"Focus" meldet:
Jeder fünfte Chirurg nahm in seinem Leben schon
einmal Aufputschmittel. Wie gefährlich ist es für die Patienten, wenn
sich Ärzte mit Pillen fit machen für den Operationssaal?
Überforderung, Leistungsdruck, ständige Erreichbarkeit und Stress
– viele Arbeitnehmer in Deutschland fühlen sich mental und körperlich
ausgelaugt. Um dem entgegenzuwirken greifen etliche von ihnen offenbar
in den Medikamentenschrank. Sogar in der Berufsgruppe der Chirurgen hat
jeder Fünfte in seiner Laufbahn schon einmal zu einem
verschreibungspflichtigen Medikament oder einer illegalen Droge
gegriffen, um seine Leistung zu verbessern. Das besagt eine Studie der
Universität Mainz, in der die Wissenschaftler 1105 deutschsprachige
Chirurgen befragten.
Darum nehmen Ärzte Pillen
Chirurgen
arbeiten oft im Schichtdienst und stehen lange in OP-Sälen, um
Menschenleben zu retten. Es ist ein ungeheurer Druck, der auf den Ärzten
lastet. Doch Aufputschmittel sind gerade für sie besonders attraktiv,
nehmen die Mainzer Studienautoren um Klaus Lieb, dem Direktor der Klinik
für Psychiatrie und Psychotherapie, an. Denn andere Strategien, mit
Schlafmangel oder Konzentrationsstörungen umzugehen – wie etwa Schlaf
nachzuholen oder Entspannungstechniken anzuwenden – kosten mehr Zeit als
eine Pille einzuwerfen.
„Ob dadurch ein Risiko für die Patienten
entsteht ist, wissen wir nicht“, sagt Lieb. „Aus unserer Studie geht
nicht hervor, dass die Chirurgen gedopt sind, wenn sie im OP-Saal
stehen.“ Aufhellende Substanzen müssen sich laut Lieb zudem nicht
zwangsläufig schlecht auf die Behandlung des Patienten auswirken. Auf
der anderen Seite sei eine Gefährdung aber auch nicht ausgeschlossen:
Stimulanzien könnten dazu führen, dass derjenige, der sie einnimmt,
seine eigenen Kapazitäten überschätzt, schreiben die Studienautoren.
Nicht nur Ärzte dopen
Im
Rahmen des „Fehlzeiten Reports 2013“ berichtete die AOK, dass immer
mehr Deutsche erkranken, weil sie zu Suchtmitteln wie Nikotin, Alkohol
und Kokain greifen. Dazu befragte die Krankenkasse 2000 Erwerbstätige
zwischen 16 und 65 Jahren. Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage, die
durch die Einnahme von Suchtmitteln verursacht werde, ist laut
AOK-Studie in den letzten zehn Jahren um fast ein Fünftel gestiegen (17
Prozent). Hauptschuldig daran sind weiterhin der Alkoholkonsum und das Rauchen. Doch neue Suchtmittel, wie das „Gehirndoping“ seien auf dem Vormarsch.
Immerhin fünf Prozent der deutschen Arbeitnehmer
haben laut AOK-Studie in den letzten zwölf Monaten Psychopharmaka oder
Amphetamine eingenommen, um ihre Arbeitsleistung zu verbessern. Darunter
griffen etwas mehr Frauen zu den Aufputschmitteln als Männer. Bei den
unter 30-Jährigen war es sogar jeder zwölfte. Der stellvertretende
Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Institutes der AOK Helmut
Schröder vermutet, dass die Dunkelziffer noch erheblich höher sein
dürfte.
„Berufsgruppen mit starker Belastung durch Stress oder Leistungsdruck
sind besonders gefährdet“, sagt Klaus Lieb von der Universität Mainz. Zu
diesem Schluss kommt auch die Studie der AOK: Wen die Arbeit stark
unter Druck setzt, der ist eher gefährdet. Kommt eine geringe
Motivation
hinzu, macht es den Griff zu Aufputschmitteln noch wahrscheinlicher.
Immerhin 14,6 Prozent der Arbeitnehmer mit „starker Getriebenheit“ und
„geringem Arbeitseifer“ griffen laut AOK-Studie in den vergangenen zwölf
Monaten zu leistungssteigernden Mitteln.
Und sogar schon
Studenten dopen: Der Mainzer Sportwissenschaftler Pavel Dietz und seine
Kollegen haben mehr als 2 000 Mainzer Studenten befragten, ob sie im
letzten Jahr verschreibungspflichtige oder illegale Mittel wie
Amphetamine, Koffeintabletten oder Kokain eingenommen haben, um ihre
Leistungsfähigkeit zu steigern. Etwa jeder Fünfte unter ihnen hatte zu
solchen Mitteln gegriffen, darunter etwas mehr Männer als Frauen,
Erstsemester häufiger als höhere Semester.
Bekannter Trend
Bereits
vor vier Jahren kam die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) in
einer repräsentativen Untersuchung zu ähnlich dramatischen Ergebnissen:
Sie fand heraus, dass „jeder fünfte Arbeitnehmer die Einnahme von
Medikamenten ohne medizinische Erfordernis für vertretbar hält, um die
Leistung im Job zu steigern.“ Fast 20 Prozent der Befragten akzeptierten
demnach Stimmungsaufheller, um mit Stress und Konflikten am
Arbeitsplatz besser zurechtzukommen.
Wie ist Ihre Erfahrung mit der Belastung im Alltag?
http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/sucht/tid-33406/medikamentenmissbrauch-warum-so-viele-chirurgen-unter-drogen-stehen-sogar-studenten-dopen_aid_1095599.html