prämenopausalen Frauen mit zunehmendem BMI klarer erkennbar als bei postmenopausalen. Beim prämenopausalen Brustkrebsrisiko und beim Prostatakarzinom zeigten sich sowohl innerhalb der Gesamtgruppe als auch bei den Nichtrauchern mit steigendem BMI > 22 kg/m2 bzw. > 27 kg/m2 inverse Beziehungen. Ein Rückgang von Lungen- bzw. Mundhöhlenkrebs mit ansteigendem BMI wurde in der Gesamtgruppe gefunden, nicht aber bei Menschen, die nie geraucht hatten.

Die Heterogenität des BMI-Effekts lässt die Autoren vermuten, dass bei verschiedenen Tumoren und in verschiedenen Patientenpopulationen unterschiedliche Mechanismen ablaufen. So scheinen beispielsweise Veränderungen im Hormonhaushalt Einfluss auf die Zusammenhänge zu nehmen.
Mehr Krebserkrankungen durch Bauchzuwachs

Vorausgesetzt, es besteht tatsächlich eine Kausalität zwischen BMI und Krebsgeschehen, könnten nach Berechnungen der Autoren 41% der Uteruskarzinome und mindestens 10% der bösartigen Tumoren in Gallenblase, Niere, Leber und Kolon dem Übergewicht zugeschrieben werden. Dies bedeutet nach weiteren Berechnungen von Bhaskaran und Kollegen, dass bei einem populationsweiten Anstieg des BMI um 1 kg/m2 weitere 3790 Briten jährlich an einer der zehn Krebsarten, deren Risiko durchgängig mit einem erhöhten BMI in Verbindung gebracht wurde, erkranken würden.




Bhaskaran K et al. Body-mass index and risk of 22 specific cancers: a population-based cohort study of 5·24 million UK adults. The Lancet 2014; ePub 14. August 2014, 

Montag, 13. Oktober 2014

Fall 39 Blickdiagnose Gesichtsschwellung: Diagnostik

Sie veranlassen ein Gesichtsschädel CT, denn sie denken an eine Fraktur im Bereich des Gesichtsschädels. Bereits das Vorliegen einer Taubheit des 2. Trigeminusastes sollte Verdacht erwecken und die Druckdolenz bei der Funktionsprüfung sowieso.

Hier die CT Bilder:






Ihre Diagnose und Therapie?


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Fall 39 Blickdiagnose Gesichtsschwellung: Fraktur Sinus maxillaris Therapie



Laterale Mittelgesichtsfrakturen zählen zu den häufigsten knöchernen Verletzungen des Gesichtsschädels. Darunter versteht man überwiegend Frakturen, die den Jochbeinkörper und/oder den Jochbogen betreffen. Bei Frakturen des  Jochbeinkörpers (Tripodfrakturen) ist in der Regel die Orbita oder die Kieferhöhle mitbeteiligt, so dass insbesondere die Funktionen des N.opticus, des N. infraorbitalis und der angrenzenden Augenmuskulatur beachtet werden müssen.

Symptome:
  • Knochenstufen, Monokelhämatom, Sensible und/oder motorische
  • Funktionsstörungen, Augenmotilitätsstörung (Doppelbildsehen), Bulbusdislokation,
  • Ekchymosis, Hyposphagma, Visusverschlechterung, Gesichtsdeformität,
  • Unterkieferfunktionsstörung (Kieferklemme oder Kiefersperre), Subkutanes
  • Emphysem, Nasenbluten, Gesichtsweichteilverletzung.
Diagnostik:
Oft gibt der Unfallhergang Aufschluss über das Ausmaß der Verletzung. Die schließt bei nicht ansprechbaren Personen die Ereignisbezogene Fremdanamnese ein. Bei der körperlichen Untersuchung achtet man auf:
  • Inspektion (Symmetrieveränderungen, sichtbare Knochenstrukturen, Okklusionsstörungen)
  • Palpation (Knöcherne Stufen, pathologische Beweglichkeit, Krepitation)
  • Funktionsüberprüfungen:
  • Aktive und / oder passive Mundöffnung,
  • Orientierende Motilitätsüberprüfung der Augenmuskeln (6 diagnostische Blickrichtungen)
  • Orientierende neurologische Funktionsüberprüfungen (in jedem Fall N. infraorbitalis)
  • Augenärztliche Untersuchung bei Orbitabeiligung
  • Zweidimensionale radiologische Bildgebung in zwei senkrecht zueinander stehenden Ebenen oder dreidimensionale Bildgebung: Computertomographie (CT) und/oder DVT (CBCT)
Weiterführende Untersuchungen
  • MRT
  • Ultraschallgestützte Frakturdiagnostik
  • Endonasale Endoskopie
  • Intraoperative Schichtbildgebung (CT / CBCT)
  • Computergestützte Simulation und Operationsplanung (CAD/CAM)
  • Bei geplanter Navigation ggf. präoperative Schichtbildgebung mit festen
  • Navigationsmarkern
Therapie:
Neben dem Erhalt der Augenfunktion in Bezug auf Sehschärfe und Motilität stehen die symmetrische Rekonstruktion der anatomischen Form des Gesichtes in sagittaler, vertikaler und transversaler Dimension, eine uneingeschränkte aktive und passive Mobilität des Unterkiefers sowie der Erhalt des angrenzenden sensiblen Nerven (N. infraorbitalis) im Vordergrund.
Bei einer Primärversorgung sollte nach Möglichkeit eine durch frakturbedingte Volumenveränderung des Orbitatrichters verursachte Bulbusfehlstellung korrigiert werden.
Die konservative Therapie kann erfolgen bei nicht dislozierter oder diskreter Dislokation der Fraktur ohne Funktionsbeeinträchtigung von Nachbarstrukturen. Sie kann auch erforderlich werden bei Vorliegen von anästhesiologischen und/oder allgemeinmedizinischen Kontraindikationen gegen eine Operation.
  • Verlaufsbeobachtung
  • Physikalische und medikamentöse Maßnahmen (Kühlen, abschwellende
  • Nasentropfen, Schneuzverbot)
  • Funktionelle Entlastung durch weiche Kost
Operative Therapie
Eine offene chirurgische Frakturversorgung mit Osteosynthese sollte bei dislozierten bzw. geschlossen nicht reponierbaren Frakturen, motorischen Funktionseinschränkungen der Augenmuskulatur und/oder Sensibilitätsstörung des zweiten Trigeminusastes erfolgen.  Wegen der raschen knöchernen Konsolidierung von Mittelgesichtsfrakturen wird eine operative Versorgung innerhalb von 7 bis 14 Tagen, spätestens 21 Tage nach Trauma empfohlen. Die Empfehlungen zum Zeitpunkt der operativen Versorgung variieren abhängig vom Grad der Weichteilschwellung und der klinischen Symptomatik zwischen Sofortversorgung und verzögerter Versorgung nach Abschwellung.
  • Manuelle Frakturreposition
  • Frakturreposition und osteosynthetische Fixation
  • Orbitabodenrevision und gegebenenfalls Rekonstruktion
Die alleinige geschlossene Reposition mit einem transkutan gesetzten Instrument kann erfolgreich sein bei:
1.) isolierten Jochbogenfrakturen (z.B. „M" - förmige Dislokation)
2.) Jochbeinfrakturen mit intraoperativ stabilem Verkeilen der Fragmente nach initialer Hakenzugreposition, typischerweise bei einer inkompletten Fraktur der Sutura zygomaticofrontalis.
Ergänzende Maßnahmen:
  • Schmerztherapie, Kühlung
  • Bedarfsweise Nasennebenhöhlentherapie
  • Eine Antibiotikagabe (Prophylaxe oder Therapie) soll bei offenen Frakturen erfolgen.
  • Bei geschlossenen Frakturen und deren operativer Reposition ergibt sich kein Vorteil.
  • Individuelle Jochbogenprotektoren
  • Individuelle Jochbeinprotektoren (Gesichtsmaske)

Freitag, 10. Oktober 2014

Fall 39: Blickdiagnose Gesichtsschwellung

In der Notaufnahme stellt sich diese 86-jährige Dame in Begleitung ihres Mannes vor. Sie wäre von einem ausparkenden PKW an der Hüfte getroffen worden und wäre auf Schotter gefallen. Dabei müsse sie mit dem Gesicht auf die vorgehaltene Hand gestürzt sein. Es bestehen nun neben Beschwerden über der Hüfte auch Schmerzen an der rechten Wange.

Eigenanamnese:
Bei der Patientin bestheht ein Diabetes. Kein Antikoagulation.

Körperlicher Befund:

Klinisch findet sich dieser Befund.





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Es findet sich eine Schwellung mit einem Unterlidhämatom über dem Jochbein bis zur Wange. Druckschmerz am Unterrand der Orbita und des Jochbeines. Auch wird ein Taubheitsgefühl über der anterioren Wange angegeben. Die Nase erscheint im Profil erhalten. Kein knöcherner Druckschmerz.
An den Lippen finden sich Blutreste. Bei der Stabilitaätsprüfung des Gaumens läßt sich ein Druckschmerz auslösen. Der Gesichtsschädel erscheint stabil.
Die Pupillen sind in ihrer Motorik o.B., kein Enophthalmus.

Woran denken Sie?
Röntgen - CT - MRT - Intensivstation?

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Freitag, 3. Oktober 2014

Inkarzerierte Leistenhernie: Anscheinend keine Nachteile durch Netzimplantat

Inkarzerierte Leistenhernie: Anscheinend keine Nachteile durch Netzimplantat


Zusammenfassung: Eine Netzimplantation zur Versorgung einer inkarzerierten Leistenhernie birgt kein höheres Infektionsrisiko als eine Operationsmethode ohne Netz. Zu diesem Ergebnis kamen tunesische Chirurgen im Rahmen einer Metaanalyse.

Hintergrund: Etwa jede zehnte Leistenhernie ist zum Zeitpunkt ihrer Diagnose inkarzeriert. Während die netzbasierte Versorgung bei selektierten erwachsenen Leistenbruchpatienten als Standard gilt, steht diese bei der Operation eingeklemmter Hernien wegen des möglicherweise erhöhten Infektionsrisikos noch immer in der Diskussion.

Methode: In einem systematischen Review haben Hassen Hentati und Kollegen vom Charles Nicolle Hospital in Tunis nun versucht, mehr Sicherheit zu diesem Thema zu gewinnen. Sie verglichen die Infektionsquoten von Patienten mit eingekemmtem Leistenbruch, die mittels Netztechnik (monophiles Polypropylen) nach Lichtenstein operiert wurden, mit der Infektionshäufigkeit bei netzfreien Operationsverfahren (Kontrollgruppe, Op. mit offenen Nahtverfahren z.B. nach Basini bzw. Shouldice). In ihre Metaanalyse schlossen die Autoren letztlich neun Studien ein. Nur bei zwei von ihnen lag ein randomisiertes, kontrolliertes Design vor (RCT).

Ergebnisse: Gegenüber der Kontrollgruppe zeigte sich bei Patienten mit netzbasierten Operationsverfahren eine niedrigere Infektionsrate. Die durchschnittliche Odds Ratio (OR) aus fünf Studien lag bei 0,46, erreichte allerdings keine Signifikanz (p = 0,07). Bei Patienten mit Darmresektion spielte es für die Infektionshäufigkeit keine Rolle, ob die Leistenhernie mit einem Netz versorgt worden war oder nicht. Eine generelle Empfehlung für Netzverfahren läßt sich für diese Patienten aus dieser Analyse allerdings nicht ableiten.
Fazit: Hinsichtlich der Rezidivrate zeigten netzbasierte Techniken auch bei inkarzerierten Hernien klare Vorteile gegenüber der netzfreien Versorgung (OR 0,2; p = 0,02). Wegen der vertretbaren Infektionsraten und der geringeren Rezidivneigung gegenüber netzfreien Techniken kann die Netzmethode als gute Behandlungsoption für Erwachsene mit eingeklemmten Leistenhernien angesehen werden. Da allerdings nur zwei der untersuchten Studien RCT-Charakter hatten, sollte die Aussagekraft dieser Metaanalyse zunächst durch weitere RCTs gestärkt werden

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Montag, 29. September 2014

Platte nicht besser als K-Drähte bei distalen Radiusfrakturen

Bei dislozierter distaler Radiusfraktur ist die Kirschnerdraht-Osteosynthese der offenen Versorgung in puncto Funktionalität offenbar ebenbürtig. Die Ergebnisse einer randomisierten Studie konterkarieren den Trend zur aufwändigen (und teuren) Plattenosteosynthese.

Bei der Versorgung der dislozierten distalen Radiusfraktur geht der Trend seit Jahren deutlich zur Plattenosteosynthese – obwohl qualitativ hochwertige Studien zur Wahl der Op.-Technik rar sind und Experten der Cochrane-Collaboration einen „gravierenden Mangel an verfügbarer Evidenz“ beanstanden. Viele Zentren argumentieren mit der besseren Retentionssicherheit, die durch das offene Verfahren erzielt wird.

Dieses Dogma wird nun jedoch durch die Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Studie aus Großbritannien infrage gestellt. Die Studie, an der 18 britische Unfallkliniken beteiligt waren, verglich die Versorgung mittels palmarer Platte mit der ebenfalls häufig eingesetzten Kirschnerdraht(K-Draht)-Osteosynthese, bei der Bohrdrähte durch die Haut in den Knochen eingebracht werden. In der Bohrdraht-Gruppe wurde der Unterarm anschließend durch einen Gipsverband stabilisiert. Der K-Draht zeichnet sich durch ein deutlich geringeres Maß an Aufwand und Kosten bei minimalem Trauma aus.

Score misst Funktion und Schmerzen
Das Resultat überraschte auch die Forscher um Matthew L. Costa von der University of Warwick im englischen Coventry: Im Hinblick auf den PRWE-Score (Patient Rated Wrist Evaluation) war die Fixation mittels Bohrdraht der Platten-Op. ebenbürtig. Costa et al. hatten den Score zwölf Monate nach dem jeweiligen Eingriff erhoben. Gemessen wird die Handgelenksfunktion nach Angabe der Patienten unter Berücksichtigung von Schmerzen und Behinderungsgrad.

Insgesamt hatten 461 Patienten mit nach dorsal dislozierter distaler Radiusfraktur an der Studie teilgenommen. Letztlich hatten 208 die Kirschnerdraht-Osteosynthese erhalten, davon 54 in Kapandji-, 78 in interfragmentärer Technik und 71 mit einem kombinierten Verfahren. 213 Patienten hatte man von palmar eine winkelstabile Platte implantiert.

Nach Bohrdrahtversorgung wurden im Schnitt 15,3 Punkte von 100 erreicht, nach Plattenfixation 13,9 (der höchste Wert entspricht dem schlechtestmöglichen Ergebnis). Der Unterschied in der Effektstärke (–1,3 zugunsten der Platte) ist nicht signifikant (p = 0,398). Auch Subgruppenanalysen mit unterschiedlichen Altersgruppen (unter 50 und 50+) kamen zu keinem substanziell anderen Ergebnis (p = 0,338), ebensowenig brachte die Unterteilung in Gruppen mit oder ohne intraartikuläre Fraktur einen nennenswerten Vorteil für die Platte (p = 0,211).

Letztere punktete lediglich marginal im sekundären Endpunkt, dem DASH-Score (Einschränkungen an Arm, Schulter und Hand). Hier war nach einem Jahr eine Effektstärke von –3,2 zu sehen (p = 0,051); diese lag jedoch deutlich unter dem, was die Forscher als klinisch relevant bezeichnet hätten.
Widerspruch zum aktuellen Trend

Auch bei den Komplikationsraten und der Lebensqualität zeigte sich kein Hinweis auf Überlegenheit eines der beiden Verfahren. Die Studiengruppe weist darauf hin, dass die Handgelenksfunktion sich zwar im Beobachtungszeitraum verbessert hatte, aber in beiden Gruppen nicht mehr auf das Niveau vor dem Unfall zurückgekehrt war.

Für Costa und sein Team widerspricht die Studie dem allgemeinen Trend zur Plattenosteosynthese bei distaler Radiusfraktur. Ein verbessertes funktionelles Ergebnis mit dem offenen Verfahren, wie es in früheren Studien gezeigt worden war, konnten die Autoren der Multicenter-Studie nicht bestätigen. Für eine definitive Bewertung bleiben allerdings Studien mit längerer Nachbeobachtungszeit abzuwarten.

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 http://www.bmj.com/content/349/bmj.g4807

Donnerstag, 25. September 2014

Therapie von plantaren Stichverletzungen

Plantare Stichverletzungen sind im Sommer besonders häufig, v. a. von Mai bis Oktober. Die Wundversorgung richtet sich nach den Verletzungsumständen. Die relativ kleine Eintrittspforte begünstigt insbesondere in Verbindung mit der Stärke der Fußsohle einen raschen Wundverschluss und bietet dadurch ideale Bedingungen für eine Wundinfektion.

Klassifikation
Die Klassifikation nach Patzakis, Los Angeles, USA, unterteilt plantare Stichverletzungen in drei Zonen:

  • Zone 1: Vorfußbereich, hohe Komplikationsrate aufgrund der geringen Weichteildeckung und den dadurch ungeschützten Sehnen und Gelenken.

  • Zone 2: Mittelfußbereich mit höherer Weichteildeckung, Muskulatur und Sehnenfächern.

  • Zone 3: Rückfußbereich, in dem es insbesondere durch die hohe Krafteinleitung über die Ferse zu tiefen Verletzungen des Calcaneus kommen kann.

Behandlung
Obligat ist die Frage nach dem Tetanusschutzes. Neben der Anamnese wird eine Beurteilung der Wunde vorgenommen.

  • Kleine, saubere und schmerzlose Wunden ohne Risikofaktoren: keine weiteren Maßnahmen erforderlich.

  • Verunreinigte Wunden mit Fremdkörpergefühl, Schmerzen oder Zeichen einer Infektion: Röntgenbild - Wunddesinfektion mit Spülung mit Aqua dest. Debridement von devitalisiertem Gewebe und ggfs. Austasten der Wunde.

  • Weiterführende Maßnahmen unter Analgesie in Leitungsanästhesie, z.B. N tibialis posterior. Die Injektion des Lokalanästhetikums sollte nicht direkt durch die plantare Oberfläche des Fußes erfolgen.

  • Tiefe Verletzung, z.B. Fremdkörper und starker Verschmutzung: ggfs Exzision des Stichkanals.
  • Anhaltendes Fremdkörpergefühl bei negativem Tastbefund, therapierefraktäre Infektionen oder anhaltende Schmerzen: Weiterführende Bildgebung.
Pattamapaspong führte systematische Untersuchungen an Fußpräparaten durch. Für die Erkennung von verschiedenen Fremdkörpern betrugen Sensitivität und Spezifität für Röntgenaufnahmen 29% und 100%, für Computertomografien (CT) 63% und 98% und für Kernspintomografien (MRT) 58% und 100%. Bei wasserhaltigem Holz war die CT der MRT überlegen.

Antibiotika
Die prophylaktische Gabe eines Antibiotikums wird kontrovers diskutiert. Als wesentliche potenzielle Erreger gelten Staphylococcus aureus, beta-hämolysierende Streptokokken und Pseudomonas aeruginosa, wobei letzterer insbesondere beim „sweaty tennis shoe syndrome“ oder in Süßwasserseen inokuliert werden kann und inzwischen häufig auf Ciprofloxacin resistent ist.

Bei reizlosen Wunden ohne Infektionszeichen ist kein prophylaktisches Antibiotikum erforderlich, insbesondere weil bei fehlender Abdeckung von Pseudomonas aeruginosa eine entsprechende Selektion erfolgen kann. Bei Risikopatienten, z. B. Diabetikern, sollte ein Breitbandantibiotikum wie Amoxicillin-Clavulansäure verschrieben werden. Besteht der Anhalt für eine Infektion mit Pseudomonas aeruginosa, können bei Resistenz gegen Ciprofloxacin weniger wirksame oral applizierbare Fluorchinolone wie Levofloxacin erwogen werden.

Verlaufskontrollen:
Bei allen Stichverletzungen der Fußsohle ist neben Hochlagern, Entlasten und einer Schmerztherapie eine Reevaluation spätestens nach zwei Tagen insbesondere im Hinblick auf Zeichen einer tiefergehenden Infektion erforderlich. Geringe Weichteildeckung, bradytrophes Gewebe, erhöhtes Alter, Immunsuppression und Komorbiditäten erhöhen das Infektionsrisiko. Neben einem möglichen Fremdkörper sollte auch besonderes Augenmerk auf dem Schuhwerk liegen in Bezug auf Verschleppung von Schaumstoff- oder Lederteilen. Arbeitsschuhe sind dagegen zur Prävention plantarer Stichverletzungen bereits mit einer Fußsohlenverstärkung ausgestattet.

Fazit
Anamnese und Wundinspektion bestimmen das Vorgehen bei plantaren Stichverletzungen. Bei fehlenden Risikofaktoren, reizlosen Wunden, fehlenden Infektionszeichen und Ausschluss eines Fremdkörpers ist neben Spülung der Wunde, Hochlagern und Entlasten keine spezifische Therapie erforderlich. Ist eine indizierte Antibiotikatherapie nicht erfolgreich, muss neben einem Fremdkörper auch eine Pseudomonas-aeruginosa-Infektion erwogen werden. Bei Infektionen, tiefergehenden Verletzungen und Fremdkörpern ist eine Vorstellung beim Unfallchirurgen angezeigt.

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Urban & Vogel (2014) DOI: 10.1007/s15006-014-3209-1

Samstag, 20. September 2014

Rütteln gegen Osteoporose

Hintergrund: Ganzkörpervibrationstraining (GKV) stimuliert durch mechanische Schwingungen die Muskulatur. Dies führt zu einer erhöhten muskulären Aktivität und zu Verformung am Knochen, was zu einer Remodullierung der Knochen und Erhöhung der Dichte führt. Das Ziel dieser systematischen Literaturübersicht war, ob eine Muskelaktivierung bzw. Muskelkräftigung hervorgerufen durch GKV einen Effekt auf die Knochendichte von postmenopausalen Frauen hat.

Methoden: Diese systematische Literaturübersichtsarbeit wurde nach den Vorgaben des PRISMA-Statements für Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten durchgeführt. Die Literatur wurde in verschiedenen elektronischen Datenbanken (PubMed, Cinahl) und Google Scholar gesucht. Die Suche, nach geeigneter Literatur, fand zwischen Juni 2012 und August 2013 statt. Die Qualität der Arbeiten wurden mittels dem „Cochrane-Risk-of-Bias-Instrument“ von zwei unabhängigen Personen (LC, SR) beurteilt.

Ergebnisse: Es wurden 246 Studien gesichtet. In die Analyse wurden 3 Studien mit vertikaler und 2 Studien mit seitenalternierender GKV eingeschlossen, mit insgesamt 368 Probanden mit einer Streuung von 60,7 – 79,6 Jahren. Von diesen trainierten 132 auf vertikal vibrierenden (VGKV) und 67 auf seitenalterierenden (SGKV) vibrierenden Platten. Die eingeschlossenen Studien wiesen ein mittleres bis hohes Risiko für Verzerrung auf. Die Behandlungsparameter waren sehr heterogen. Die Frequenzen wurden für VKGV zwischen 12,0 – 40,0 Hz und für SGKV mit 12,5 Hz gewählt und mit einer breit gestreuten Amplitude zwischen 1,7 und 12,0 mm bei einer vertikalen Beschleunigung von 0,1 – 10,0 g.

Schlussfolgerung: Diese systematische Literaturstudie zeigte signifikante Einflüsse nach VGKV mit Frequenzen von 30,0 – 40,0 Hz (3x/Woche, jeweils 15 Minuten Trainingszeit) auf die isometrische Maxmalkraft (IMK) von 15,1 – 16,5 % und der dynamischen Maximalkraft (DMK) von 7,9 – 16,5 % sowie der SKGV mit einer Frequenz von 12,5 Hz (3x/Woche, jeweils 15 Minuten Trainingszeit) auf die IMK von 26,6 %. Daraus resultierte eine Zunahme der Knochendichte in der LWS von 0,5 – 0,7 % und der Hüfte von 0,8 – 0,9 % bei postmenopausalen Frauen. Diese klinisch signifikanten Resultate müssen zukünftig mittels qualitativ hochwertig randomisiert-kontrollierten Studien bestätigt und nach dem CONSORT Statement rapportiert werden.


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LR. Calendo, J Taeymans, S Rogan:Hat die Aktivierung der Muskulatur durch Ganzkörpervibration einen Effekt auf die Knochendichte von postmenopausalen Frauen? Eine systematische Literaturübersicht.Sportverletz Sportschaden 2014; 28(03): 125-131

Donnerstag, 11. September 2014

50% der Chirurgen wollen hinschmeißen!

Während der Facharztausbildung denkt offenbar mehr als die Hälfte der angehenden Chirurgen ans Aufhören. Die Gründe waren in einer US-Studie wenig überraschend: Schlafmangel, zu lange Schichten und, vor allem bei Frauen, die Aussicht auf ein Berufsleben, das sich mit der Familie schlecht vereinbaren lässt.

Der Gedanke, alles hinzuschmeißen, ist während der Ausbildung zum Chirurgen offenbar weit verbreitet. 58% einer Gruppe von 288 US-amerikanischen Assistenzärzten, die anonym befragt wurden, gaben an, während ihrer Ausbildung zum Facharzt mehrmals im Jahr ernsthaft ans Aufhören gedacht zu haben. Am häufigsten wollten die Betroffenen in den ersten beiden Jahren kapitulieren (45,8 bzw. 41,4%).

Hauptsächlich bei Frauen zogen sich solche Gedanken über die ganze Assistenzarztzeit und noch bis zum Erlangen des „leitenden Arztes“ hin, während Männer sich im Laufe der Ausbildung offenbar besser mit ihren Arbeitsbedingungen arrangierten. Ab dem zweiten Ausbildungsjahr waren es vor allem Frauen, die ernsthaft ans Aufhören dachten.

Unattraktive Perspektiven
Die Gründe für solche Überlegungen waren in der Studie von Dr. Edward Gifford und Kollegen vom Harbour UCLA-Medical Center in Los Angeles wenig überraschend: 50% waren vom häufigen Schlafmangel genervt, bei 47% spielten die Aussichten auf ein wenig attraktives Berufsleben die wichtigste Rolle. 41,4% fanden die exzessiven Schichten so belastend, dass sie die Flinte ins Korn werfen wollten.
87 der Befragten setzten ihren Entschluss in die Tat um, davon 46,4% Frauen. Berücksichtigte man jedoch das Geschlechterverhältnis über zehn Jahre, wurde deutlich, dass insgesamt wesentlich mehr Frauen tatsächlich das Handtuch warfen als Männer (Odds Ratio 1,9; p = 0,005).
Insgesamt ermittelten die Forscher in den 13 untersuchten Ausbildungsprogrammen – die meisten davon universitär – eine Abbruchrate von 14,4% über zehn Jahre. In drei Programmen stieg sogar mehr als jede(r) fünfte Teilnehmer(in) vorzeitig aus.

Den Exodus der Frauen stoppen
Den Forschern zufolge müssen sich die Verantwortlichen nun ernsthaft überlegen, wie man die Abwanderung, vor allem der Frauen, bremsen könnte. Begrenzungen der Wochenstunden hatten in Studien wenig gebracht. Vielmehr müsse man Frauen bei dem schwierigen Spagat zwischen Beruf und Familie besser unterstützen, so Gifford et al. Die Tatsache, dass Frauen in chirurgischen Abteilungen nur selten gleichgeschlechtliche Ansprechpartnerinnen finden, trage sicher nicht zur Lösung des Problems bei.

Aktion statt Opferhaltung
„Mit dem Mythos vom Chirurgen als ewig untergebuttertes, ausgebeutetes Opfer mit lausigen Berufsaussichten muss endlich aufgeräumt werden“, schreibt Karen E. Deveney, Chirurgin an der Oregon Health and Science University in Oregon, in ihrem Kommentar zur Studie. Das ewige Jammern über verkorkste Karrieren, wie es viele Kollegen betrieben, sei kontraproduktiv und entmutige den Nachwuchs. Sie appellierte an die Leiter der Facharztprogramme, proaktive Schritte zu unternehmen: Die Chefs müssten ihren Schützlingen von Beginn an zeigen, wie man eine gesunde Balance zwischen Arbeits- und Familienleben erreichen kann. Schließlich gebe es zahlreiche Beispiele chirurgischer Praxen mit gut strukturierten Arbeitszeiten. Deveney riet, weibliche Assistenzärzte mit etablierten niedergelassenen Chirurginnen zusammenbringen, die den Spagat zwischen Familie und Beruf erfolgreich bewältigt haben.
Den Exodus der Facharztanwärter zu stoppen, tut auch in Deutschland not: Hierzulande hat der Berufsverband der Chirurgen bereits vor einem drohenden Fachkräftemangel gewarnt.

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Gifford E et al. Factors Associated With General Surgery Residents’ Desire to Leave Residency Programs. A Multi-institutional Study. JAMA Surg 2014; online 30. Juli; doi: 10.1001/jamasurg.2014.935

Freitag, 5. September 2014

TIA durch Energy-Drink?

Ein 26-jähriger Arzt erleidet in der eigenen Notaufnahme eine transitorische ischämische Attacke (TIA). Einziger Risikofaktor: zwei Energy-Drinks zum Wachbleiben.

Die stimulierende Wirkung von Energiegetränken ist längst schon beworben worden.  In der Literatur mehren sich jedoch inzwischen Fälle, in denen Energy-Drinks den Konsumenten neben Flügeln auch gleich noch eine Harfe mitgegeben wird.

Eine Gruppe von Medizinern um die Neurologin Süber Dikici (Universität Düzce, Türkei) berichtet über den Fall eines jungen Arztkollegen, der  trotz leeren Magens zwei Dosen eines koffeinhaltigen Energy-Drinks getrunken hatte. Das entspricht der Aufnahme von circa 160 mg Koffein, also etwa zwei Tassen Kaffee. Er erlittr einen plötzlichen Visusverlust auf dem rechten Auge, der nach vier Stunden spontan verschwand.

Keine Risikofaktoren
Sämtliche weiterführenden Untersuchungen bleiben unauffälig und schließen etwaige Risikofaktoren aus. Blutdruck, Herzfrequenz und EKG sind unauffällig, die Röntgenaufnahme des Thorax ebenso. Kardiovaskulär und respiratorisch scheint der Arzt auf der Höhe. Er gibt an, weder Kaffee noch Alkohol in exzessiven Mengen zu sich zu nehmen, er habe kein Fieber und keinen Infekt, Drogen nehme er auch keine. Die Anamnese ist, die TIA betreffend, vollständig leer, die Laborparameter – von der Thrombozytenkonzentration über den HIV-Test bis zur Bestimmung von antinukleären, antimitochondrialen und Anticardiolipin-Antikörpern – sind normal. Nachdem alle ätiologischen Möglichkeiten erwogen und verworfen worden sind, kamen die Ärzte zu dem Schluss, die TIA müsse auf die Wirkung des Energiegetränks zurückzuführen sein.
Nebenwirkungen bekannt
Was dem jungen Arztes nach dem Konsum zweier Energie-Drinks zugestoßen ist, mag erstaunen, ein Einzelfall ist es nicht. Ähnliche Ereignisse sind schon früher beschrieben worden: Von Hypertonie, zerebraler Vaskulopathie, akuter Manie, ischämischem Insult, Koronarspasmen und -thrombosen, Myokardinfarkt und Herzstillstand ist da die Rede. Spekuliert wird, dass exzessive Koffeinaufnahme in Verbindung mit Taurin, das ebenfalls in Energy-Drinks enthalten ist, bei physiologisch prädisponierten Personen kardiovaskuläre Ereignisse, etwa einen Spasmus der Arteria centralis retinae, auslösen kann. Wie Dikici und Kollegen einräumen, liegt ein endgültiger Beweis dafür aber nicht vor.




Dikici S et al. Does an energy drink cause a transient ischemic attack? Am J Emerg Med 2014, online 1. Juli; doi: 10.1016/j.ajem.2014.06.037



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